Frau von hinten zu sehen im Gerichtssaal, wird gerade fotografiert.

In Frankfurt hat der Mordprozess gegen eine mutmaßliche Sektenchefin aus Hanau begonnen. Sie soll in den 90er Jahren einen Vierjährigen in einem Sack erstickt haben.

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Mutmaßliche Sektenführerin soll Vierjährigen getötet haben

hessenschau vom 04.05.2023
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Knapp 35 Jahre nach dem Tod eines kleinen Jungen muss sich eine mutmaßliche Sektenführerin seit Donnerstagmorgen zum zweiten Mal wegen Mordes vor Gericht verantworten. 

Die 75-Jährige wurde bereits im September 2020 vom Landgericht Hanau zu lebenslanger Haft verurteilt - doch der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil im Zuge der Revision. Zuständig ist jetzt das Landgericht Frankfurt.

"Alles ist offen"

"Alles ist offen", erklärte der Vorsitzende Richter zum Prozessauftakt. "Wir haben eine komplett neue Beweisaufnahme durchzuführen." Die grauhaarige Angeklagte, die eine übergroße Jacke und eine Corona-Maske unter ihrer Nase trug, schien dem Richter aufmerksam zuzuhören, die formellen Fragen zu ihrer Person beantwortete die ehemalige Krankenschwester mit dünner Stimme.

Laut Anklage soll die heute 75-Jährige den Jungen in den Mittagsstunden des 17. August 1988 "aus niedrigen Beweggründen und grausam" getötet haben.

Kind laut Anklage in Sack eingeschnürt und seinem Schicksal überlassen

Der Vierjährige befand sich demnach in ihrer alleinigen Obhut. Die Anklage geht davon aus, dass die Frau das Kind in einen Leinensack einschnürte, es in ein Badezimmer brachte und dann seinem Schicksal überließ. Die mutmaßliche Sektenführerin soll in dem Jungen eine "Reinkarnation Hitlers" und ihn als "von den Dunklen besessen" angesehen haben.

Der Anklage zufolge hatte die Frau trotz einer Außentemperatur von 32 Grad die Luftzufuhr verringert und das Fenster geschlossen. Auf Schreie des Jungen soll sie erwidert haben, er könne das "Schaugebrüll" sein lassen, alle seien fort. Sie gehe nun raus in den Garten, "es hört dich keiner". Das Kind soll an seinem Erbrochenen erstickt sein.

Jahrzehntelang waren Polizei und Staatsanwaltschaft von einem Unfall ausgegangen, bis Sektenaussteiger 2015 ein neues Licht auf den Fall warfen und es schließlich zum ersten Prozess vor dem Landgericht Hanau kam.

Bundesgerichtshof: Schuldfähigkeit nicht ausreichend geprüft

Der Bundesgerichtshof kritisierte jedoch die damalige Verurteilung: So sei die Schuldfähigkeit der Angeklagten nicht ausreichend geprüft worden. Darüber hinaus fehlten Angaben zu einem Tatvorsatz, wie es hieß. Man wisse nicht, was in ihr zum Tatzeitpunkt tatsächlich vorgegangen sei.

Auch am Donnerstag im Gerichtssaal blieb völlig unersichtlich, was die Frau bei der Verlesung des Anklagesatzes dachte.

Erschwerender Faktor: die vielen vergangenen Jahre

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Prozess gegen mutmaßliche Sektenführerin

Frau von hinten zu sehen im Gerichtssaal, wird gerade fotografiert.
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Für die Prozessbeteiligten wird das Verfahren keine einfache Aufgabe. "Das Besondere ist natürlich, dass alles so lange her ist", sagte die Frankfurter Staatsanwältin Miriam Haßbecker. Es seien "viele Jahre, die zurückliegen und die eine Beweisführung schwierig machen - weil Zeugen nicht mehr aussagen können, nicht mehr aussagen wollen oder einfach nicht mehr aufzutreiben sind". Die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, dass weiter ein dringender Tatverdacht besteht.

Die Verteidigung kündigte derweil ein Statement für den nächsten Prozesstag in der kommenden Woche an. Vielleicht wird sich die 75-Jährige dann auch selbst äußern.

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