Spielzeugrakete von einem Karussell aus den 1950er oder 1960er Jahren

Kaum eine Epoche hat die Zukunft so gefeiert wie die 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Raumfahrt und Atomkraft lösten eine regelrechte Euphorie aus. Eine Ausstellung im Darmstädter Landesmuseum widmet sich dem von Futurismus geprägten Design dieser Zeit.

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"Into the Space Age!" - Ausstellung im Darmstädter Landesmuseum

Blick in die Ausstellung "Into the Space Age!" im Darmstädter Landesmuseum
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"Lieber junger Freund, ein neues technisches Zeitalter ist angebrochen", heißt es auf der Verpackung einer kleinen Dampfmaschine, die in Form eines Atomkraftwerks daherkommt. Das Spielzeug aus dem Jahr 1958 sollte offenbar Kinder an die schier unbegrenzten Möglichkeiten eines anbrechenden neuen Zeitalters heranführen und steht damit exemplarisch für eine Epoche, in der die Zukunft regelrecht gefeiert wurde.

Denn in kaum einer Zeit hat der Blick in die Zukunft eine solche Faszination ausgeübt wie in den 50er und 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit der Eroberung des Weltalls durch Sputnik und dem Wettlauf zum Mond schienen die Fesseln der Menschheit gesprengt.

Durch die neue Technik der Atomkraft stand vermeintlich unbegrenzte und saubere Energie für den Aufbruch in ein neues Zeitalter zur Verfügung. Die Weltausstellungen 1958 in Brüssel mit dem "Atomium" oder 1962 in Seattle mit dem "Space Needle"-Turm waren prägende Ereignisse dieser Epoche.

Design-Ikonen des Atom- und Weltraumzeitalters

Eine Spielzeug-Dampfmaschine in Form eines Atomkraftwerks aus dem Jahr 1958

Der Aufbruchsgeist durchströmte zu jener Zeit nahezu alle Bereiche der Gesellschaft und drang bis tief in den Alltag vor. Diesem Phänomen widmet sich die Designausstellung "Into the Space Age!", die noch bis Januar 2024 im Landesmuseum Darmstadt besucht werden kann. Zu sehen sind unverwechselbare Ikonen des Atom- und Weltraumzeitalters aus den Bereichen des Mode-, Möbel- und Produktdesigns sowie der Architektur.

Die Spielzeugdampfmaschine ist eines der Lieblingsstücke von Kurator Wolfgang Glüber. "Wir wollten keine abgehobene Designausstellung machen, uns war es immer wichtig, die Zeitgeschichte mit einzubeziehen", erklärt Glüber. "Wir haben uns die Frage gestellt: Was bedeutet der Sputnik oder die Begeisterung für die vermeintliche Wunderenergie Atomkraft auch für Design? Welche Wechselwirkung gibt es?"

Wuchtiges TV-Möbel vom deutschen Designer Gerhard Kubetschek aus dem Jahr 1959/60

Besucher und Besucherinnen bekommen dabei viele Farben und viel Plastik zu sehen. Das Bohrsche Atommodell zieht sich als beliebtes Motiv der Zeit genauso durch die Ausstellung wie futuristische Möbel und Sitzgelegenheiten. Ins Auge sticht etwa ein unglaublich wuchtiges TV-Möbel von 1959, das in einer lang gezogenen Spitze das Sternen-Motiv aufgreift, mit einem Preis von 3.500 Mark für damalige Verhältnisse aber nahezu unerschwinglich war.

Viele Stühle, aber keine Beine

Ein Schwerpunkt der Ausstellung sind Sitzmöbel. "An Sitzmöbeln haben sich viele Designer erprobt. Wer durch die Ausstellung läuft, wird feststellen, dass wir kein einziges Stuhlbein haben", so Glüber.

Eine Negierung der biederen Wohnzimmerlandschaften der Vergangenheit, die sich an Stücken von Wohndesignern wie Harry Bertoia, Eero Saarinen, Verner Panton oder Joe Colombo nachvollziehen lässt.

Tulip-Chair von Eero Saarinen aus dem Jahr 1956. Der Stuhl wurde in der Serie "Raumpatrouille Orion" verwendet.

Einige der ausgestellten Sitzmöbel erlangten sogar weltweite Berühmtheit durch Film und Fernsehen. Etwa der "Tulip-Chair" des Finnen Saarinen aus dem Jahr 1956, mit dem das legendäre Starlight Casino aus der Serie "Raumpatrouille Orion" ausgestattet wurde. Der Sessel "Djinn" des französischen Designers Olivier Mourgue von 1965 schaffte es in den Stanley-Kubrick-Klassiker "2001: Odyssee im Weltraum".

Passend zu den Ausstellungsstücken finden sich an den Wänden Fotos, Plakate und Titelblätter von Zeitschriften, die die Themen und Zeitphänomene dieser Epoche darstellen.

Mode - nicht praktisch, aber visionär

Auch die Modewelt der 1950er und -60er Jahre wurde von Zukunftsvisionen beeinflusst. Neben Kleider-Entwürfen von Paco Rabanne oder Pierre Cardin fällt auch eine Acrylglashaube im Astronauten-Look ins Auge, die die Frisuren von Stewardessen beim Umsteigen vor Wind und Wetter schützen sollte. "Ein Verkaufsschlager wurde das nicht", gibt Glüber zu. Es zeige aber sehr gut, in welche Richtung viele Designer in diesen Jahren gedacht hätten.  

Eine Frisurenhaube im Astronautenstil für Stewardessen

"Wir zeigen eine ganz besondere Epoche des internationalen Designs" verspricht Glüber. Eine Epoche, die in den frühen 1970er Jahren mit Erdölkrise und der Anti-Atomkraftbewegung ihr Ende fand. Themen wie Ressourcenverschwendung veränderten die Haltung zur bis dato bunten und knalligen Plastikwelt. Auch das ist Thema der Ausstellung.

Podcast zur Ausstellung

Begleitend zur Ausstellung hat das Museum auch einen Podcast mit Paolo Ferri aufgenommen. Ferri war langjähriger Missionsleiter im europäischen Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt. Im Podcast erzählt er, wie er als Kind Astronaut werden wollte, wie aber die Raumfahrt durch den Wettlauf der Weltmächte Sowjetunion und USA und der schwelenden Angst vor einem Atomkrieg nicht nur für Begeisterung sorgte.

Design ist auch immer Ausdruck von gesellschaftlichen Strömungen sowie den Gedanken, Gefühlen und Ängsten der Menschen in einer bestimmten Epoche. Die Ausstellung "Into the Space Age!" gibt dabei einen zwar kurzen, aber durchaus eindrücklichen Einblick in den Zustand einer Welt, die sich bei aller Sorge über den Kalten Krieg zumindest für ein paar Jahre an der Schwelle zu einer besseren Zukunft wähnte.

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Into the Space Age!

Die Ausstellung "Into the Space Age!" ist noch bis zum 7. Januar 2024 im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt zu sehen. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben freien Eintritt.

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