Viel Verkehr auf der A5 bei Frankfurt

Das Bundesverkehrsministerium macht Druck. Hessen soll sich verbindlich zu den geplanten 29 Autobahnprojekten äußern. Wenig begeistert von den Vorhaben zeigt sich der zuständige grüne Minister. Doch wie positioniert sich der Koalitionspartner CDU?

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Wissing macht Druck beim Autobahn-Ausbau

Ein Auto fährt auf der Autobahn. (picture alliance/dpa/dpa-Zentral)
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Auch beim Autobahn-Ausbau hält Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wenig vom Tempolimit. Ende März setzte er nach tagelangem Streit im Ampel-Koalitionsausschuss den Plan durch, in ganz Deutschland stauträchtige Abschnitte rasch zu verbreitern. Das sorgt derzeit in Hessen für besondere Anspannung.

Denn an diesem Freitag starten auf der Arbeitsebene die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. 29 der insgesamt 144 Autobahn-Ausbauprojekte liegen in Hessen. Darunter sind so umstritten Vorhaben wie der zehnspurige Ausbau der A5 vor den Toren Frankfurts, für den womöglich sogar Gebäude abgerissen werden müssten.

Bauen oder nicht bauen? Schon bis 28. April soll die schwarz-grüne Landesregierung auf Wunsch des Bundesministers Farbe bekennen. Das bringt vor allem die hessischen Grünen um Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir unter Zugzwang.

"Anti-Al-Wazir" drängt

Zumindest hofft das ein Parteifreund Wissings: Stefan Naas, Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl im Herbst. Der Landtagsabgeordnete stellt sich gerade via Bild-Zeitung für den Wahlkampf als "Anti-Al-Wazir" und klimabewusster Kämpfer für den motorisierten Individualverkehr auf. Er fordert: "Al-Wazir und die Grünen müssen sich jetzt zu den Autobahnprojekten bekennen, die in Hessen beschleunigt werden sollen."

Diesen Gefallen haben die hessischen Grünen den Liberalen bisher nicht getan. Genauso wenig, wie die Ausbauprojekte klipp, klar und komplett abzulehnen.

Umweltschützer: Minister muss dagegenhalten

Genau auf eine solche Ablehnung drängen aber Umweltverbände und die im Landtag oppositionelle Linke. Der hessische Verkehrsminister müsse die sozial-ökologische Wende voranbringen und "dem Bundesminister der Asphalt-statt-Wald-Partei FDP eine Absage erteilen", verlangt Axel Gerntke, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion.

"Al-Wazir darf sich von Wissing nicht in die Enge treiben lassen", fordert auch der Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Hessen. Der BUND-Landesverband nimmt dagegen neben dem grünen Vize-Ministerpräsidenten auch den Regierungschef selbst und damit die CDU in die Pflicht: "Wir fordern Ministerpräsident Boris Rhein und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir auf, sich den Asphaltfantasien von Herrn Wissing zu verweigern und keine Projekte anzumelden."

Überzeugungen und Koalitionen

Wer Straßen baue, werde nur noch mehr Autoverkehr und neue Staus ernten – davon sind wie die Umweltverbände auch die hessischen Grünen überzeugt. Allerdings: In der Berliner Ampel-Koalition haben ihre Parteifreunde Wissings Plänen als Teil eines größeren Modernisierungspakets zugestimmt, wenn auch zähneknirschend. Im Bundesland liegen die Dinge machtpolitisch auch nicht ganz einfach.

Ohne Zustimmung Hessens soll zwar keines der 29 zuvor schon als vordringlich im Bundesverkehrswegeplan eingestuften hessischen Autobahn-Vorhaben in einem beschleunigten Verfahren durchgezogen werden. Neben der A5 geht es um A3, A45, A60, A67 und A661. Und die Grünen stellen den Landesverkehrsminister. Sie sind aber Teil einer schwarz-grünen Koalition – und das als der kleinere Partner.

