Ihr Gehalt erreicht kaum Mindestlohn-Niveau, die Zuschüsse decken die eigenen Kosten selten: In Frankfurt hören immer mehr Tageseltern auf. Eine geplante Satzung der Stadt, die Besserung versprach, lässt auf sich warten.

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Tagesfamilien in Frankfurt demonstrieren für besseres Gehalt.

Tagesmutter Andrea O Cuin mit ihren beiden Tageskindern Isabella und Carla.
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Inmitten von spielenden Kindern findet sich Andrea O Cuin wieder. Die 60-Jährige betreut in Frankfurt drei Kleinkinder im Alter von eins bis drei Jahren, während ihr Mann sich um vier weitere kümmert. Als Tageseltern malen, singen und essen sie zusammen mit den Kindern, wickeln und bringen die Kleinen in den Mittagsschlaf. Doch hinter der liebevollen Fassade kämpft das Paar mit finanziellen Sorgen.

"Wir ermöglichen anderen Eltern, arbeiten zu gehen und Geld zu verdienen, kommen aber selbst nur schwer über die Runden", erklärt O Cuin. "Für drei Kinder bekomme ich umgerechnet 11,43 Euro brutto - also noch nicht mal Mindestlohn." Dieser beträgt aktuell 12,41 Euro pro Stunde.

Dazu komme eine Pauschale beispielsweise für Essen und Trinken. "Da zahle ich meistens drauf, weil ich den Kindern immer Bio geben will", sagt O Cuin. Wenn sie länger krank werde, bekomme sie als Selbstständige gar kein Geld. Von den Eltern dürfe sie auch kein weiteres Geld annehmen.

Zahl der Tagesfamilien deutlich gesunken

Mit dem Einkommen könne man kaum leben. "Wir haben eine riesige Verantwortung für die Kinder, und es gibt jetzt schon viel zu wenige Betreuungsplätze. Ich mache das aus Leidenschaft, aber frage mich jeden Tag, warum man so mit uns umgeht", beklagt sie.

Nicht nur O Cuin und ihr Mann leiden unter den finanziellen Engpässen. Die Zahl der aktiven Tagesmütter und -väter in Frankfurt ist drastisch gesunken. Waren es 2017 noch 545, sind heute nur noch 344, die zusammen mehr als 1.000 Kinder betreuen, wie zuletzt auch die FAZ berichtete - und das obwohl der Bedarf an Kinderbetreuung stetig steigt.

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Tagesfamilien

Kinderbetreuung in Tagesfamilien in Frankfurt (Kindertagespflege) ist eine familiennahe und seit Jahren bewährte Betreuung für Kinder durch Tagesmütter und Tagesväter. Sie ist gleichrangig zum gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz wie in Krippen oder Krabbelstuben. Es werden überwiegend Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren betreut, aber auch Kinder ergänzend zu einer Kita oder Schule. Geregelt wird die Tagesfamilie von den Kommunen, meistens per Satzung.

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O Cuin: "Unser Geld ist seit 2010 fast ein Viertel weniger wert"

Das Einkommen der Tageseltern setzt sich aus zwei Quellen zusammen: Fördermittel und eine Sachkostenpauschale. Die Fördermittel werden von der Stadt und vom Land bereitgestellt. Während der Landesanteil konstant bleibt, hängt der städtische Anteil von der Anzahl der betreuten Kinder ab. Bis zum dritten Kind erhalten Tageseltern eine Förderung von 714 Euro pro Kind. Wer vier oder fünf Kinder betreut, erhält nur noch 545 Euro pro betreutem Kind. Mehr als fünf Kinder dürfen nicht betreut werden. Diese Kürzung, auch Degression genannt, ist seit Jahren umstritten.

Zusätzlich erhalten die Tageseltern eine Sachkostenpauschale von 300 Euro pro Kind, die von der Stadt gezahlt wird. Diese Pauschale wurde seit 2008 nicht mehr erhöht, obwohl die Kosten deutlich gestiegen sind. Die Tagesfamilien bezahlen damit Miete, Nebenkosten, Verpflegung der Kinder, Spielsachen und weiteres. "Unser Geld ist seit 2010 fast ein Viertel weniger wert wegen der Inflation", erklärt O Cuin. Zwei Einmalzahlungen in Höhe von jeweils 300 Euro pro Kind, zu denen sich die Stadt bereit erklärte, würden da kaum helfen.

Geplante Verbesserung verzögert sich

Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Gehaltssituation ruhte auf einer neuen Satzung, die Anfang 2024 in Kraft treten sollte. Doch nun verzögert sich die Rettung für die Tagesfamilien, da das Frankfurter Rechtsamt Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Entwurfs äußerte.

Mit der neuen Satzung sollten ab 1. Januar unter anderem die Degression abgeschafft und die Förderleistung angehoben werden. Die Sachkostenpauschale sollte außerdem auf 400 Euro steigen. Der Satzungsentwurf soll nun überarbeitet werden.

Neuer Anlauf für gerechtere Satzung

Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) betont, dass sie den Beruf aufwerten und die Tagespflege weiter ausbauen wolle. Alle politischen Fraktionen würden die Satzung so auf den Weg bringen wollen, wie sie inhaltlich ausgearbeitet worden sei. Jetzt werde ein Experte hinzugezogen, der bereits mehreren Kommunen bei der Erstellung ihrer Satzungen beraten habe.

"Ich hoffe, dass wir zügig zu einem Ergebnis kommen. Aus meiner Sicht ist das alternativlos, weil die Tagespflegepersonen dieses Geld dringend brauchen. Wir wollen die Kindertagespflege als Beruf aufwerten und mehr Tagesfamilien in Frankfurt etablieren", sagt die Dezernentin der FAZ.

Demonstration auf dem Paulsplatz

Doch die Zeit drängt. Seit Jahren verhandeln Tagesfamilien in Frankfurt mit der Stadt über eine bessere Bezahlung. "Als von einer neuen Satzung Anfang 2024 gesprochen wurde, empfanden das viele Tagesfamilien als für zu spät, weil das finanzielle Problem akut war und ist", erklärt O Cuin. Aber selbst "der späte Beschluss kommt jetzt erst mal nicht zustande".

Andrea O Cuin hängt Fyler auf, um auf die Demonstration aufmerksam zu machen.

Enttäuscht von den langen Wartezeiten und den ungewissen Aussichten planen O Cuin und ihre Kollegen eine erneute Demonstration "für soziale Gerechtigkeit und eine leistungsgerechte Bezahlung". Am Montag, 19. Februar, wollen sie auf dem Paulsplatz zusammenkommen, um zu demonstrieren. Anschließend würden die Tagesfamilien und Eltern ihre Forderungen vor dem Bildungsausschuss vortragen.

O Cuin: "Bereue den Job nicht"

Bei all dem Frust bereut die ehemalige Flugbegleiterin Andrea O Cuin nicht, seit 2011 Tagesmutter zu sein: "Es ist einfach schön, die kleinen Kinder beim Entwickeln zu beobachten, wie sie ihre ersten Worte sprechen und ihre ersten Schritte machen. Ich bin davon überzeugt, dass eine gute Begleitung in dieser Phase entscheidend ist und die Kinder positiv vorbereitet."

Sie habe sogar ein kleines Mädchen betreut, das nun seit fünf Jahren ihr Pflegekind sei und bei ihr lebe. "Das zeigt vielleicht, dass wir das wirklich mit Herz und Seele machen." O Cuins Fokus liege auf allein erziehenden Frauen oder Männer, "die sonst niemanden haben außer uns". Offen bleibt, wie lange noch.

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