Staatstheater Darmstadt Wau, Wau und die Weite des Weltalls
Sie kommt zu spät zur Probe, mag vor allem Leckerlis – und spielt trotzdem die Hauptrolle: Im Staatstheater Darmstadt steht mit Smilla eine echte Hündin im Mittelpunkt. "Leica und Margarita" erzählt von Erinnerung, Raumfahrt und einem Hund, der nie zurückkam und trotzdem weiterlebt.
Von Lampenfieber keine Spur. Smilla lässt sich erst mal ein bisschen kraulen. Das ein oder andere Leckerli wartet auch schon. Ganz anders sieht es bei ihrer Besitzerin aus.
"Ich bin aufgeregt", gesteht Lena Sobczinski kurz vor der Vorstellung im Staatstheater Darmstadt. Smilla sei schließlich kein ausgebildeter Fernseh- oder Filmhund, sagt sie. Im Gegenteil.
Als Sobczinski den Mischling vor einigen Jahren auf einer Straße in Griechenland fand, schien eine Theaterkarriere nicht unbedingt vorbestimmt. Doch nun steht die Hündin im Rampenlicht – als Hauptdarstellerin. Und zwar in einem Stück, das von Erinnerung, Raumfahrt und der Frage erzählt, was es heißt, retten zu wollen – Leica und Margarita.
"Wau, Wau" kläfft Smilla - und irgendwie klingt es wie: Ich bin bereit.
Erinnerung, Raketen, Rettung
Das Stück von Regisseur und Autor Christian Franke bringt einen ungewöhnlichen Kreis von Figuren zusammen: die legendäre Hündin Laika, die 1957 an Bord von Sputnik 2 ins All geschossen wurde – und starb, noch bevor sie eine Erdumrundung vollendete.
Dann: Margarita, die Hexe aus Michail Bulgakows Roman "Der Meister und Margarita", die durch Zeit und Raum reist, um Laika zu retten. Und schließlich zwei Männer auf der Raumfahrtrampe in Baikonur: ein sowjetischer Wissenschaftler und ein Zirkusmann. Sie reden über Raketen, über Träume und über das, was war – und das, was hätte sein können.
Na klar, Smilla übernimmt die Rolle der Laika. Zunächst erscheint sie als Puppe: eine Klappmaul-Konstruktion, geführt von Puppenspielerin Bianka Drozdik. "Die Puppe ist dabei wesentlich herausfordernder für mich als der echte Hund", sagt sie.
Wie sie dem unbelebten Material Ausdruck verleiht, ist erstaunlich. Die Laika-Puppe wackelt mit dem Kopf, wedelt mit dem Schwanz, springt durch Lüfte und bellt stilsicher.
Vorhang auf für die Realität
Die Wahl der Puppe ist eine bewusste Erzählentscheidung. Sie steht für das Tier als Projektionsfläche: trainiert, geopfert, funktionalisiert – bis Smilla, der echte Straßenhund aus Griechenland, gegen Ende des Stücks die Bühne betritt.
"In diesem Moment spaltet sich die Figur – aus einem Puppenhund entsteht eine zweite Laika, die ihre eigene Reise macht durchs Theater", sagt Dramaturgin Friederike Weidner. Der echte Hund bringt etwas auf die Bühne zurück, das sich nicht kontrollieren lässt.
"Der Hund bringt eine ganz eigene Art des Wahrnehmens mit. Er riecht, spürt, nimmt Gesten wahr, die wir selbst kaum bemerken. Und manchmal ist er es, der den Menschen zeigt, wer sie sind – oder wer sie einmal waren", sagt Weidner.
Extra Leckerli zum Schluss
Wenn Smilla auftritt, ist das kein Showmoment. Kein Trick. Kein Effekt. Sie ist einfach da – mit ruhigem Blick, gespannter Aufmerksamkeit und einem Körper, der atmet, sich bewegt, reagiert. Ende der Aufführung - Vorhang auf für die Realität.
"Als wir den Zuschlag für die Rolle bekommen haben, habe ich mich sehr gefreut“, sagt Hundebesitzerin Lena Sobczinski. Natürlich habe sie sich gefragt, ob Smilla das wirklich schaffen würde. "Aber es hat gut geklappt."
Damit sie ihren Auftritt gelassen absolvieren kann, durfte Smilla auch bei den Proben später dazustoßen. Keine langen Wartezeiten, kein unnötiger Trubel. Sie muss nur dann da sein, wenn es zählt. Ein Leckerli gibt’s natürlich trotzdem – und Applaus sowieso.