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Bundesverdienstkreuz für Andrea Alleker-Fendel

Mädchen stehen vor einem Wassertank an der Kiluvya Seconday School, Tansania, März 2020

Seit 20 Jahren unterstützt der Frankfurter Verein Probono den Schüleraustausch - vor allem mit Schulen in Tansania und Uganda. Nun bekommt die Gründerin das Bundesverdienstkreuz verliehen und spricht im Interview über Wege zur Völkerverständigung.

Seit zwei Jahrzehnten setzt sich Andrea Alleker-Fendel mit ihrem Verein "Probono Schulpartnerschaften für Eine Welt e.V." für Bildung, interkulturellen Austausch und Völkerverständigung ein. Nun hat ihre Arbeit Anerkennung auf höchster Ebene gefunden: Alleker-Fendel wurde am Freitag mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Im Interview mit hessenschau.de spricht sie über die Kraft der Bildung, die Bedeutung von persönlichen Begegnungen und warum sie niemanden mit ausgeprägtem "Helfersyndrom" brauchen kann.

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hessenschau.de: Frau Alleker-Fendel, warum sollte jeder Mensch mal nach Afrika?

Andrea Alleker-Fendel: Um Vorurteile abzubauen. Die Menschen im Süden haben viele Gemeinsamkeiten mit uns - und sind uns gar nicht so fremd. Ich glaube, nur so kann man Brücken bauen und Themen wie Friedenssicherung, Umweltschutz oder Gleichberechtigung in unserer Welt angehen.

Eine Frau steht an einem Rednerpult, eine andere Frau hält ihr ein Mikrofon hin.

hessenschau.de: Vor 20 Jahren haben Sie - auch deshalb - den Verein "Probono" gegründet?

Alleker-Fendel: Vor 20 Jahren gab es das Bildungskonzept "Globales Lernen" kaum an deutschen Schulen. Auch Afrika war weitestgehend unbekannt. Ich bin mir sicher, dass Bildung der Schlüssel zur Armutsbekämpfung und für ein selbstbestimmtes Leben ist. Mir lag es am Herzen, den Horizont von Jugendlichen zu erweitern und sie in andere Lebenswelten eintauchen zu lassen. Die Schulpartnerschaften können genau diese Anliegen verbinden. Interkulturellen Dialog fördern, zu sozialem Engagement motivieren - das fand ich damals, und finde es noch heute wichtig und unterstützenswert.

hessenschau.de: Sie stellen Partnerschaften zwischen deutschen Schulen und Schulen in Tansania und Uganda her. Wie genau?

Alleker-Fendel: Wir vernetzen Schulen in Afrika mit Schulen in Deutschland. Die Schülerinnen und Schüler sollen in den Dialog gehen. Im Vordergrund stehen daher unsere Begegnungsreisen: die Kinder und Jugendlichen kommen zusammen, lernen voneinander, singen oder kochen gemeinsam. Diese Reisen gehen in der Regel drei Wochen - und sowohl deutsche Kinder fliegen dafür in den Süden, als auch Kinder aus Tansania oder Uganda nach Deutschland.

Daraus entwickeln sich oft Freundschaften und ein engerer Kontakt. Wir wissen, dass es für viele Kinder biografieprägend ist, zu erleben, dass es nicht nur Trennendes, sondern auch viel Verbindendes gibt. Und: Wenn die Kinder nach Hause kommen, haben sie oft ein anderes Empfinden für Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sind deutlich offener.

hessenschau.de: Apropos Offenheit ... wie offen waren unsere Schulen eigentlich gegenüber tansanischen Schülerinnen und Schülern? War das schwierig?

