Die Truppe der freiwilligen Feuerwehr Rabenau-Mitte steht Schulter an Schulter und lächelt in die Kamera.

Vor fünf Jahren ist Ahmad Kormo aus Syrien geflohen. Heute löschen er und sein Sohn Brände bei der Freiwilligen Feuerwehr in Rabenau. Nur an die Sirenen mussten sie sich erst gewöhnen.

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Integration pur: Ehrenamt Freiwillige Feuerwehr

Die Truppe der Freiwillige Feuerwehr Rabenau-Mitte macht eine Brandübung.
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Eine schrille Sirene ist zu hören, die Löschfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Rabenau-Mitte im Kreis Gießen kommen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Sie sperren die Straße und rollen den langen gelben Schlauch aus. Feuerwehrmann Ahmad Kormo und seine Truppe machen heute eine Brandübung, Kormos zwölfjähriger Sohn Siwar simuliert eine vermisste Person. Über Funk verständigen sich die Einsatzkräfte.

Ahmad Kormo: "Sirene wie im Krieg"

Wenn Ahmad Kormo heute eine Sirene hört, macht sich eine positive Anspannung in ihm breit. Dann läuft alles automatisch. Das war aber nicht immer so: Vor fünf Jahren ist der 41-Jährige mit seiner Familie vor dem Krieg aus Syrien geflohen. "Als ich das erste Mal die Sirene gehört habe, da habe ich daran gedacht, wie der Krieg angefangen hat. Ich wusste nicht, dass die Feuerwehr hier auch so eine Sirene hat", erinnert er sich.

Feuerwehr ist Tischgespräch im Hause Kormo

Bei der Freiwilligen Feuerwehr Rabenau-Mitte, die für die Ortsteile Londorf und Kesselbach zuständig ist, sind 40 Männer und Frauen aktiv. Darunter auch das Vater-Sohn-Duo Kormo. 2019 wird zunächst Kormos Sohn Siwar Mitglied bei der Minifeuerwehr. Ein Jahr später tritt auch sein Vater ein.

"Ich finde das sehr cool, dass mein Vater auch bei der Feuerwehr ist", sagt der heute Zwölfjährige. "Da wissen wir beide, was bei der Feuerwehr so abgeht. Mein Vater erzählt dann abends beim Essen, was er bei der Übung gemacht hat - und ich auch."

Ahmad und Siwar Kormo stehen vor dem roten Einsatzfahrzeug und schauen in die Kamera.

Leben zu retten und das Miteinander unter den Kameraden und Kameradinnen, das ist es, was Kormo nach eigener Aussage antreibt. "Wenn jemand ein Problem hat, dann helfen wir uns hier gegenseitig." Vor allem am Anfang, als er noch mehr Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache gehabt habe, hätten ihm die anderen geholfen. "Da kam es auch zu witzigen Missverständnissen bei den vielen Fachbegriffen", erinnert sich Einsatzleiter Matthias Krausch.

"Feuerwehr ist bunt"

Solche sprachlichen Barrieren abzubauen, das ist die Aufgabe von Daniel Muth. Er ist nicht nur Feuerwehrmann, sondern auch interkultureller Berater bei der Freiwilligen Feuerwehr. Er steht den Kormos bei Fragen und Problemen mit Rat und Tat zur Seite. Außerdem informiert er andere Interessierte über das Ehrenamt und kümmert sich um die kulturübergreifende Mitgliedergewinnung.

"Egal ob mit Migrationshintergrund, männlich, weiblich, Feuerwehr ist bunt, wir können jeden gebrauchen". Im September wurde die Freiwillige Feuerwehr Rabenau-Mitte für ihre Integrationsarbeit mit dem Integrationspreis "Brandschutz" ausgezeichnet. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. "Da waren wir sehr stolz", sagt Muth.

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Integrationskampagne "Brandschutz"

Die Hessische Landesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, den Brand- und Katastrophenschutz in Hessen in der Nachwuchsgewinnung zu stärken. 2016 hat das Land gemeinsam mit dem Landesfeuerwehrverband Hessen die Integrationskampagne "Brandschutz" ins Leben gerufen. Die Ausbildung zu interkulturellen Beraterinnen und Berater sowie der Integrationspreis "Brandschutz" für erfolgreiche Projekte zur Sensibilisierung und Gewinnung von Menschen mit Migrationsgeschichte sind zwei zentrale Bausteine der Kampagne.

Die "Interkulturellen Beraterinnen und Berater Feuerwehr" sollen in beide Richtungen informieren und vermitteln. Sie sind zentrale Ansprechperson für Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie werden in zwei aufeinander aufbauenden Lehrgängen an der Hessischen Landesfeuerwehrschule ausgebildet. Seit 2016 haben bisher mehr als 260 hessische Feuerwehrangehörige die Fortbildung "interkulturelle Kompetenz" absolviert, rund 100 hiervon haben die Ausbildung zum interkulturellen Berater oder Beraterin abgeschlossen.

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Nach Angaben des Ministeriums des Innern und für Sport gibt es in Hessen rund 70.000 ehrenamtliche Einsatzkräfte bei der Freiwilligen Feuerwehr. Sie verteilen sich auf rund 2.430 Feuerwehren. Die rund 2.150 Jugendfeuerwehren in ganz Hessen haben etwa 26.500 Mitglieder. Damit nimmt Hessen im Vergleich zur Einwohnerzahl einen bundesweiten Spitzenplatz ein. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitglieder in den hessischen Kinderfeuerwehren, deren Mitgliederzahl nach einem Tief im ersten Pandemiejahr 2020 in den vergangenen Jahren wieder stark zugenommen hat. Die Freiwillige Feuerwehr bemüht sich weiterhin um mehr Nachwuchs.

"Ahmad ist für die Feuerwehr da, er lebt das"

Sohn Siwar Kormo konnte mittlerweile aus dem qualmenden Gebäude geborgen werden. Er liegt auf dem Boden, ein Feuerwehrmann ist über ihn gebeugt, während die anderen weiterhin versuchen, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Vater Ahmad ist froh darüber, dass es nur eine Übung ist. Wenn er zum Einsatz gerufen werde, seien das immer gemischte Gefühle. Einerseits freue er sich, andererseits hoffe er, dass es nicht Schlimmes ist.

Siwar hockt neben dem Löschschlauch vor dem roten Einsatzfahrzeug.

"Achtung, zum Abbau fertig!", ruft der Einsatzleiter. Die Männer rollen den langen gelben Schlauch zurück ins Einsatzfahrtzeug. Auch Siwar hilft tatkräftig mit. Kurze Zeit später sitzen die Kameraden Schulter an Schulter auf einer Bierbank vor der Wache, auf dem Grill brutzeln Bratwürste, die Stimmung ist ausgelassen. Für seine Truppe ist Ahmad Kormo nicht mehr wegzudenken. "Er bringt sich ein, er ist für die Feuerwehr da, er lebt das", sagt Kollege Manuel Haus. Auch Einsatzleiter Krausch kennt Ahmad von Anfang an. "Der ist hier bei uns angekommen und wir sind froh, dass wir ihn haben".

Auch Siwar fühlt sich sichtlich wohl, beißt erschöpft in sein Wurstbrötchen. "Ich find's hier cool. Ich habe viele Freunde hier bei der Jugendfeuerwehr und es macht Spaß", sagt er stolz. Feuerwehrmann möchte Siwar später aber nicht werden, sondern lieber "Fußballer oder Autoverkäufer".

Siwar übt mit einem Kollegen das Aufdrehen des Löschschlauchs.
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