Den rechtsextremen Lübcke-Mörder Stephan Ernst hat der Untersuchungsausschuss des Landtags bereits befragt. Nun war sein einstiger Kumpel Markus H. an der Reihe. Es wurde keine Sternstunde parlamentarischer Aufklärungsarbeit.

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Lübcke-Ausschuss befragt Markus H.

Eine Hand hält einen Aktenordner mit der Beschriftung "Untersuchungs-Ausschuss Mordfall Dr. Walter Lübcke" in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Ausschnitt des Plenarsaal zu sehen.
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Wie ein Promi vor dem großen Auftritt, so durfte Markus H. den Saal durch den hinteren Eingang betreten. Da hatte der CDU-Politiker Christian Heinz gerade die Sitzung mit dem Hinweis für eröffnet erklärt, ab jetzt dürfe nicht mehr gefilmt werden.

So erfüllte der Vorsitzende des Lübcke-Untersuchungsausschusses den Wunsch des Rechtsextremisten, wartenden Kameraleuten und Fotografen im Landtag nicht begegnen zu müssen und auch im Saal nicht gefilmt zu werden. Falls er Dank für diese Regie-Leistung erwartet hatte: Da konnte Heinz am Mittwoch lange warten.

Markus H., gerichtlich vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) freigesprochen, ließ die Abgeordneten gut eineinhalb Stunden lang auflaufen. "Dazu möchte ich nichts sagen", war die häufigste und höflichste Antwort. Aber der bullige 46-Jährige mit dem grauen Kapuzen-Pulli konnte noch ganz anders.

Frei und ohne SEK

Der Parlamentsausschuss soll herausfinden, ob die hessischen Sicherheitsbehörden im Fall Lübcke versagt haben. Der Verfassungsschutz etwa löschte die Akte des als Mörder Lübckes verurteilten Stephan Ernst im Juni 2015, also vier Jahre vor der Tat. Mit ihm hatte er auch Markus H. nicht mehr auf dem Schirm, obwohl beide jahrelang zur gewaltbereiten Neonazi-Szene in Nordhessen gezählt wurden.

Ernst schien bürgerlich geworden, "abgekühlt". Auch Markus H. verloren die Behörden aus dem Blick. Nach dem Mord im Sommer 2019 sah die Staatsanwaltschaft in Markus H. nicht nur einen Gesinnungsgenossen Ernsts, sondern auch einen Anstifter. Die Familie des Opfers hält ihn sogar für einen Mittäter. Wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz erhielt er aber lediglich eine Bewährungsstrafe.

Der Ausschuss fand es geboten, nun auch diesen Mann zu befragen. Stephan Ernst war schon im Sommer als Zeuge geladen gewesen. Anders als jener trat Markus H. nicht nur als freier Mann und ohne SEK-Bewachung vor die Abgeordneten. Auch seine Anwältin hatte ihn allein gelassen.

Ob es um Ernsts Waffen ging oder darum, wie die beiden sich kennen lernten: Auch ohne Rechtsbeistand blockte der 46-Jährige seine Vernehmung ab und berief sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht, wonach er sich nicht selbst belasten müsse. Das galt auch für seine Teilnahme an der Bürgerversammlung im Jahr 2015, bei der Lübcke die deutsche Flüchtlingspolitik verteidigte und so den bundesweiten Hass der Rechten auf sich zog - und den seines späteren Mörders Ernst. Auch dazu mochte Markus H. nichts sagen.

Ein anderes Mal verwies er auf Gedächtnislücken und darauf, dass er sich "nicht mehr großartig erinnern" könne. Oder beschied in der apodiktischen Version: "Auch dazu gibt es keine Auskunft." Falls Markus H. nervös war, verbarg er es gut: Höchstens der zwischenzeitlich gerötete Nacken oder ein paar Fußbewegungen unterm Tisch hätten sich so auslegen lassen können.

Druck prallte zurück

Versuche einiger Abgeordneter, den Druck zu erhöhen, bewirkten nichts - im Gegenteil. Jörg Michael Müller etwa, ein Jurist, der stets selbstbewusst als Abteilung Attacke der CDU-Fraktion auftritt. Er gab am Ende auf - angewidert, wie er betonte. Müller hatte bei der Frage danach, ob Markus H. bei der Versammlung in Lohfelden dabei war, in nachdrücklichem Ton insistiert: "Ich meine, Sie müssen sie beantworten." Die Antwort, die er sich einfing, lautete: "Und ich meine, ich muss sie nicht beantworten."

Dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Günter Rudolph ging es nicht besser. Ihn belehrte Markus H. gleich zweimal, wie es richtig gehe. Als der Politiker beim Thema Waffen Auskunft über frühere Geschäfte haben wollte, wies der Zeuge ihn zurecht: "Da müssen Sie differenzierter fragen." Schließlich sei er sowohl gewerblich als auch privat aktiv gewesen.

Und als Rudolph wegen der Details des Warenangebots nachsetzte, legte auch H. nach: Der Abgeordnete habe zwischen Waffenteilen und Waffenzubehörteilen zu unterscheiden. "Auch das müssen Sie mich differenzierter fragen."

Für den Umsturz geübt?

Solche Fehlschläge hielten Grünen-Abgeordnete Eva Goldbach nicht davon ab, vom Waffennarren und Sport-Bogenschützen H. sogar wissen zu wollen, ob er mit solchen Betätigungen vielleicht für Gewalttaten oder einen Umsturz geübt habe. Auch hier blieb ein Geständnis freilich aus.

Auch wenn H. anfangs überhaupt nichts sagen wollte: Ein wenig sagte er dann doch, aber ohne etwas preiszugeben: Ja, Waffen besaß er, aber "aus Hobbygründen". Ja, der Verfassungsschutz habe ihn Ende der 1990er Jahre als Quelle anzuwerben versucht. Ja, eine SMS, in welcher der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) "Juden-Schäuble" genannt wurde, sei mit seiner Handynummer abgesetzt worden. Aber an mehr erinnere er sich da nicht.

Spott musste der Ausschuss auch noch ertragen. Wegen eines Nazi-Treffs wollte der Linken-Abgeordnete Torsten Felstehausen wissen, ob dem Zeugen der 20. April etwas sage. Die Antwort, dies sei der in der rechten Szene alljährlich als "Führers Geburtstag" gefeierte Geburtstag Adolf Hitlers, erhielt der Politiker nicht. Markus H. entgegnete vielmehr: "Allerdings, das ist ein Tag nach meinem Geburtstag."

Chef der Nachrichtenbeschaffung wusste nichts

Vor Markus H. hatten Zeugen des Landesamtes für Verfassungsschutz am Mittwoch vor dem Lübcke-Ausschuss ausgesagt. Mit dem Mörder Stephan Ernst hatte die Behörde auch Markus H. mindestens in den Jahren 2011 bis 2016 nicht auf dem Schirm. Die Namen habe er erstmals im Zusammenhang mit der Ermordung gehört, berichtete der damalige Leiter der Nachrichtenbeschaffung der Behörde.

Bei seinem Amtsantritt 2011 sei das Netz unter anderem von V-Leuten und weiteren Informanten unzureichend gewesen, das sei in den Folgejahren verbessert worden. Er habe die rechtsextreme Szene als hochgefährlich eingestuft.

Mit Robert Schäfer, seit kurzem Landespolizeipräsident, war auch ein früherer Chef des hessischen Verfassungsschutzes geladen worden. Er wies vor dem Ausschuss auf die vielen Reformen im Kampf gegen Rechts hin, die es in seiner Amtszeit von 2015 bis zum Herbst dieses Jahres gegeben habe.

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