Das Bild zeigt Musiker Shantel. Er sitzt auf einer beigefarbenen Sitzbank im Schauspiel Frankfurt, hinter ihm erstreckt sich ein Eingangsbereich mit hohen Decken. Im Hintergrund ist eine Fensterfront, durch die man das Eurozeichen am Willy-Brandt-Platz sehen kann.

Zum Holocaust-Gedenktag finden vielerorts Veranstaltungen in Hessen statt. Eine Künstler-Initiative aus Hessen positioniert sich deutlich gegen Antisemitismus, dabei sind auch der Musiker Shantel und das Schauspiel Frankfurt.

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Städtische Bühnen begehen Holocaust-Gedenktag

Paulskirche in Frankfurt
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Beschmierte Synagogen, zerstörte Israel-Flaggen, antisemitische Parolen bei Demonstrationen: Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober häufen sich auch in Deutschland judenfeindliche Attacken.

Und während der Kultur-Szene hierzulande häufig vorgeworfen wird, sich nicht genügend mit Israel zu solidarisieren, ist das Bild international ein anderes. "Wer sich nicht einschwenkt auf Boykottaufrufe gegen Israel oder an Initiativen teilnimmt, der ist einfach draußen", sagt der Frankfurter Musiker Stefan Hantel alias Shantel.

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Holocaust-Gedenktag in Hessen

Am 27. Januar 1945 wurde das größte Konzentrationslager der Nationalsozialisten, das KZ Auschwitz-Birkenau, von der Roten Armee befreit - der Tag gilt daher als Holocaust-Gedenktag. In Hessen wird bereits seit Freitag mit verschiedensten Gedenkveranstaltungen an den Völkermord erinnert - circa 17.000 Jüdinnen und Juden wurden aus Hessen durch die Nazis deportiert, nur rund 950 überlebten.

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Der Druck in der internationalen Musikszene sei enorm, sagt Hantel. In Ländern wie Spanien, Italien oder Frankreich könne man "einpacken als Künstler", wenn man sich für Israel positioniere.

Shantel: Jüdische Kultur wichtiger Bestandteil

Tatsächlich sprechen sich immer mehr internationale Künstler öffentlich für einen Boykott Israels aus, etwa Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters, Ambient-Erfinder Brian Eno oder die isländische Sängerin Björk.

Stefan Hantel hat dafür kein Verständnis. Er hat rumänische und griechische Wurzeln. Um den vielstimmigen Sound Europas und die Vielschichtigkeit seiner eigenen multikulturellen Identität gehe es auch in seiner Musik, sagt er. Jüdische Kultur sei dafür ein wichtiger Bestandteil.

Um sich auch öffentlich mit Jüdinnen und Juden zu solidarisieren, unterstützt der Musikproduzent und DJ die Initiative "Artists Against Antisemitism".

Eine Initiative als Gegengewicht

Bereits 2021 riefen der aus Seeheim-Jugenheim (Darmstadt-Dieburg) stammende und inzwischen gestorbene Frontmann der Elektropunkband "Egotronic", Thorsten "Torsun" Burkhardt, und Musiker Björn Peng das Projekt ins Leben, um ein Gegengewicht zu antisemitischen Stimmen zu bilden.

Das Bild zeigt zwei Männer mit leicht angegrauten Haaren und schwarzen Anzügen. Sie halten einen goldenen Rahmen mit einer Urkunde hoch, auf der steht: Preis für Zivilcourage. Im Hintergrund ist eine Eingangshalle mit weiß-grau gekacheltem Boden zu sehen.

Angesichts der damaligen militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina habe ein öffentliches Bekenntnis aus der Kulturszene gefehlt, sagt Peng. Daraufhin hätten sie die ehrenamtliche Initiative gegründet, die sich ausschließlich über Spenden finanziert.

Noch im Gründungsjahr wurden Burkhardt und Peng vom "Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas" und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit einem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet.

Hunderte Künstler haben unterzeichnet

Mehr als 1.000 Künstlerinnen und Künstler aus der deutschen Film-, Musik-, Literatur- und Kunstszene haben sich inzwischen der Kampagne angeschlossen, darunter die Hamburger Rockband Tocotronic, Schauspielerin Nina Kronjäger und Künstlerin Hannah Wolf.

