Die CDU regiert nun mit der SPD das Land.

Die Grünen sind in Hessen aus der Regierung geflogen, jetzt sind CDU und Sozialdemokraten am Ruder. Was bedeutet das für die Klimaschutzpläne der Landesregierung? Klimaexperten zeigen sich vom Koalitionsvertrag enttäuscht.

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Klimaexperten enttäuscht vom Koalitionsvertrag

Boris Rhein und Nancy Faeser mit dem Koalitionsvertrag der zukünftigen hessischen Landesregierung von SPD und CDU
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Rund 100 Mal enthält der Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Landesregierung das Wort "Klima". Ein gutes Zeichen, könnte man meinen.

Sven Linow, Professor für Umwelttechnik an der Hochschule Darmstadt, fällt allerdings ein vernichtendes Urteil über den Koalitionsvertrag: "Das ist in jeder Hinsicht ungenügend. Für uns ist definitiv nicht wirklich klar erkennbar, wie die Klimaziele 2045 so erreicht werden sollen."

Denn "Klima" wird zwar häufig genannt, aber auffällig oft in Verbindung mit eher vagen oder sehr allgemein gehaltenen Forderungen, meint Linow, der die Landesregierung als Vorsitzender des wissenschaftlichen Klimabeirats beim Klimaschutz berät. "Wirksamer Natur- und Klimaschutz funktioniert mit innovativen, nachhaltigen, wirtschaftlich wertschöpfenden und sozial verträglichen Lösungen", heißt es etwa im Koalitionsvertrag. Wenig konkret also.

Experte: "Koalitionspartner wollen sich durchwurschteln"

Die hessische Landesregierung hat sich auf dem Papier längst dazu verpflichtet, das Bundesland bis 2045 klimaneutral zu machen. Linows Eindruck beim Lesen des Koalitionsvertrags sei aber, dass "das Klima ein unangenehmes, schwieriges Thema ist und die Koalitionspartner eigentlich hoffen, dass sie sich irgendwie durchwurschteln können."

Gerade in den Bereichen Gebäude und Verkehr sieht er im Koalitionsvertrag keine Fortschritte. Schwarz-Rot setzt sogar bewusst auf Individualverkehr und das heißt in der Regel: das Auto.

Wassermanagement: Flussauen umgestalten

Besonders problematisch findet Linow, dass die Landesregierung Klimaschutz und Klimaanpassung zwar als zentrale Aufgaben von Städten und Gemeinden benennt, sich aber scheut, beides offiziell zur Pflichtaufgabe von Kommunen zu machen. "Klimaschutz ist im Moment zwar Teil der Daseinsvorsorge, aber keine kommunale Pflichtaufgabe. Das heißt: Sie haben keine Mittel."

Mindestens genauso wichtig wie Klimaschutz ist für Linow das Thema Klimaanpassung - also die Frage, wie man künftig mit dem veränderten Klima in Hessen noch gut leben kann. Er nennt das Beispiel Wassermanagement: Durch mehr Hitze und Dürre wird Wasser in vielen Teilen Hessens knapper. Gleichzeitig nehmen Extremwetterereignisse wie heftige Regenfälle zu, so dass Überflutungen drohen.

Man müsse das Wasser in den Flüssen also besser zurückhalten können und dafür die Flussauen umgestalten, meint Linow. Diese seien in Hessen häufig vollgebaut. Ob Tennisplätze oder Hühnerfarmen - man müsse anfangen, den Rückbau anzugehen.

Kein Klima-Ministerium mehr

Ähnlich wie Sven Linow bewertet auch Joachim Curtius, Professor für Atmosphärenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt, den neuen Koalitionsvertrag: "Natürlich bin ich enttäuscht, dass das Klimathema in der neuen Koalition anscheinend jede Priorität verloren hat." Schon bisher sei Hessen kein Vorreiter in Sachen Klimaschutz gewesen, jetzt sehe es noch schlechter aus.

Auch, dass im neuen Kabinett kein einziger Minister mehr den Begriff Klima im Namen trägt sei "ein ganz schlechtes Zeichen." So wird aus der bisherigen Ministerin für Umwelt, Klima, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nun der Minister für Landwirtschaft, Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat.

Linow: "Wie wird der neue Minister sein Amt ausfüllen?"

Doch auch wenn es noch viele Baustellen gibt, nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei der Klimaanpassung, hat der Klimabeiratsvorsitzende Sven Linow noch Hoffnung: Auch ohne Klima im Titel könne der neue Umweltminister Ingmar Jung trotzdem die richtigen Weichen stellen: "Die Frage ist ja, wie der neue Minister sein Amt ausfüllt."

Er trage mit der Land- und Forstwirtschaft für zwei Bereiche die Verantwortung, in denen etwas passieren müsse. "Ob er die Chance nutzt, wird man sehen. Aber ich hoffe sehr, dass er das tut."

Redaktion: Susanne Mayer

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