Alleker-Fendel: Oh, das war noch vor 15 Jahren ein Tabu. Uns haben deutsche Schulen gesagt, dass das auf keinen Fall gehe, es ein viel zu großer Kulturschock sei, man von dem Geld doch lieber Bücher kaufen könne. Da war eine große Zurückhaltung und man wollte die tansanischen Kinder nicht einladen. Es hat sich erst nach und nach entwickelt, bis ein Verständnis dafür aufkam, dass so ein Dialog nur auf Augenhöhe funktionieren kann. Zugegeben: Den Kulturschock gibt es gelegentlich – aber auf beiden Seiten und er gehört dazu.

hessenschau.de: Mit Ihrem Freiwilligenprogramm können junge Erwachsene, sogenannte "Educational Volunteers", für rund drei Monate in die Schulen nach Afrika. Wie schaffen Sie es, dass das den Schulen wirklich etwas bringt und nicht bloß eine große Abenteuerreise für privilegierte Abiturienten ist?

Alleker-Fendel: Das wäre überhaupt nicht unser Ziel - wir wollen niemanden mit Helfersyndrom oder jemanden, der glaubt, dass wir im Norden alles wissen und der Süden sich das anhören muss. Die Jugendlichen werden vorher intensiv interkulturell vorbereitet, sodass wir deren Talente auch vor Ort auf Augenhöhe einsetzen können. Ein Beispiel: Es gibt an fast keiner tansanischen oder ugandischen Schule die Fächer Kunst, Musik und Sport. Das ist Luxus und steht nicht im Curriculum, denn dafür gibt es kein Geld. Dabei können aber unsere Volunteers unterstützen und an Nachmittagen - dass es den Regelunterricht nicht stört - eingesetzt werden. Das ist dann eine Freude und Bereicherung für beide Seiten.

Es gibt leider Organisationen, bei denen vorab keine Vorbereitung stattfindet und sich vor Ort auch nicht um die Freiwilligen gekümmert wird. Dann dümpeln Jugendliche vor sich hin und der Einsatz hat keinen Nutzen und kostet nur Geld.

Schulbücherei an der Amani Usa Primary School, Usa River, Tansania, Juli 2023

hessenschau.de: Gibt es ein besonderes Erlebnis, eine Begegnung in diesen vielen Jahren, die Sie nicht vergessen?

Alleker-Fendel: Wenn mir eine junge Schülerin erzählt, dass sie unbedingt Ärztin werden will, weil ihre Schwester eine Augenkrankheit hat und weil sie den kranken Menschen in ihrem Dorf helfen will - dann berührt mich das sehr. Ganz entscheidend für mich war eine Begegnung direkt nach unserer Gründung. Da sagte ein tansanischer Schulleiter zu mir: "Ihr habt ein großartiges Konzept, aber ihr braucht zuverlässige Leute hier vor Ort. Ein zuverlässiger, erster Kollege bin ich". Das war ein großes Glück für mich und unseren Verein!

hessenschau.de: Warum haben Sie genau diesen Weg der Völkerverständigung gewählt?

Alleker-Fendel: Weil ich es wichtig finde, dass gerade junge Menschen, die noch nicht mit Vorurteilen belastet sind, frühzeitig andere Kulturen kennen lernen. Das baut Toleranz und Respekt füreinander auf. Wenn man sich die Kriege in der Welt anschaut, denke ich immer: Wenn hier mehr Jugendaustausch stattgefunden hätte, wären solche Kriege vielleicht gar nicht möglich.

hessenschau.de: Sie erhalten für Ihre Arbeit nun das Bundesverdienstkreuz - wie sehr freut Sie das?

Alleker-Fendel: Sehr. Ich sage nicht, ich hätte es nicht verdient (lacht), aber es ist eigentlich keine persönliche Auszeichnung. Sie gebührt vielen Menschen, dem Team, den Mitgliedern und vielen Förderern, die sich seit Jahren für unseren Verein einsetzen. Deswegen bin ich stolz, denn es ist eine Gemeinschaftsleistung.

Weitere Informationen

Probono e.V.

"Probono Schulpartnerschaften für Eine Welt e.V." besteht seit 2004. Finanziert wird der Verein mit Sitz in Frankfurt unter anderem durch Spenden, Fördermittel vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem Land Hessen sowie Stiftungen und von Unternehmen, Vereinen und privaten Spendern.

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