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Hessentags-Defizit beschäftigt Pfungstädter Stadtpolitik immer noch

Das Bild zeigt Menschen, die über das Hessentagsgelände gehen. Im Hintergrund ist ein Riesenrad und Verkaufsstände zu sehen.

In Fritzlar ist der Hessentag gestartet. Während in Nordhessen jetzt gefeiert wird, sucht der vormalige Gastgeber Pfungstadt noch immer nach den Ursachen für sein zehn Millionen Euro Defizit – Querschüsse nach Fritzlar inklusive.

Ein Bürgermeister, der Fehler einräumt, ein Dienstleister, dem Interessenskonflikte vorgeworfen werden und ein Akteneinsichtsausschuss, der noch immer keine Antworten hat: Auch ein Jahr nach dem Hessentag beschäftigt das Landesfest immer noch die Stadtpolitik in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg).

Als erster Hessentag nach der Pandemie hatten die Veranstalter nicht nur mit Corona-Nachwehen, sondern auch den Folgen des russischen Angriffskriegs zu kämpfen: Die Besucherinnen und Besucher kamen weniger zahlreich als gedacht, die Energiekosten fielen dagegen höher als erwartet aus. Am Ende beendeten die Pfungstädter das Landesfest mit einem Minus von 10,2 Millionen Euro.

Im vergangenen Dezember nahm ein Akteneinsichtsausschuss die Arbeit auf, der klären soll, wie es zu dem Millionen-Defizit kommen konnte. Der Ausschuss, bestehend aus elf Mitgliedern aus allen Pfungstädter Fraktionen (SPD, CDU, FDP, Grüne, Unabhängige Bürger Pfungstadt, Freie Wähler, Freie Grüne Liste), tagte zuletzt im April. Doch Antworten konnte der Ausschuss bis jetzt nicht geben. Dafür hagelte es Vorwürfe. 

Ausschuss kommt nicht weiter

Stellvertretend für den Ausschuss kritisiert José Maria Gonzalez Iglesias von der Freien Grünen Liste (FGL) die Zusammenarbeit mit Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch (SPD) und der Stadtverwaltung. Iglesias ist Vize-Vorsitzender des Gremiums, die Vorsitzende ist derzeit erkrankt. Gonzalez Iglesias sagt, eine Aufarbeitung sei dem Ausschuss nicht möglich aufgrund der mangelhaften bis "nichtexistierenden Aktenlage". Bürgermeister Koch weist diesen Vorwurf zurück.  

"Es gibt keine Blaupause für eine "Hessentagsakte", sagt Koch. Nach seinem Wissen seien alle Dokumente und Unterlagen an den Ausschuss übergeben worden. Dabei handle es sich um mehr als 13.000 Dateien, die dem Ausschuss digitalisiert zur Verfügung gestellt worden seien.

Nicht nur Bürgermeister in der Kritik

Auch der mit der Planung und Umsetzung des Hessentags beauftragte Dienstleister Arbeitsgemeinschaft Projektsteuerung Hessentag Pfungstadt (ARGE ProHeTaPfu) wurde in der letzten Ausschusssitzung kritisiert. 

Laut einem Bericht des Darmstädter Echos hat der erste Stadtrat dem Dienstleister einen Interessenskonflikt vorgeworfen. Demnach soll sich das Unternehmen immer wieder mit neuen Aufgaben selbst beauftragt haben. 

Die ARGE besteht aus drei Eventagenturen. Federführend ist das Hamburger Unternehmen Campo Event Engineering. Geschäftsführer Marten Pauls weist den Interessenskonflikt auf hr-Anfrage zurück und betont, dass alle Aufträge an die ARGE ausschließlich durch den Magistrat der Stadt Pfungstadt vergeben worden seien und dies nach hessischem Vergaberecht auch nicht anders möglich sei. Das bestätigt auch Bürgermeister Koch.  

 

Koch erklärt, die Zeit kurz vor dem Hessentag sei "extrem angespannt" gewesen. Um den Vorgaben des Landes Hessen gerecht zu werden, sei es deshalb notwendig gewesen, die ARGE mit zwei weiteren Zusatzleistungen zu beauftragen. Der Bürgermeister sagt, die Stadt hätte "die Pistole auf der Brust gehabt" – ohne die Zusatzleistungen hätte es womöglich keinen Hessentag geben können. 

