Seit Wochen befasst sich der Landeselternbeirat mehr mit sich selbst als mit der Schulpolitik in Hessen. Nun ist schon wieder ein Vorsitzender weg. Dahinter steckt ein schweres Zerwürfnis im Vorstand.

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LEB-Vorsitzender tritt nach kurzer Zeit zurück

Blick in ein Klassenzimmer vom Flur durch die Tür
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Ein Treffen mit der Spitze des Landeselternbeirats (LEB) wäre einer der Kennenlerntermine, die demnächst eigentlich für den neuen hessischen Kultusminister Armin Schwarz (CDU) anstünden. Schließlich redet das 19-köpfige Gremium ein gehöriges Wörtchen mit, wenn es um Lehrpläne, die Anschaffung von Lehrmitteln und andere schulische Dinge geht.

Bis zu einem Termin kann es aber noch dauern. Denn während sich die schwarz-rote Landesregierung einarbeitet, macht die Vertretung der Erziehungsberechtigten von rund 840.000 Schülerinnen und Schülern in Hessen das Gegenteil.

Kultusministerium in Sorge

Ihr eben erst neu formierter Vorstand zerlegt sich. Wenige Tage nach dem Rücktritt von Wolfgang Stock, der infolge des überraschenden Rückzugs seines Vorgängers Volkmar Heitmann gerade einmal einen guten Monat LEB-Vorsitzender war, offenbaren sich Abgründe.

Man betrachte die jüngste Entwicklung "mit Sorge", heißt es aus dem Ministerium.

Start mit Fehldiagnose

"Es gab unterschiedliche Vorstellungen, wie man im Vorstand zusammenarbeitet", sagt der weiterhin amtierende Vize-Vorsitzende Ingo Radermacher auf hr-Anfrage über die Gründe des Zerwürfnisses. Sein Gegner, der Kurzeit-Vorsitzende Stock, formuliert es drastischer.

Während sich sein Vorgänger Heitmann bei seiner Rücktrittsbegründung vor allem am Kultusministerium abarbeitete, spricht Stock auf Anfrage von "Schlammschlacht", "Geltungssucht“ und "Intrigen" seiner Vorstandskollegen. Dabei hatte der 58-Jährige, der im Beruf als Arzt in der Wetterau praktiziert, beim Amtsantritt der Frankfurter Rundschau noch gesagt: "Die Aufbruchstimmung überwiegt bei Weitem."

Eine Fehldiagnose, wie er nun findet. Im dreiköpfigen Vorstand, den nun kommissarisch seine bisherigen Stellvertreter Radermacher und Thorsten Sprenger führen, ist er demnach vielmehr auf eine "Blockade um der Geltungssucht willen" getroffen.

In welcher Verfassung ist der LEB?

Es geht um den gegenseitigen Vorwurf, die jeweils andere Seite sei nicht teamfähig. Dahinter stecken aber auch drastisch unterschiedliche Bewertungen darüber, in welcher Verfassung der Landeselternbeirat war und ist.

"Unsere Arbeit ist dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt", sagt Radermacher zu Stocks Rücktritt. Eine wesentliche Aufgabe des Beirates sei, die Wahl der neuen Landeselternvertretung am 8. Juni dieses Jahres vorzubereiten.

"Nicht noch das große Rad drehen"

Bis dahin soll es "routinemäßig“ weitergehen: Mit dem Ministerium sollten Projekte wie eine Handreichung für Eltern zum Datenschutz und ein landesweiter E-Mail-Verteiler der Elternvertretung für den direkten Kontakt mit den Schulen abgeschlossen werden.

Zwar beschäftigten auch Themen wie die Klassengrößen oder eine neue Oberstufenverordnung die Elternvertreter. Da die Vertretung nur noch vier Monate im Amt sei, gilt laut Radermacher aber auch: "Wir beginnen jetzt nicht noch, das große Rad zu drehen."

Wollte der Neue zu stark werden?

Dem Ex-Vorstandskollegen Stock wirft Radermacher vor, jener habe zu viel Kompetenzen an sich reißen wollen. Das Schulgesetz sehe vor, dass die Vorstandsarbeit kollegial laufe.

Stock habe aber "einen Wechsel zum Präsidialsystem" haben wollen. Eine Mehrheit habe es dafür nicht gegeben, Stocks Motive seien ihm bis heute unklar. "Das hat viele überrascht", sagt Radermacher über das Amtsverständnis, das sein Gegner an den Tag gelegt habe.

Der so Kritisierte ("Ich war naiv") hält dagegen, dass die Missstände im LEB-Vorstand schon vor seinem Amtsantritt groß gewesen sein müssen. Er habe das bloß nicht gewusst. Als Vize sei Radermacher schon vorher der eigentlich starke Mann gewesen, habe die Sitzungen geleitet, Pressemitteilungen verschickt und öffentlichkeitswirksame Auftritte gesucht.

2:1

In dem dreiköpfigen Vorstand habe Radermacher gemeinsam mit dem zweiten Stellvertreter den Vorsitzenden zudem immer überstimmen können, beklagt Stock. Inhaltlich habe sich aber nichts bewegt.

In der ersten LEB-Sitzung unter seinem Vorsitz, während der er dann hinschmiss, wollte Stock nach eigener Schilderung am Samstag (27. Januar) dringende Themen anstoßen.

Wolfgang Stock

Neben Ganztagsbetreuung und Oberstufenverordnung sei es ihm vor allem darum gegangen, dass Haupt- und Realschülern bei den Prüfungen im kommenden Sommer keine erheblichen Benotungs-Nachteile haben, weil sie Orthographie nach der umstrittenen Methode "Schreiben nach Gehör“ erlernt haben.

Keine Mehrheit

Mit dieser Agenda und dem Reformplan, schnellere Ergebnisse etwa durch die Schaffung von schulformübergreifenden Teams innerhalb des LEB zu erreichen, sei er jedoch abgeblitzt. Stark räumt ein: nicht nur bei seinen Stellvertretern, sondern bei den meisten der Beiräte.

"Da war einerseits große Frustration, andererseits Kraftlosigkeit. Die Engagierten stellten nicht die Mehrheit“, sagt er zu Verfassung des Landeselternbeirats. Und er schlussfolgert: "Das Gremium ist handlungsunfähig."

Stock will im aktuellen Landeselternbeirat trotz des Zerwürfnisses auch ohne Vorstandsposten weitermachen. Nach 30 Jahren ehrenamtlicher Arbeit in Elternvertretungen habe er bei der Wahl der neuen Vertretung im Juni ohnehin nicht mehr antreten wollen.

Kultusministerium hofft auf schnelle Neubesetzung

Vorher braucht der aktuelle LEB einen neuen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende. Stock-Kontrahent Radermacher wird die Führung bis dahin mit seinem Stellvertreter-Kollegen kommissarisch übernehmen. Er macht aber klar, dass dies vorübergehend sei:

Wie schon nach dem Rücktritt von Stocks Vorgänger Heitmann im Herbst vergangenen Jahres wollten beide nicht für den Vorsitz kandidieren.

Für die gesetzlich vorgeschriebene Vorsitzenden-Wahl stehe noch kein Kandidat fest. Aus dem Kultusministerium heißt es: Man hoffe, dass der Posten bald wieder besetzt werde, "um die gute und professionelle Zusammenarbeit fortzusetzen".

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