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Ayleen-Prozess wird mit Aussagen von Bewährungshelfern fortgesetzt

Mann in Handschellen vor Gericht, hält sich Aktenordner vors Gesicht

Im Gießener Mordprozess um die getötete 14-jährige Ayleen haben die letzten Zeugen ausgesagt: Frühere Bewährungshelfer beschrieben den angeklagten Jan P. als schwierigen Fall und rückfallgefährdet.

Seit über drei Monaten läuft der Prozess um die Tötung der 14-jährigen Ayleen am Gießener Landgericht. Die Leiche der Schülerin aus Gottenheim (Baden-Württemberg) war vor rund einem Jahr in der hessischen Wetterau gefunden worden. Der Prozess steht nun kurz vor dem Ende, am Montag sagten die letzten Zeugen aus.

Der Schwerpunkt lag an diesem Verhandlungstag erneut auf der Vorgeschichte des 30 Jahre alten Angeklagten Jan P. aus Waldsolms (Lahn-Dill).

Bewährungshelfer als Zeugen

P. war bereits als 14-Jähriger wegen versuchter Vergewaltigung einer damals Elfjährigen verurteilt worden und hatte als Folge seine komplette Jugend in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen verbracht. Erst mit Anfang 20 war er wieder entlassen worden.

Als Zeugen sagten nun zwei Bewährungshelfer aus, die P. nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie betreut hatten. Zudem wurden verschiedene Akten verlesen.

Gericht beschloss Entlassung aus Psychiatrie

P. war demnach per Gerichtsbeschluss aus der Psychiatrie entlassen worden, nachdem eine Gutachterin der Ansicht war, seine ursprüngliche Diagnose bei der Verurteilung - die damals "seelische Abartigkeit" hieß - sei in dieser Form nicht mehr feststellbar.

Weil trotz der langjährigen Therapie aber weiterhin Defizite festgestellt wurden und seine Kriminalprognose als ungünstig galt, wurde er nur unter Auflagen entlassen. Dazu gehörte auch, dass er alle drei Monate ein triebsenkendes Medikament gespritzt bekam und in Behandlung bei der zuständigen Fachambulanz der forensischen Psychiatrie bleiben musste.

P. hielt sich nicht an Absprachen

Aus den Aussagen der Bewährungshelfer geht hervor: P. galt nach der Entlassung als schwieriger und ungewöhnlicher Fall. Einer der Bewährungshelfer sagte aus: Er habe noch nie vorher jemanden betreut, der wegen eines Sexualdelikts in so jungem Alter verurteilt wurde und dann so lange Zeit in der Psychiatrie verbracht habe wie P.

Der Bewährungshelfer beschrieb den Angeklagten als "dummdreist-provokativ" ihm gegenüber, überheblich und schwer zu führen. P. habe sich nicht an Regeln gehalten und sei zu Terminen immer wieder nicht erschienen. In den Akten ist zeitweise von "Kontaktabbruch" die Rede.

Der Bewährungshelfer berichtete: P. habe keine nennenswerten beruflichen oder schulischen Fortschritte gemacht und sei zudem immer wieder mit kleineren Delikten straffällig geworden, weswegen er Bußgelder zahlen oder Sozialstunden leisten musste.

Triebsenkendes Medikament abgesetzt

Salvacyl, das triebunterdrückende Medikament, hatte P. schließlich in Absprache mit der psychiatrischen Klinik wieder absetzen dürfen, berichtete der Bewährungshelfer. Der Grund: Als eine Nebenwirkung habe es bei P. Hinweise auf eine beginnende Osteoporose gegeben.

Die Akten aus dieser Zeit legen außerdem nahe, dass P. das Medikament nicht mehr nehmen wollte, weil er eine sexuelle Beziehung zu seiner damaligen Freundin aufnehmen wollte. Zudem habe er die Zuzahlung zu den Medikamenten nicht mehr leisten wollen. Warum P. sich nicht von den Kosten für das Mittel befreien ließ, konnte vor Gericht nicht geklärt werden.

In den folgenden Jahren kam es schließlich zwei Mal zu Vorwürfen wegen sexueller Belästigung und Nötigung gegen P. Wegen eines Sexualdelikts wurde er jedoch nicht mehr verurteilt.

Die Akten zeigen, dass die Bewährungshelfer immer wieder auf seine Rückfallgefährdung hingewiesen hatten und sich mehrfach dafür ausgesprochen hatten, die Führungsaufsicht beizubehalten. Allerdings ohne Erfolg: Anfang 2022 erreichte P. per Gerichtsbeschluss, dass die Aufsicht aufgehoben wurde - wenige Monate vor der Tötung Ayleens.

Schwester: P. soll versucht haben, sich an ihr zu vergreifen

Außerdem war noch eine Schwester von P. als Zeugin geladen. Bereits im Laufe des Prozesses waren die prekären und zerrütteten Familienverhältnisse thematisiert worden, in denen P. als eines von zehn Kindern aufgewachsen war und in denen auch Missbrauch eine Rolle gespielt haben soll.

Die jüngste Schwester des Angeklagten sagte nun vor Gericht aus: P. habe nach Aussage von Familienangehörigen schon in der Kindheit versucht, sich an ihr zu vergreifen. Sie selbst erinnere sich daran aber nicht mehr, weil sie im Kleinkindalter gewesen sei. Als junge Erwachsene - also nach der Entlassung P.s aus der Psychiatrie - habe es aber noch einen weiteren versuchten Übergriff gegeben, den sie habe abwehren können.

Insgesamt habe sie jedoch wenige Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit, weil sie schon im Kleinkindalter vom Jugendamt aus der Familie genommen worden sei.

Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Dann wird das Gutachten eines Psychiaters erwartet, der den Prozess beobachtet hat. Kommende Woche werden schließlich die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und möglicherweise auch das Urteil erwartet.