Schatten von tanzenden Menschen mit Partylicht

Nach den Rassismus-Vorwürfen gegen angehende Landesbeamte des Rotenburger Studienzentrums laufen Ermittlungen gegen unbekannt. Die Hochschule bemüht sich um Aufklärung. Studierende, die den Vorfall meldeten, berichten von Gegenwind.

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Ermittlungen wegen Verdachts rassistischer Parolen auf Hochschul-Party

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"Gedrückt" sei die Stimmung am Campus, berichteten Fatih Çelebi und Mubarik Sabir am Freitag. Sie sind zwei Studierende des Rotenburger Studienzentrums für angehende Landesbeamte. Nachdem bei einer Hochschul-Party am 23. Januar rassistische Parolen gesungen worden sein sollen, hatten sie sich an die Hochschulleitung gewandt. Jetzt erleben sie nach eigener Aussage sehr unterschiedliche Reaktionen ihrer Kommilitonen.

Während einige Studierende sie in ihrem Vorhaben, den Vorfall zu melden, bestärkt hätten, seien andere nicht einverstanden gewesen. In den vergangenen Tagen hätten sie daher viel Gegenwind gespürt.

"Viele Studierende haben die Notwendigkeit der Berichterstattung nicht gesehen", sagte Sabir. Einige Kommilitonen hätten sie angehalten, den Vorfall "nicht aufzublasen", andere hätten die Vorwürfe mit dem Argument heruntergespielt, es sei Alkohol im Spiel gewesen, sagten beide. "Wir haben Verharmlosung erlebt", sagte Sabir.

Sechs Meldungen nach der Party

Çelebi und Sabir waren nicht die einzigen Hinweisgeber, die die Hochschulleitung aufsuchten. Insgesamt hätten sich sechs Studierende in den Tagen nach der Party an sie gewandt, berichtete Hochschuldirektor Karl Jennemann am Freitag. Keiner von ihnen sei nach eigenen Angaben bei der Party dabei gewesen. Vielmehr hätten sie jeweils über Dritte von dem Vorfall erfahren. Ihre Vorwürfe seien allerdings einhellig gewesen, so Jennemann.

Auch mit den Organisatoren der Feier hat die Hochschulleitung nach eigenen Angaben das Gespräch gesucht. Diese seien am 23. Januar selbst vor Ort gewesen, hätten aber angegeben, von rassistischen Gesängen nichts mitbekommen zu haben.

Schweigen unter Studierenden: "Angst, ein Teil davon zu sein"

Mit dem hr wollen viele Studierende nicht öffentlich über die Vorfälle sprechen und geben an, nicht dabei gewesen zu sein. "Die Leute, die dort waren, haben Angst vor disziplinarrechtlichen Konsequenzen", sagte Çelebi: "Sie haben Angst, ein Teil davon gewesen zu sein - und manchen ist es egal." Er gehe davon aus, dass der Großteil der Studierenden nicht so ist. Doch viele würden schweigen.

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Hochschule zeigt sich bestürzt nach Rassismus-Vorwürfen

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Konkrete Namen derer, die bei der Party rechte Parolen gesungen haben sollen, lägen bisher nicht vor, sagte Michael Hohmann, Zentralabteilungsleiter des Finanzministeriums bei einer Pressekonferenz der Hochschule am Freitagnachmittag. Die Hochschulleitung verwies zudem auf die laufenden Ermittlungen.

Ermittlungen wegen Verdachts der Volksverhetzung

"Das Verfahren richtet sich derzeit gegen unbekannt", erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Fulda am Freitag: "Momentan sind wir dabei, den Sachverhalt zu erhellen." Polizei und Staatsanwaltschaft Fulda hatten am Donnerstagnachmittag mitgeteilt, dass der Staatsschutz Ermittlungen in dem Fall aufgenommen hat. Der Vorwurf lautet: Verdacht auf Volksverhetzung.

Sollten die Verantwortlichen der rassistischen Gesänge ermittelt werden, müssen sie damit rechnen, aus dem Dienst entlassen zu werden und nicht mehr weiter studieren zu dürfen. Das sagte Hessens Finanzminister Alexander Lorz (CDU) am Freitag in einem Interview mit dem hr.

Die Beamten-Anwärterinnen und -Anwärter des Studienzentrums seien ein "Spiegel der Gesellschaft", sagte Lorz. Der Vorfall gebe deshalb zu denken, "auch was den allgemeinen Zustand unserer Gesellschaft anbelangt".

Was passierte im Beatkeller?

Studierende der Hochschule hatten sich in dieser Woche per Mail an verschiedene Medien gewandt, auch an den hr. Sie berichteten, dass auf einer Party im Beatkeller des Rotenburger Studienzentrums am 23. Januar rassistische Parolen wie "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus" gegrölt worden seien.

Konkret berichteten Studierende dem hr, bei der Feier sei zweimal der Song "L'amour Toujours" von Gigi D'Agostino gelaufen: Ein Hit aus den 2000er Jahren, der in Sozialen Netzwerken immer wieder von Rechtsextremen verwendet wird, um die genannten Parolen darüber zu singen. Das soll auch auf der Party im Beatkeller passiert sein.

"Betroffene Studierende mit Migrationshintergrund sind verunsichert und eingeschüchtert", schrieb die Gruppe der Hinweisgeber, die zum eigenen Schutz anonym bleiben wollen.

Studienzentrum will Prävention ausweiten

Hochschule und Finanzministrium wiesen am Freitag mehrfach auf Präventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus hin, die am Rotenburger Studienzentrum schon seit Jahren liefen.

So gebe es dort seit 2017 ein Diversity Management. Außerdem arbeite man seit 2020 mit der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank zusammen, um das Demokratieverständnis der Anwärterinnen und Anwärter zu fördern. Im Herbst soll zudem eine seit langem geplante Veranstaltung zur Verstrickung der Finanzverwaltung im Dritten Reich mit der Judenverfolgung stattfinden.

Solche Programme gelte es auszuweiten, hieß es es von Ministerium und Hochschule. "Wir müssen mehr tun - aber wir haben auch schon viel getan", sagte Michael Hohmann.

Das Studienzentrum bildet nach eigenen Angaben jährlich rund 1.000 neue duale Studierende sowie Auszubildende für den öffentlichen Dienst aus. Davon entfallen auf die hessische Finanzverwaltung etwa 820 und auf die hessische und teilweise thüringische Justiz etwa 210 neue Anwärter und Anwärterinnen. 

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