Ordner mit der Aufschrift "#SayTheirNames - Hanau Untersuchungs-Ausschuss".

Die politische Aufarbeitung des Anschlags von Hanau im Landtag endet nicht mit dem befürchteten großen Streit. Einige Differenzen bleiben, aber allein die Linke spricht von einem "Persilschein" für die Polizei.

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Mehr Einigkeit über Hanau-Abschlussbericht als befürchtet

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Am 19. Februar 2024 wird es vier Jahre her sein, dass ein psychisch kranker Rassist in Hanau neun Menschen aus Zuwandererfamilien erschoss, seine bettlägerige Mutter und sich selbst. Wegen kritischer Fragen an Landesregierung und Sicherheitsbehörden konstituierte sich vor zweieinhalb Jahren ein Untersuchungsausschuss im Landtag. Das Gremium hat seine Arbeit nun abgeschlossen.

Die letzte Sitzung am Freitag dauerte lediglich eine Stunde und fand hinter verschlossenen Türen statt. "Der überwiegende Teil des Berichts hat eine breite Zustimmung gefunden", sagte der Ausschussvorsitzende Stephan Grüger (SPD) anschließend.

Das bedeutet: Der heftige Streit der vergangenen Monate setzt sich nicht bis zum Ende fort. Der noch nicht veröffentlichte endgültige Bericht wurde aber auch nicht als Ganzes zur Abstimmung gestellt, sondern in Abschnitten. Es gibt unterschiedliche Bewertungen bei einzelnen Fragen. Alle vier Oppositionsparteien geben daher sogenannte Sondervoten ab.

CDU und Grüne halten noch zusammen

Über eine Einigung wurde bis zum Schluss verhandelt. Einige Passagen blieben strittig. Einzig die Regierungsparteien CDU und Grüne, deren Koalition infolge der jüngsten Hessen-Wahl wohl zu Ende geht, stimmten dem kompletten Bericht zu.

SPD, FDP und AfD sind bei unterschiedlicher Gewichtung zum größten Teil einverstanden. Die Linke kommt weitgehend zu anderen Bewertungen und Schlussfolgerungen.

Fazit des Berichts ist, dass die Sicherheitsbehörden die Tat nicht hätten verhindern können. Er enthält gleichwohl eine Bitte um Entschuldigung bei Opfern und Angehörigen dafür, dass der Staat ihnen keinen Schutz habe bieten können.

Notruf und Notausgang

Als Fehler werden unter anderem benannt, dass der Täter zu leicht eine Waffenbesitzkarte erhalten konnte, dass der Notausgang der Arena-Bar am zweiten Tatort offenkundig verschlossen war und dass der Umgang mit betroffenen Familien nach dem Anschlag nicht angemessen war.

Auch Handlungsempfehlungen werden gegeben. Dazu zählt unter anderem, die Polizei solle im Umgang mit Opfern sensibilisiert werden. Die Waffenbehörden sollen konsequenter auf die Umsetzung der Gesetze achten.

Debatte am Ende der Legislaturperiode

Der Landtag wird über den Bericht wohl am 5. Dezember in seiner voraussichtlich letzten Sitzung dieser Legislaturperiode abschließend öffentlich debattieren, aber ohne darüber noch einmal abzustimmen. Schwarz-Grün hatte im Sommer mit ihrer Mehrheit beschlossen, dass die Debatte nicht bereits vor der Landtagswahl am 8. Oktober stattfinden sollte.

Am 18. Januar 2024 konstituiert sich ein neuer Landtag. Auf der Regierungsbank wird ein Wechsel von Schwarz-Grün zu Schwarz-Rot erwartet.

Landtag entschuldigt sich, Minister nicht

Der Grünen-Fraktion war es nach eigenen Worten wichtig, eine Entschuldigung gegenüber den Angehörigen im Bericht des Hanau-Ausschusses festzuhalten. Sie hatten sich zuvor enttäuscht darüber gezeigt, dass Innenminister Peter Beuth (CDU) eine solche Entschuldigung nicht abgegeben hat.

Grünen-Obfrau Vanessa Gronemann sagte, an vielen Stellen bestehe Grund zur Annahme, "dass ein anderes Handeln der zuständigen Behörden das Durchführen der Tat erschwert oder den Ablauf der Tat verändert hätte". Sie nannte vor allem den verschlossenen Notausgang und den überlasteten Polizeinotruf.

Die Aufarbeitung sei gelungen, lautete die positive Bilanz von FDP-Obmann Jörg-Uwe Hahn über die Ausschussarbeit. In ihrem Sondervotum kritisieren die Liberalen allerdings unter anderem, dass für die Versäumnisse keine Verantwortlichen benannt worden seien. Dabei gilt laut Hahn: "Ein Notruf muss immer funktionieren."

AfD sieht "unredliches Manöver"

Die AfD-Fraktion bescheinigte sich selbst, sie habe "einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Ausschussarbeit geleistet". Auf ihre Nachfragen hin seien Verantwortlichkeiten benannt worden, sagte ihr Obmann Dirk Gaw am Freitag.

Allerdings empörte sich die AfD darüber, dass ihr in einem Satz des Vorworts "indirekt das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgesprochen" werde. Gaw nannte das "ein überflüssiges und unredliches parteipolitisches Manöver".

Linke kritisiert "Organisationsversagen"

Sehr entschieden trat am Freitag einzig die Linkspartei dem politisch bedeutsamen Teil des Berichts entgegen, in dem es um Bewertungen und Konsequenzen aus dem Anschlag geht. Fraktionschef Jan Schalauske sprach von einem "Persilschein für die schwarz-grüne Innenpolitik".

Für die Öffentlichkeit, die Überlebenden und Angehörigen der Opfer sei der Bericht damit ein Affront. Es habe "eine ganze Kette von polizeilichem Organisationsversagen bei dem Einsatz in der Tatnacht und im Nachgang" gegeben.

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