Documenta Kunstwerk wird abgehängt

Schon die documenta 15 war 2022 überschattet von Antisemitismus-Vorwürfen. Als Reaktion wurde die Auswahl der künstlerischen Leitung einer Findungskommission übergeben - und darin soll nun ein BDS-Sympathisant sitzen. Befinden wir uns in einer Zeitschleife?

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Schon wieder Antisemitismus bei der documenta?

Letzte Reste vom umstrittenen und abgebauten Kunstwerk "People's Justice" vom Künstlerkollektiv Taring Padi stehen auf dem Friedrichsplatz vor dem Museum Fridericianum.
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Die Antisemitismus-Diskussion um die Kasseler documenta-Ausstellung geht in die nächste Runde: Wie die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag berichtete, unterzeichnete ein Mitglied der neuen documenta-Findungskommission im Jahr 2019 ein Statement, das die israelfeindliche BDS-Bewegung unterstützt.

Die in weiten Teilen antisemitische Solidaritätsbekundung mit der umstrittenen Bewegung war auf dem Blog eines indischen Kulturforums veröffentlicht worden. Die Verfasser hatten sie an die Kritik einer Veranstaltung des israelischen Generalkonsulates in Mumbai geknüpft, die sich mit dem Zionismus und der religiös-nationalistischen Hindutva-Bewegung beschäftigte.

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Was bedeutet BDS?

Die BDS-Bewegung ist eine internationale Kampagne, die Israel durch politischen und wirtschaftlichen Druck zum Rückzug aus dem besetzten Westjordanland zwingen will. Die Abkürzung steht dabei für "Boykott, Desinvestition, Sanktionen". Aus den Reihen der BDS-Bewegung wird immer wieder das Existenzrecht Israels infrage gestellt, weshalb der Bundestag die BDS-Bewegung seit 2019 als antisemitisch einstuft und verurteilt. International ist das aber aufgrund der Heterogenität der Bewegung umstritten.

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"Das ist schon harter Tobak, was in diesem Statement steht", sagt Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank dazu. Drei Mal wird der Staat Israel darin als "Siedler-Kolonial-Apartheidstaat" bezeichnet, der eine ethnische Säuberung der Palästinenser vorantreibe.

Problematische Petition

Unter der Erklärung steht auch der Name des indischen Schriftstellers und Kunstkritikers Ranjit Hoskoté. Er ist Teil der sechsköpfigen Findungskommission, die die künstlerische Leitung der kommenden documenta 16 auswählt. Hoskoté selbst weist den Vorwurf zurück, er sei Antisemit. Zugleich betont er, er lasse sich nicht durch eurozentrische Positionen belehren.

Für Antisemitismusexperte Mendel ist es unverständlich, weshalb die documenta-Leitung es einfach nicht schaffe, ihre Gremien so zusammenzusetzen, dass solche Zwischenfälle vermieden würden. Schließlich habe der SZ-Autorin eine einzige Google-Suche gereicht, um auf die problematische Petition zu stoßen.

Staatsministerin droht mit Konsequenzen

Die von Hoskoté unterzeichnete Erklärung sei "ganz klar antisemitisch und strotzt vor israelfeindlichen Verschwörungstheorien", teilte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) am Freitag mit. Sie droht der documenta finanzielle Konsequenzen an.

"Eine finanzielle Beteiligung des Bundes wird es für die nächste documenta nur geben, wenn es einen gemeinsamen Plan und sichtbare Reformschritte hin zu klaren Verantwortlichkeiten, einer echten Mitwirkungsmöglichkeit für den Bund und Standards zur Verhinderung von Antisemitismus und Diskriminierung gibt", so Roth. "Ich sehe hier noch keine Grundlage erreicht." Es brauche einen glaubwürdigen Neustart bei der documenta.

Erinnerung an 2022

Der Vorfall erinnert an den Eklat bei der documenta im vergangenen Sommer. Dabei war unter anderem ein klar antisemitisches Bild von einem stilisierten Juden mit blutunterlaufenen Augen, Reißzähnen und SS-Runen am Hut und neben Monstern in Kassels Innenstadt aufgehängt worden. Nach vielfacher Kritik hatte die documenta das Kunstwerk verhüllt und eine differenzierte Aufarbeitung versprochen.

Nun zeigt sich der documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann überrascht über die früheren Äußerungen Hoskotés. Die Unterzeichnung des Statements sei der documenta vorher nicht bekannt gewesen. Laut einer Mitteilung, die hessenschau.de vorliegt, sei sie für die Veranstalter nicht im Ansatz akzeptabel.

BDS-Ferne war Voraussetzung

"Dass die Findungskommission keine BDS-Nähe aufweisen sollte, wurde als wesentliche Voraussetzung von den Gesellschaftern explizit an die ehemaligen Künstlerischen Leitungen herangetragen, die mit der Aufstellung der Findungskommission betraut waren", heißt es.

Alle Mitglieder der Findungskommission, darunter also auch Hoskoté, haben sich daher von der BDS-Bewegung explizit distanzieren müssen. Wie die frühere Unterschrift Hoskotés dennoch unbemerkt bleiben konnte, dazu sagt Hoffmann nichts.

Distanzierung nach Hamas-Angriff

Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober habe der Künstler die BDS-Bewegung aber erneut verurteilt und betont, er sei in seinen Gedanken "sowohl beim jüdischen als auch beim palästinensischen Volk, bei der leidenden Zivilbevölkerung in Israel und Palästina".

Die Aufarbeitung der antisemitischen Verfehlungen auf der documenta 15 sei für die Veranstalter demnach weiterhin ein ernstes Anliegen. Die documenta wolle deshalb mit ihm nun in weitere Gespräche gehen. Die Findungskommission hat nach hr-Informationen jedoch schon getagt, die Kandidaten für die künstlerische Leitung sind schon festgelegt und angefragt.

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