Überteuerte Gutachten Zweiter Frankfurter Staatsanwalt auf der Anklagebank
Zwei Jahre nach dem Urteil gegen Alexander B. muss sich ein früherer Kollege vor dem Landgericht Frankfurt verantworten. Auch er soll überteuerte Gutachten in Auftrag gegeben haben, was er bestreitet. B. wehrt sich derweil gegen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.
Staatsanwälte, die selbst auf der Anklagebank sitzen, sind in Deutschland ein seltener Anblick. Der wohl bekannteste Fall in Hessen ist der von Alexander B. Der ehemalige Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wurde vor zwei Jahren vom Landgericht Frankfurt wegen Bestechlichkeit und Untreue zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Kürzlich scheiterte er mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof. Damit ist er rechtskräftig verurteilt und verliert seinen Beamtenstatus.
Zusammen mit einem Schulfreund hatte B. Firmen gegründet, bei denen er jahrelang Gutachten in Auftrag gab, um Abrechnungsbetrug bei Ärzten und Apothekern aufzudecken. Für die Gutachten kassierte er mehrere hunderttausend Euro Schmiergeld. Seine inzwischen verstorbene ehemalige Lebensgefährtin, die selbst bei einer der Firmen gearbeitet hatte, brachte ihn zu Fall.
Vom Dienst suspendiert
Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Urteil gegen Alexander B. hat an diesem Montag der Prozess gegen seinen ehemaligen Kollegen bei der Generalstaatsanwaltschaft begonnen. Auch der 38-Jährige vergab im großen Stil Gutachten an die von B. gegründeten Firmen.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb vor, B. bei seinen Betrügereien unterstützt zu haben. Der Vorwurf der Beihilfe zur Untreue wird aus Sicht der Staatsanwaltschaft dadurch untermauert, dass er Teile der Anklageschriften gegen Ärzte von den Firmen schreiben ließ.
Bei der Aufklärung des Korruptionsfalls B. stießen die Ermittler auf dessen mutmaßlichen Helfer. Er wurde Ende 2021 vom Dienst suspendiert. Im Gegensatz zu B. soll er sich nicht an den Gutachterkosten bereichert haben.
Angeklagter streitet Vorwürfe ab
Der 38-Jährige bestritt den Vorwurf der Beihilfe zur Untreue am ersten Prozesstag. Er habe nie einen Zweifel daran gehabt, dass sein Vorgehen nicht korrekt sein könne, sagte er im Frankfurter Landgericht.
Bereits nach wenigen Wochen soll er der Anklage zufolge zum ersten Mal in Absprache mit seinem Chef einen Gutachtenauftrag fortgeschrieben haben - dies stritt er jedoch ab. Anders als in der Anklage dargelegt, habe er auch nicht Rechnungen der Sachverständigen geprüft, sagte er weiterhin.
Der Ex-Oberstaatsanwalt als Leiter sei damals nicht nur für ihn "über jeden Zweifel erhaben" gewesen, die Abläufe in der Ermittlungsstelle seien von niemandem hinterfragt worden. Nach der bisherigen Planung soll der Prozess bis Ende Juli dauern.
Es begann mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde
Der Suspendierung des Staatsanwalts ging eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Mainzer Medizinstrafrechtlers Alexander Dorn voraus. Er vertrat einen Arzt aus Südhessen, gegen den der nun angeklagte Staatsanwalt ermittelte. Dem Arzt wurde Abrechnungsbetrug in Höhe von rund 70.000 Euro vorgeworfen.
Die Kosten für die Gutachten, die die Staatsanwaltschaft für die Ermittlungen in Auftrag gegeben hatte, beliefen sich allerdings auf weit über 500.000 Euro. "Er hat versucht, uns mit den Verfahrenskosten unter Druck zu setzen. Nach dem Motto: Wenn wir uns nicht so einigen, wie er es vorgeschlagen hat, produzieren wir noch höhere Verfahrenskosten und dann ist mein Mandant wirtschaftlich platt", erzählt Dorn.
Damit wandte er aus Dorns Sicht die gleichen Methoden an wie B. Wegen der überzogenen Verfahrenskosten hatte sich Dorn über den Staatsanwalt beschwert. "Niemand hat ihn gezwungen, bei diesen Machenschaften von B. mitzumachen. Er hätte sich auch gegen ihn stellen können", sagt Dorn.
B. klagt gegen Regress in Millionenhöhe
Das Land Hessen hat inzwischen damit begonnen, Geld von B. zurückzufordern. Insgesamt geht es um 12,3 Millionen Euro an Steuergeld, die für Gutachten an die von ihm und seinem Freund gegründeten Firmen flossen.
Gegen erste Erlasse des Landes klagt B. nach Auskunft des Justizministeriums in sechs Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Sein Anwalt will sich dazu nicht äußern. Bisher ist keines der Verfahren abgeschlossen, so dass B. noch nicht zahlen musste. Ein erster Erörterungstermin soll im Mai am Verwaltungsgericht stattfinden.
Verfahren gegen dritten Staatsanwalt eingestellt
In dem Komplex wurde noch gegen einen dritten früheren Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft ermittelt. Gegen ihn beantragte die Staatsanwaltschaft Darmstadt den Erlass eines Strafbefehls wegen Beihilfe zur Untreue. Das Amtsgericht Frankfurt lehnte das Ende 2024 ab, wie die Behörde auf hr-Anfrage mitteilte.
Das Amtsgericht habe seine Entscheidung damit begründet, dass dem Mann nicht nachgewiesen werden konnte, von den Straftaten gewusst zu haben. Der zuvor suspendierte Staatsanwalt sei wieder in der hessischen Justiz tätig, allerdings nicht bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt, wie diese dem hr mitteilte.