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Hessens Antisemitismusbeauftragter gescheitert: Buch von AfD-Politiker Höcke nicht auf Index

Portraits Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (l.) und AfD-Politiker Björn Höcke (r.)

Hessens Antisemitismusbeauftragter Becker wollte ein Buch des Rechtsextremisten Höcke auf der Liste jugendgefährdender Schriften sehen. Die Prüfstelle hat das nun abgelehnt - weil ein Grundrecht des AfD-Politikers und seiner Partei schwerer wiege.

Für Uwe Becker, CDU-Politiker aus Frankfurt und Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen, war die Sache klar: Mit dem Gesprächsband "Nie zweimal in denselben Fluss" hat der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke "eine Ansammlung rechtsextremer Gedanken" in die Welt gesetzt und könnte gerade junge Menschen auf "neofaschistische Irrwege" führen.

Mit seiner Initiative, das Buch auf den Index der jugendgefährdenden Medien setzen zu lassen, ist Becker nun aber gescheitert.

Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) in Bonn hat am Freitag mitgeteilt: Nach einer Entscheidung der bei ihr angesiedelten Prüfstelle für jugendgefährdende Medien kommt das bereits vor vier Jahren erschienene Buch Höckes nicht auf die Liste.

Eines von zwei Kriterien

Das Buch erfüllt demnach zwar eine grundsätzliche Voraussetzung, um auf den Index zu kommen: Es wirkt laut Prüfstelle hinsichtlich von Werten wie Menschenwürde, Toleranz oder dem Demokratieprinzip auf eine "sozialethische Desorientierung" junger Menschen hin. Maßgeblich ist laut Jugendschutzgesetz für die Indizierung, ob Medien die Entwicklung oder Erziehung von Kindern oder Jugendlichen "zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" gefährden.

"Im konkreten Einzelfall" hätten aber die Grundrechte Höckes überwogen - gerade diejenigen, die er als Politiker genießt.

Das Recht auf Meinungsfreiheit, insbesondere auf die Meinungsbildungsfreiheit, gab demnach den Ausschlag. Und zwar auch "unter Würdigung der Rolle von Parteien für die politische Willensbildung des Volkes". Die BzKj verweist dabei ausdrücklich auf Absatz 1 von Artikel 21 im Grundgesetz, der gegen eine Indizierung sprach. Darin heißt es: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit."

Eine solche Abwägung zwischen Jugendschutz und Grundrechten wie Meinungs- und Kunstfreiheit ist laut der Bundeszentrale stets der zweite Schritt des Prüfverfahrens. Weiter heißt es: "Ein Medium darf z.B. nicht allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts in die Liste aufgenommen werden." So steht es auch im Jugendschutzgesetz.

Gremium entschied

Das Verfahren lief ähnlich wie vor Gericht: Ein zwölfköpfiges Gremium entschied nach einer Verhandlung, bei der auch Becker angehört wurde. Der Frankfurter CDU-Politiker ist seit 2019 hessischer Antisemitismusbeaufragter.

Darauf, dass das Buch wegen Rassismus, Verschwörungstheorien und auch Judenfeindlichkeit nicht in die Hände junger Menschen kommen dürfe, war er nach eigenen Angaben bei der Erstlektüre im Jahr 2020 gestoßen. Danach wurde er bei der Prüfstelle in Bonn aktiv.

"Abgründe ethnischer Säuberung"

Der von Höcke geführte thüringische AfD-Landesverband wird vom dortigen Verfassungsschutz schon länger beobachtet und als "erwiesen extremistisch" bewertet.

Der AfD-Politiker, der den immer einflussreicher gewordenen völkischen Parteiflügel anführt, predigt in dem Buch Männlichkeit und Härte. Letztere sei nötig, "wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen".

In den USA sind laut Höcke Weiße und Schwarze bedauerlicherweise in einer Masse aufgegangen. "Diesen Abstieg sollten wir Europäer vermeiden und die Völker bewahren." Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach im Zusammenhang mit dem Buch von einem "Spiel mit Grausamkeit" und "Abgründen der ethnischen Säuberung".

Unfreiwillige Werbung?

Hessens Antisemitismusbeauftragter hatte kurz vor der Anhörung durch die Prüfstelle den Einwand zurückgewiesen, seine Initiative errege womöglich unfreiwillig Aufmerksamkeit für das Höcke-Buch und fördere so nur den Verkauf. Wichtiger sei "eine Einordnung des Buches für diejenigen, die es in Betracht ziehen", sagte Becker dem hr.

Wäre die Prüfstelle Beckers Ansicht gefolgt, wären Verkauf, Verbreitung und Bewerbung von Höckes Buch nach dem Jugendschutzgesetz spürbar eingeschränkt worden. Von der Prüfstelle indizierte Medien dürfen jungen Menschen weder verkauft noch zugänglich gemacht werden. Der Versandhandel zum Beispiel ist untersagt. Verlag und Händler müssen Käufer über die Indizierung informieren.

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