Nach der Hessen-Wahl wiederum wollen sie die CDU überflügeln und mit Al-Wazir den neuen Ministerpräsidenten stellen. Und der hat obendrein vor nicht allzu langer Zeit einigen Zorn von der Öko-Basis für einen umstrittenen Autobahnausbau erfahren, den er gar nicht hätte stoppen können: den der A49 mit den Abholzungen im Dannenröder Forst.

Wissings Gesetzentwurf liege zwar nun vor, "allerdings sind manche Rahmenbedingungen noch unklar" – mit diesem Hinweis tritt der Grünen-Minister in diesen Tagen bei den drohenden 29 neuen Autobahn-Großbaustellen erkennbar auf die Bremse.

In einer Aufzählung macht Al-Wazir klar, welche Vorhaben des Modernisierungspaketes seiner Meinung nach stattdessen Vorfahrt haben: "der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze" und "der Bau und die Elektrifizierung von Bahnstrecken wie auch die Sanierung der maroden Straßeninfrastruktur".

Wie will Wissing das schaffen?

Gerade mit Sanierungen haben Wissing und die bundesdeutsche Autobahn GmBH nach Meinung Al-Wazirs ohnehin viel zu tun. Und schließlich habe der FDP-Politiker ja noch angekündigt, 400 statt 200 Brücken pro Jahr zu sanieren. Wie er da noch 144 beschleunigte Autobahnausbauten schaffen will, lautet die Frage.

Selbstverständlich formuliert es der hessische Verkehrsminister weniger direkt. In seiner Stellungnahme heißt es vielmehr: "Allerdings ist bisher unklar, ob die Autobahn Gmbh über ausreichend Personal für Planung und Bau verfügt und ob eine weitere Priorisierung von der Autobahn GmbH umgesetzt werden könnte", heißt es. Unklar ist aber auch, worauf sich die Koalition in Wiesbaden einigen kann.

CDU still, Wirtschaft eindeutig

Von der CDU um Ministerpräsident Boris Rhein ist bislang weniger zu dem Streitthema zu hören. Dass sie in Fragen des Straßenbaus der FDP prinzipiell näher als dem grünen Koalitionspartner steht, hat sich zuletzt bei der Frankfurter Oberbürgermeister-Wahl gezeigt: Ihr am Ende unterlegener Kandidat Uwe Becker trat im Wahlkampf für den A5-Ausbau ein, die ebenfalls unterlegene Grünen-Kandidatin war dagegen.

Was die Wirtschaft von der unionsgeführten Landesregierung erwartet, hat die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) unmissverständlich erklärt. Sie sei "gut beraten, den schnelleren Ausbau von Autobahnen in Hessen aktiv zu unterstützen", meint ihr Verkehrssprecher Klaus Rohletter.

Neun Jahre ohne öffentlichen Koalitionskrach

Kurz vor der Hessenwahl am 8. Oktober wird die Koalition somit auf eine Probe gestellt. Regierungschef Rhein, der vor einem Jahr ins Amt kam, wird eine größere Nähe zur FDP als zu den Grünen nachgesagt. Auch aber unter ihm gilt: Bislang, seit mehr als neun Jahren, regiert Schwarz-Grün in Hessen fast ohne öffentlichen Streit. Den einst erbitterten Gegner gelang das, weil die disziplinierte Abarbeitung der Koalitionsverträge im Vordergrund stand. Die Interessensphären wurden zudem entsprechend der zugeteilten Ministerressorts aufgeteilt.

Für Abstimmungen im Bundesrat gilt außerdem: Sind die Koalitionspartner konträrer Meinung, enthält sich Hessen. Um eine solche Abstimmung geht es beim beschleunigten Autobahn-Ausbau aber nicht: Schwarz-Grün soll sich zu Wissings Liste verbindlich und fristgerecht bis Freitag kommender Woche äußern. Die Hinweise Al-Wazirs auf wichtige Details, die noch unbekannt seien, zeigen: Die Neigung, sich dem aufgebauten Zeitdruck aus Berlin ohne weiteres zu beugen, hält sich in Grenzen.

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