Auch das Gießener Theaterkollektiv kgi, das Frankfurter Schauspiel, das freie Theater Landungsbrücken Frankfurt und der Gründer des Frankfurter Stalburg-Theaters, Michael Herl, sind dabei.

Projekt will Multiplikator sein

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner werden auf der Webseite der Initiative namentlich genannt, auf Instagram außerdem mit einem Foto und einem Zitat gezeigt. "Uns ist es als Initiative gar nicht so wichtig, mit eigenen Statements an die Öffentlichkeit zu treten", erklärt Peng.

Vielmehr verstehe man sich als Multiplikator. Es gehe darum zu zeigen, "dass man nicht alleine dasteht, dass wir Antisemitismus als Problem wahrnehmen und gemeinsam dagegen vorgehen".

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Künstler*innen gegen Antisemitismus

Demonstranten halten ein Schild hoch: "Gegen Antisemitismus"
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Das bedeute aber nicht, dass man sich im aktuellen Nahost-Krieg automatisch gegen die palästinensische Seite positioniere, sagt der künstlerische Leiter der Landungsbrücken Frankfurt, Linus König. "Ich kann über das Schicksal von Palästinensern genauso entsetzt sein, wie ich über Antisemitismus entsetzt sein kann." Menschenrechte würden schließlich für alle Menschen gelten.

"Da ist jeder gefragt"

Für Stefan Hantel ist es mit einer Unterschrift und dem öffentlichen Bekenntnis zu "Artists Against Antisemitism" nicht getan. Der Angriff im vergangenen Oktober gelte Jüdinnen und Juden, richte sich letztlich aber gegen alle, die eine demokratische, freiheitliche Lebensweise wollten.

"Wir haben eine Bedrohungslage", sagt er. "Es gibt antidemokratische Parteien, die mittlerweile bei fast 30 Prozent stehen. Und wir wissen aus der Geschichte, wohin das führt." Die Gesellschaft könne es nicht der Politik überlassen, für die freiheitliche, demokratische Lebensweise zu kämpfen. "Da ist jeder selbst gefragt."

"Erinnerungsabend" in der Paulskirche

Das Schauspiel Frankfurt belässt es nicht beim Unterzeichnen der Kampagne und zeigt auch im Programm Solidarität. Im Januar etwa hat es bereits den Text "Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten" der israelischen Autorin Maya Arad Yasur szenisch umgesetzt und mit anschließender Podiumsdiskussion auf die Bühne gebracht.

Zum Holocaust-Gedenktag am Samstag veranstaltet das Schauspiel zudem mit unter anderem der Oper Frankfurt, der Alten Oper, dem Ensemble Modern sowie dem hr-Sinfonieorchester und der hr-Bigband einen "Erinnerungsabend" mit Musik und Texten in der Paulskirche.

Damit wolle man "ein klares Bekenntnis gegen jegliche Form von Antisemitismus" ablegen, erklärt Schauspiel-Intendant Anselm Weber. Der Veranstaltungsort habe als Geburtsort der Demokratie die entsprechende Strahlkraft.

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Staatstheater Darmstadt ändert Programm

Auch das Staatstheater Darmstadt positioniert sich zum Holocaust-Gedenktag und zeigt an vier Abenden die Kammeroper "Pnima... Ins Innere" der israelischen Komponistin Chaya Czernowin. Die erste Aufführung am Samstag findet vor einem leeren Zuschauerraum statt - "als Bild für die riesenhafte Lücke, die all die Ermordeten hinterließen", wie das Staatstheater mitteilte. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen die Aufführung von der Hinterbühne.

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"Müssen Interesse wecken"

Aufmerksamkeit herstellen und Emotionen wecken - das ist auch Stefan Hantels Vorgehen. "Rassismus und Antisemitismus entstehen aus Unwissenheit", sagt er.

Wer nichts wisse über Einzelschicksale oder Lebenswege, sei empfänglich für Stereotype und rassistische Narrative. Mit seiner Musik wolle er deshalb Interesse wecken, so Hantel - "für das sogenannte Andere, was sich uns im ersten Moment nicht erschließt."

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