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Landesparteitag der Linken in Flörsheim

Logo der Partei Die Linke ist auf einem Schild an einem Mikrofon zu sehen (dpa)

Die kriselnde Linke muss in Hessen akut um den Einzug in den nächsten Landtag zittern. Die Partei umwirbt nicht zuletzt enttäuschte Basis-Grüne. Dafür zieht sie als Überraschungskandidatin eine Anti-A49-Aktivistin mit grünem Parteibuch aus dem Hut.

Die Co-Landtagsfraktionsvorsitzende Elisabeth Kula auf dem für Frauen reservierten Platz eins, ihr Amtskollege Jan Schalauske auf Platz zwei: Als die Linke am Samstag in Flörsheim (Main-Taunus) ihre Kandidaten für die Hessen-Wahl im Herbst bestimmte, sah das auf den ersten Blick nach solider Routine aus.

Das täuscht. Die vor allem im Bund zerstrittene Partei muss angesichts aktueller Umfragen wie selten zuvor fürchten, den Wiedereinzug in den Landtag zu verpassen, dem sie seit 2008 ununterbrochen angehört. Die Lage wird sich beim Parteitag nicht nur auf die Stimmung niederschlagen.

Von den neun Abgeordneten der Landtagsfraktion traten am Samstag vier nicht mehr für einen Platz auf der Landesliste an. Dafür präsentierte der Landesvorstand den Delegierten auf der Suche nach neuen Wählern eine Umweltaktivistin mit fremdem Parteibuch.

Al-Wazir-Kritikerin wechselt Lager

Auf Platz sieben, der in besseren Tagen als aussichtsreich gegolten hätte, kandidierte Barbara Schlemmer aus Homberg (Ohm) im Vogelsbergkreis. Als streitbare Aktivistin gegen den A49-Ausbau ist sie überregional in Erscheinung getreten - und mit vehementer Kritik an Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir.

Das Besondere an ihrer Kandidatur: Bislang ist Schlemmer wie der Minister Mitglied der Grünen. Für ihre Partei sitzt sie im Kreistag, und sie ist Vorsitzende der grünen Stadtverordnetenfraktion in Homberg.

Am Samstag sagte sie allerdings, dass sie ihre Austrittserklärung geschrieben habe. "Es hat sich ausgegrünt."

Barbara Schlemmer an Wand gelehnt.

"Wir werden dafür sorgen, dass niemand das Verhalten von Tarek Al-Wazir und anderer Spitzenvertreter unserer Partei vergisst", hatte Schlemmer bereits 2020 angekündigt.

Auch wenn die Grünen in Wiesbaden darauf hinwiesen, dass der umstrittene A49-Bau von Wiesbaden aus nicht mehr zu verhindern war: Nun will Schlemmer in einem anderen Lager für ihre ökologischen Ziele und gegen den Minister weiterstreiten. Gerade hat sie wieder via Twitter zu einem Sonntags-Spaziergang im Dannenröder Wald eingeladen.

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Erhoffte Signalwirkung für enttäuschte Basis-Grüne

Die Satzung der Linken erlaubt die Kandidatur, Parteimitglied müsse man nicht sein. Verwiesen wird auch darauf, dass Friedensaktivist Willi van Ooyen als Chef der ersten Landtagsfraktion anfangs auch kein Linken-Mitglied war. Er war damals allerdings parteilos.

In einer Zeit, in der die Partei sich im Bundesland laut jüngstem hr-Hessentrend mit gerade einmal drei Prozent spürbar unter der Fünf-Prozent-Hürde bewegt, soll die Kandidatur Signalwirkung haben. Sie zielt auf Basis-Grüne, die von der Realpolitik ihrer in Bund und Land mitregierenden Partei enttäuscht sein könnten.

Die Linke hat sich selbst zum "politischen Partner der Klimabewegung" erklärt. Hessische Politiker wie Fraktionschef Schalauske und seine Vorgängerin Janine Wissler, die heutige Bundesvorsitzende, haben das schon vor Jahren mit Besuchen im Protestcamp an der A49-Baustelle demonstriert.

Als wahre sozial-ökologische Partei stellte sich die Linke gegen SPD und vor allem Grüne auch auf ihrem Programmparteitag im März dieses Jahres in Wetzlar auf.

Linke hat an Strahlkraft verloren

Nicht nur mit dem Wechsel Wisslers nach Berlin haben die hessischen Linken im Landtag allerdings an Erfahrung und Strahlkraft verloren. Mit Hermann Schaus hörte einer ihrer engen Wegbegleiter vergangenes Jahr aus Altersgründen auf. Und der Umbruch geht nun weiter.

Die Ex-Landesvorsitzende Petra Heimer, die für den 67-jährigen Schaus nachrückte, tritt in Flörsheim nicht mehr an. Das gilt auch für Ulrich Wilken, ebenfalls lange Jahre Chef der Landespartei und derzeit Vizepräsident des Landtags. Er ist der einzige in der Linken-Fraktion, der vom ersten Einzug ins Parlament vor 15 Jahren noch übriggeblieben ist.

Ein bisschen Frust

Auch die Abgeordnete Heidemarie Scheuch-Paschkewitz wird aufhören, die ein Jahrzehnt lang ebenfalls Landesvorsitzende war. Sie ist 63, Heimer 61 und Wilken 64 Jahre alt. Bei einer weiteren Aussteigerin aus der Fraktion spielt das Alter keine Rolle: Saadet Sönmez, migrationspolitische Sprecherin und Obfrau der Linken im Hanau-Untersuchungsausschuss, hört mit 51 Jahren und nach ihrer ersten Legislaturperiode schon wieder auf.

Sönmez will wieder in ihren vorherigen Beruf als Sozialpädagogin zurückkehren und psycho-soziale Beratung in einer Klinikambulanz leisten, wie sie dem hr auf Anfrage sagte. Politik will sie weiter machen, aber "als politische Basisarbeit". Differenzen mit und Unzufriedenheit über die Partei gab es wohl auch. Das sei aber nicht Hauptgrund für den Rückzug.

Spannende Kampfabstimmung

Neuling und Noch-Grüne Schlemmer gelang es am Samstag schließlich, als Landtagskandidatin akzeptiert zu werden. Sie wurde auf Listenplatz sieben gewählt. Eine Kampfkandidatur gab es nicht. Der mussten sich in Flörsheim aber zwei prominente Landtagsfraktionsmitglieder stellen.

Gegen Fraktionschefin Kula trat gleich bei Platz eins der Liste die chancenlose Anja Kerstin Meier-Lercher an.

Auf Platz vier kam es zu einer Überraschung zum Nachteil von Torsten Felstehausen, dem innenpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion. Der 58-Jährige hatte drei Konkurrenten - und am Ende das Nachsehen.

Gegen Felstehausen setzte sich Michael Müller, Leiter der Landesgeschäftsstelle und Vize-Fraktionschef der Frankfurter Linken, mit knappem Vorsprung durch. Er holte in einer Stichwahl 51,1 Prozent.

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