Vor knapp zwei Jahren ging die Greensill Bank pleite. Davon sind neben Privatanlegern etliche hessische Kommunen betroffen. Ihnen drohen Millionenverluste. Die Aufarbeitung des Debakels ist allerdings kompliziert.  

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Greensill-Pleite wirkt bei hessischen Kommunen nach

Das Firmenschild der "Greensill Bank" in Bremen.
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Die Insolvenz der Greensill Bank sorgt in Hessen auch zwei Jahre danach für Diskussionen. Sechs hessische Kommunen haben in die Privatbank mit Sitz in Bremen investiert, nämlich Eschborn, Schwalbach (beide Main-Taunus), Hanau, Wiesbaden, Gießen und Schauenburg (Kassel). Insgesamt hatten sie bei Greensill rund 87 Millionen Euro angelegt. Auch wenn sich das Insolvenzverfahren nach Angaben des Verwalters noch mindestens zehn Jahre hinziehen dürfte, gilt es als wahrscheinlich, dass ein Großteil dieses Geldes verloren ist.

Besonders großen Zoff gibt es deshalb in Schwalbach am Taunus. Eine Online-Petition fordert die Abwahl des Bürgermeisters Alexander Immisch (SPD). Knapp 1.000 Menschen haben sich ihr bisher angeschlossen. Initiator Matthias Schlosser will sie den Stadtverordneten bei ihrer Versammlung am Donnerstagabend übergeben.

"Ich fürchte um die politische Hygiene in dieser Stadt, wenn die Sache nicht ordentlich aufgeklärt wird und keine Konsequenzen für die Beteiligten hat", sagt Schlosser. Die Stadtverwaltung teilt mit, dass die Stadtverordneten nicht gleich eine Entscheidung treffen würden. Erst müsse geprüft werden, wie viele Unterzeichner der Petition aus Schwalbach seien. 

Ermittlung gegen Bürgermeister

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Immisch. Es bestehe der Verdacht der Untreue, teilt eine Sprecherin mit. Der Bürgermeister habe bei der Privatbank Greensill Geld anlegen lassen, obwohl er das gar nicht gedurft habe. Speziell Schwalbach habe sich selbst verpflichtet, wonach solche Investitionen nicht bei Privatbanken, sondern nur bei der Bundesbank, bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken möglich seien. Dafür gebe es einen Beschluss.

Der Bürgermeister beteuert, er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Der Beschluss sei ihm schlicht nicht bekannt gewesen. Laut Staatsanwaltschaft sind die Ermittlungen weitgehend abgeschlossen, eine Entscheidung aber noch nicht getroffen.  

Bislang kaum personelle Folgen

Weil die Greensill-Insolvenz auch die Stadt Gießen teuer zu stehen kommen könnte, gab es eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die frühere Gießener Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD). Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt. So ziehen die Millionenverluste infolge missglückter Geldanlagen für die Verantwortlichen bislang kaum personelle Folgen nach sich. 

Derzeit befassen sich mehrere kommunale Ausschüsse mit den Vorgaben der Städte und Gemeinden für Geldanlagen - und damit, wie sie im Falle der Greensill Bank umgesetzt wurden. In Eschborn beispielsweise sitzt der FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Ackermann in so einem Ausschuss.

Eschborns Bürgermeister veranlasst Überarbeitung

Ackermann kritisiert, die Stadt habe sich an ihre eigenen Richtlinien nicht gehalten, denn sie hätte pro Finanzinstitut maximal 15 Millionen Euro investieren dürfen. "Tatsächlich waren es bei Greensill 35 Millionen Euro, also mehr als doppelt so viel", berichtet er. 

Die Stadt Eschborn betont, das Limit von 15 Millionen Euro gelte nur für langlaufende Geldanlagen, bei denen das Geld mindestens ein Jahr investiert sei. Nehme man die kurzfristigen Geldanlagen dazu, habe die Stadt durchaus mehr Geld in die Greensill Bank investieren dürfen. Das bestätigten auch Rechtsgutachten, die kommunale Aufsicht sei bei einer Überprüfung zum selben Schluss gekommen. Um in der Sache endgültig Klarheit zu schaffen, hat der Eschborner Bürgermeister Adnan Shaikh eine Überarbeitung der Richtlinie veranlasst. Noch in diesem Jahr will man den Prozess zu einem Abschluss bringen.

Wiesbaden will Richtlinien nachschärfen

Dazu kommt, dass die Richtlinien mitunter zu unkonkret sind, etwa in Wiesbaden. Dort war es erst einmal kein Problem, dass die kleine Greensill Bank von den großen Ratingagenturen gar nicht bewertet worden war, nur von der weniger bekannten Agentur Scope.

In diesem Punkt hätte man genauere Vorgaben machen müssen, und das werde man nachholen, sagt Felix Kisseler von den Grünen, der den Greensill-Ausschuss in Wiesbaden leitete. Gleichzeitig zeigt er Verständnis dafür, dass man angesichts der damals weit verbreiteten Strafzinsen nach lukrativen Geldanlagen gesucht habe.

Finanzexperte rät zur Positivliste

Auch Bankenexperte Thomas Heidorn von der Frankfurter School of Finance rät dazu, dass die Kommunen sich als Lehre aus der Greensill-Pleite überlegen sollten, wie viel Geld sie in ein einzelnes Finanzinstitut investieren und welche Ratings sie akzeptieren wollen. "Sie könnten sogar eine Liste zusammenstellen, mit welchen Geldhäusern sie zusammenarbeiten wollen, und nur mit ihnen Geschäfte machen", schlägt er vor. 

Darüber hinaus fordert Finanzprofessor Heidorn, die Kommunen personell und technisch besser auszustatten. Er sei aber überzeugt, dass sich die Verluste im Zuge der Greensill-Insolvenz auch mit einer besseren Ausstattung und strengeren Regeln nicht gänzlich vermeiden hätten lassen. Selbst versierte Banker hätten sich mit der Privatbank verkalkuliert. Der Bund der Steuerzahler Hessen vertritt dagegen den Standpunkt, dass Sicherheit vor Rendite gehen müsse, wenn das Geld der Steuerzahler verwaltet werde. 

Land und Städtetag sitzen an neuer Mustervorlage

Das Innenministerium selbst verweist auf die eigenen Hinweise zu kommunalen Geldanlagen. Diese seien nach wie vor aktuell - vor allem der Hinweis, dass Einlagen von Kommunen seit 2017 nicht mehr vom freiwilligen Einlagensicherungsfonds der Privatbanken geschützt seien. Zwar seien solche Investitionen nicht als spekulativ zu bezeichnen, aber die Kommunen müssten sich in solchen Fällen besonders sorgfältig informieren. 

In Absprache mit dem Innenministerium will der hessische Städtetag aber eine neue Mustervorlage für seine Mitglieder erarbeiten. Sie soll den Kommunen eine Orientierung bieten, um bestehende Vorgaben zu Geldanlagen noch einmal zu überarbeiten. Damit wollen das Land und der Städtetag dazu beitragen, dass sich ein Fall wie Greensill und seine Folgen nicht wiederholen.

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