Mehrkosten vor allem bei Kernmodulen

Nach Angaben der Staatskanzlei in Wiesbaden erhalten die Hessentagsstädte vom Land 8,5 Millionen Euro für die Ausrichtung des Landesfests. Davon stehen zwei Millionen Euro für die Kosten der sogenannten Kernmodule zur Verfügung. Zu den fünf Kernmodulen zählen zum Beispiel der Festzug mit Ehrentribüne und die Errichtung einer angemessenen Zahl von Parkplätzen.  

Laut Bürgermeister Koch und Dienstleister ARGE ist es vor allem bei der Umsetzung dieser Pflichtmodule zu "unvorhersehbaren Kosten" gekommen, zum Beispiel im Bereich Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit. Auch die Inflation sowie Veranstaltungen von Drittanbietern wie dem Hessischen Rundfunk hätten die Kosten nach oben getrieben.  

Das Land prüft seit November vergangenen Jahres, ob tatsächlich unabwendbare, unvorhersehbare Mehrkosten bei den Kernmodulen entstanden sind. Für diesen Fall hat sie der Stadt Pfungstadt finanzielle Unterstützung zugesichert. Einige Zahlungen konnten laut Staatskanzlei bereits getätigt werden. Das nächste Abstimmungsgespräch mit der Stadt soll noch vor den Sommerferien stattfinden. 

Fritzlar vs. Pfungstadt

Auch die Veranstalter in Fritzlar haben mit dem Land bereits im Vorfeld über mehr Geld für den diesjährigen Hessentag gestritten. Das Land solle das Konzept der Veranstaltung auch generell überdenken, denn gerade kleineren Kommunen könnten hohe Schuldenberge schwer zu schaffen machen, sagten die Stadtverordneten in Fritzlar. Das kritisiert auch Bürgermeister Koch: “Der Kern des Problems war, dass wir als kleine Stadtverwaltung mit der Organisation eines Festes dieser Dimension schlicht überfordert waren".

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Fritzlar ist laut Staatskanzlei die fünfte Hessentagsstadt, die ihr Fest nach dem Konzept "Hessentag der Zukunft" ausrichtet. Das flexible Konzept ermögliche es den Ausrichterstädten, den Hessentag nach den Gegebenheiten vor Ort zu gestalten. Der Hessentag sei damit eine "Maßkonfektion", die sich der jeweiligen Gastgeberstadt anpasse und nicht umgekehrt. Die Landesregierung unterstütze die Entscheidung Fritzlars, den Hessentag in einem kleineren Rahmen auszurichten.

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Fritzlar hat sich im Gegenzug zu Pfungstadt für eine abgespeckte Version des Hessentags entschieden, ohne große Hessentags-Arena und Auftritte großer Popstars. ARGE-Geschäftsführer Pauls ärgert das.

"Die Stadtverwaltung weist medial gern darauf hin, den Hessentag in Fritzlar so günstig wie möglich durchzuführen", so Pauls. Doch in seinen Augen gehe das auf Kosten der Sicherheit.

Einen Tag vor der Eröffnung äußerte er den Vorwurf, es seien nicht zugelassene Baumaterialien verwendet worden, die die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher in Gefahr bringen würden. Er meldete seinen Verdacht der Bauaufsicht.  

Die Stadt Fritzlar ließ das Gelände daraufhin kurz vor der Eröffnung des Hessentages noch einmal durch einen Sachverständigen überprüfen. Demnach seien alle beanstandeten Gerüste sowie eine Brücke regelkonform und die Sicherheit der Besuchenden gegeben, teilte ein Sprecher am Freitagnachmittag mit.

Gespräche gehen weiter

Die Aufarbeitung der Hessentags-Schulden in Pfungstadt bringt dieser Disput jedenfalls nicht richtig weiter. Am 4. Juni kommt der Akteneinsichtsausschuss erneut in einer öffentlichen Sitzung zusammen. Dann soll nach Angaben von Gonzalez Iglesias geprüft werden, ob die Unterlagen an einen Rechnungsprüfungsamt übergeben werden sollen.

Bürgermeister Patrick Koch gibt an, bis dahin alle offenen Fragen des Ausschusses beantworten zu wollen.

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