Postkarten aus dem Gefängnis in Fulda

"Liebe Grüße von hier!" Diese Botschaft erwartet man nicht unbedingt auf einer Postkarte aus dem Gefängnis. In Osthessen wurden genau solche Karten nun in der JVA gestaltet. Um Sarkasmus geht es bei der Aktion aber nicht.

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Postkarten-Aktion von Fuldaer Gefängnis-Seelsorgern

Zwei Männer vor einer Gefängnismauer halten Postkarten hoch
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Es gibt wahrlich hübschere Orte als das Gefängnis in Fulda. Die Justizvollzugsanstalt, kurz JVA, hat zwar die Adresse "Am Rosengarten". Aber rosig sind die Aussichten dort nicht, hohe Mauern und Stacheldraht dominieren den Blick.

Dass diese Ansichten durchaus künstlerisch anmuten können, zeigt nun eine neue Aktion: Die Sträflinge können seit Neuestem besondere Postkarten aus dem Gefängnis verschicken.

Darauf zu sehen ist zum Beispiel die Fassade der JVA, versehen mit verschiedenen Sinnsprüchen. Eine andere Karte zeigt das wie ein Stillleben wirkende Bild einer verschlossenen Zellentür, darauf die Aufschrift: "Liebe Grüße von hier!"

Erst Koch- und Witzebuch, nun Postkarten

Insgesamt gibt es acht Postkarten-Motive mit einer ersten Druckauflage von 2.000 Stück, die kostenlos an JVA-Insassen in Fulda und im benachbarten Hünfeld verteilt werden. Sie können die Karten zum Beispiel an Familie oder Freunde schicken.

Diese einzigartige Idee stammt von zwei Gefängnis-Seelsorgern. Andreas Leipold von der evangelischen Kirche und sein katholischer Amtskollege Meins Coetsier haben schon in der Vergangenheit kreative Aktionen mit den JVA-Insassen umgesetzt. Sie verfassten mit den Häftlingen unter anderem bereits ein Witzebuch mit dem Titel "Humor hinter Gittern" und ein Kochbuch.

Postkarten aus dem Gefängnis in Fulda

Nun also Postkarten aus dem Knast. "In den USA gibt es so etwas häufiger", erklärt Leipold. "In Deutschland haben wir bei Recherchen kein anderes Gefängnis gefunden, das etwas Ähnliches macht."

Und auch Hessens Justizministerium sind keine vergleichbaren Projekte in Hessen und Deutschland bekannt. Das Ministerium befürworte grundsätzlich Aktionen, die sich kreativ mit der Situation der Inhaftierung auseinandersetzen, sagte eine Sprecherin auf Anfrage in Wiesbaden.

Eine pädagogische Botschaft

Auslöser für die Aktion war ein Wortkunstwerk, das im Innenhof der JVA Fulda installiert wurde. "Gegenwärtiger Augenblick" steht in großen Lettern auf einer Betonwand. Das kam bei Seelsorgern und Häftlingen so gut an, dass Leipold und Coetsier davon eine erste Postkarte machten. Später kamen mit Hilfe einer Gestalterin weitere hinzu.

"Der Hinweis auf den gegenwärtigen Augenblick ist auch eine pädagogische Botschaft", erklärt Pfarrer Leipold. "Wir wollen die Gefangenen animieren, sich konstruktiv mit dem Hier und Jetzt auseinanderzusetzen. Sie sollen sich von den Gedanken an die Vergangenheit mit ihren Straftaten nicht erdrücken lassen."

Karten als "kreative Umdeutung"

Die Häftlinge könnten nichts an der Tatsache ändern, im Gefängnis zu sitzen - sehr wohl aber darüber, wie sie damit umgehen, sagt Leipold. Die Postkarten mit Sprüchen wie "In meinem Gefängnis bin ich frei" oder "In meinem persönlichen Gefängnis bin ich der Direktor" sollen dabei nicht zynisch wirken.

"Auch ein Gefängnis ist ein Ort, an dem man gut leben kann. Essen, Kleidung und sinnvolle Betätigungen - alles okay", sagt er. Mit den Karten solle eine kreative Umdeutung vorgenommen werden. "Man kann nicht nur aus Urlaubsorten Postkarten schreiben, sondern auch aus einem Gefängnis."

Aktion gibt Kraft

Der katholische Seelsorger Coetsier sagt: "Letztlich wollen wir damit für Aufmunterung und Freude bei den Häftlingen sorgen. Einige wussten gar nicht, dass sie Karten aus dem Gefängnis verschicken können."

Ein vom hr befragter Häftling hat es schon gemacht und zeigt sich begeistert. "Schön, sich damit an Familien und Freunde nach draußen wenden zu können und ein Lebenszeichen zu schicken", sagt er.

Seine Familie habe dadurch sehen können, wie es im Innenhof der JVA aussieht. Das Motiv spiegele den Ort und die Realität wider. "Mir geben solche kreativen Aktionen Kraft", sagt er. "Es ist eine schöne Ablenkung und bringt mich auf andere Gedanken. Mir hilft es. Und vielen anderen auch."

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