Audio

Frauenhofer-Institut erforscht neue Wirkstoffe

Eine Labormitarbeiterin hält eine Petrischale zum Nachweis resistenter Bakterien in der Hand

Das Fraunhofer-Institut in Gießen verwahrt einen ganz besonderen Schatz: eine Sammlung von Pilzen und Bakterien. In ihr suchen Forscher nach unentdeckten Stoffen, um neue Medikamente zu entwickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist bereits dabei.

Wie jeder Schatz muss auch dieser gut bewacht werden: Am Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) in Gießen lagern 120.000 Mikroorganismen, bestehend aus Bakterien und Pilzen. Es ist eine der weltweit größten Sammlungen ihrer Art, wenn nicht sogar die größte. Überwacht wird sie von einem wechselnden Ruf-Bereitschaftsdienst aus zwei Personen, und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

In Tiefkühlschränken und in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius wartet die Sammlung darauf, erforscht zu werden. Denn: Die Mikroorganismen sind eine potenziell wichtige Waffe im Kampf gegen Infektionskrankheiten und gegen multiresistente Keime.

Ziel: wirksame Antibiotika finden

Hüter des Schatzes sind die Mikrobiologen Till Schäberle und Sanja Mihajlovic. Zusammen mit ihrem Team wollen sie in den Organismen unter anderem neue Antibiotika finden.

Weil diese mitunter grundlos verschrieben und flächendeckend in der Massentierhaltung eingesetzt werden, verlieren sie immer öfter ihre Wirkung. Einige Krankenhauskeime sind sogar schon gegen alle derzeit verfügbaren Antibiotika resistent.

Frau mit schwarzen, Mann mit dunkelblonden Haaren stehen vor einem Baum und lächeln

Vielleicht Nadel im Heuhaufen gefunden

Obwohl die Arbeit der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht, hat das Team schon einen ersten geeigneten Kandidaten gefunden: Darobactin. Darobactin stammt aus Bakterien, die symbiotisch im Darm von Fadenwürmern leben.

Und Darobactine wirken ersten Forschungen nach auch bei Erregern, die Forschern und Ärzten weltweit derzeit am meisten Kopfzerbrechen machen: die so genannten gramnegativen Bakterien. Diese Erreger sind durch eine doppelte Membran geschützt, die dafür sorgt, dass viele Substanzen nicht in ihr Inneres eindringen können - aber viele Antibiotika wirken genau dort.

Darobactine wiederum wirken schon an der äußeren Membran. Sie "hacken" sich an einer bestimmten Stelle quasi ein und blockieren ein Protein, das für den Aufbau der Membran lebenswichtig ist. Damit stören sie die Neubildung der Membran, so dass das Bakterium stirbt. Zumindest im Versuch seien Darobactine nicht giftig und wirkten so spezifisch gegen die gramnegativen Erreger, dass auch nicht die komplette Darmflora geschädigt wird, sagt Schäberle, Leiter der Abteilung Naturstoffforschung des IME.

Entwicklung dauert und ist kostspielig

Bis ein auf diesem Naturstoff basierendes Antibiotikum auf den Markt kommt, werden aber noch bis zu zehn Jahre vergehen, ergänzt der Professor. Etliche Millionen müssen investiert werden. Hier sei auch der Staat gefragt, denn für die Pharmaindustrie rechnet sich die Forschung daran nur begrenzt.

"Man müsste solch ein neues Antibiotikum zunächst als sogenanntes Reserveantibiotikum für Fälle vorhalten, in denen herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken", sagt Schäberle. "Das sind dann aber kleinere Stückzahlen." Kosten waren auch einer der Gründe, warum der Pharmakonzern Sanofi die Sammlung von Mikroorganismen vor ein paar Jahren nach Gießen gegeben hat.

Da auch gegen dieses Antibiotikum langfristig wieder Resistenzen entstehen können, erinnert Schäberle daran, diesen Wirkstoff nur da einzusetzen, wo er wirklich nötig ist: "Wir sollten eine Wunderwaffe wie ein Antibiotikum, das Leben retten kann, sparsam einsetzen."

Suche auch nach anderen Wirkstoffen

Doch auch auf andere Wirkstoffe durchforsten Schäberle, sein Team und internationale Kooperationspartner ihren Schatz, den Sanja Mihajlovic parallel digitalisiert, damit die Daten auf einen Griff verfügbar sind.

Interessant seien die Organismen etwa für Bereiche wie Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit oder Pflanzenschutz, sagt Mihajlovic. Und Schäberle ist sich sicher: "Wenn auf Getreide oder Obstbäumen ein Pilz ist, ist das auch eine Infektionskrankheit, gegen die wir in unserer Sammlung Wirkstoffe entdecken können."

Weitere Informationen

Hintergrund

Rund 1,3 Millionen Menschen sterben nach Schätzungen der WHO jährlich an Infektionskrankheiten, gegen die Antibiotika nicht (mehr) wirken. In Deutschland sind es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts rund 9.700 - mit steigender Tendenz.

Antibiotika sind Substanzen, die Mikroorganismen - also Pilze, Bakterien und andere Einzeller - am Wachstum hemmen oder abtöten. Viele Lebewesen stellen solche Substanzen her, um sich gegen Konkurrenten oder Feinde zu verteidigen. Antibiotika wirken, indem sie an verschiedenen Stellen in den Stoffwechsel von Bakterien eingreifen und dafür sorgen, dass sie sich nicht mehr vermehren können.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen