Schloss Philippsruhe mit einer Drohne aus der Luft aufgenommen.

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky ist seit 18 Jahren im Amt – und will das auch bleiben. Obwohl gleich sechs Kandidatinnen und Kandidaten seine Nachfolge antreten wollen, kommt der Wahlkampf nicht so richtig in Fahrt.

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Sieben Kandidaten bei der Oberbürgermeister-Wahl in Hanau

Sieben Kandidaten bei der Oberbürgermeister-Wahl in Hanau
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Sie hängen überall: Wahlplakate mit den Gesichtern der Lokalpolitiker, mit griffigen Sätzen, Wahlversprechen oder Parteilogos. Im gesamten Hanauer Stadtgebiet sind sie zu finden - an Bäumen, Straßenlaternen oder auf Grünstreifen. Was dabei auffällt: Die meisten Plakate werben für die Kommunalwahl, deutlich weniger für die Kandidierenden der Oberbürgermeisterwahl. Plakate des AfD-Kandidaten Meysam Ehtemai hängen sogar erst seit dem vergangenen Wochenende.

So verwundert es auch nicht, dass viele Menschen in Hanau von sich sagen, die meisten der sieben Kandidierenden der OB-Wahl gar nicht zu kennen. Denn klassischen Straßenwahlkampf, also Informationsstände auf dem Marktplatz oder Aktionen in der Fußgängerzone, gibt es wegen der Corona-Pandemie nur in sehr eingeschränkter Form.

An einer Straße vor der Steinheimer Mainbrücke hängen Wahlplakete verschiedener Parteien.

"Wahl-Wettbewerb" in den sozialen Medien

Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zum Beispiel will deshalb auch seit Monaten nicht von "Wahlkampf" sprechen, "sondern maximal von einem Wahl-Wettbewerb." Der findet vor allem im Internet statt, und dort hauptsächlich in den sozialen Medien. Dass sie dort nicht alle Wählerinnen und Wähler erreichen, sei ihnen klar, erklären die Kandidaten und die Kandidatin im Gespräch mit hessenschau.de.

Aber es bleibe eben nichts anderes übrig. "Das ist schon ein Nachteil", sagt beispielsweise Kaminsky, "weil ich bei den vergangenen Wahlen den Eindruck hatte, die Menschen im direkten Gespräch, im direkten Diskurs zu überzeugen. Das fällt alles weg."

OB Kaminsky ist klarer Favorit

Claus Kaminsky

Dabei ist der 61-Jährige noch in der komfortabelsten Situation: Seit 2003 ist er Oberbürgermeister, ist den Menschen in Hanau selbstverständlich bekannt – und bei vielen nach wie vor beliebt. Viele Menschen sind zufrieden mit Kaminskys Corona-Management. So gelten in Hanau häufig strengere Regeln als im Rest des Landes. Bei der Maskenpflicht beispielsweise war die Stadt Vorreiter, sie galt dort im vergangenen April schon eine Woche früher als im restlichen Teil des Landes.

Auch im Nachgang des rassistischen Anschlags von Hanau sammelte Kaminsky Sympathien. So formulierte er nur wenige Stunden nach dem Anschlag vor Kameras und Mikrofonen aus aller Welt den vielzitierten Satz: "Die Opfer waren keine Fremden." Nicht nur bei den Hinterbliebenen sammelte er seitdem immer wieder Pluspunkte. Und so geht Kaminsky als klarer Favorit in die Wahl.

Grüne Zeller: Rennen um Platz zwei

Anja Zeller

"Ich weiß, dass es eigentlich nur um Platz zwei geht", sagt Grünen-Kandidatin Anja Zeller. Die einzige Frau im Rennen hat in den vergangenen Wochen trotz der Pandemie Straßenwahlkampf betrieben und samstags während des Wochenmarkts mit einem kleinen Stand für sich geworben, "mit doppelten Masken und ordentlich Abstand".

Dabei habe sie immer wieder ihre Ziele und Vorstellungen unter die Leute bringen können. "Mir ist es wichtig, dass wir eine grüne Großstadt werden - mit besserer Luft, weniger Lärm, mehr Grün, Sicherheit und Sauberkeit", sagt die 49-Jährige, die seit 2017 im Hanauer Rathaus die Stabsstelle "Nachhaltige Strategien" leitet. Und so trifft man die gebürtige Schwäbin in Hanau häufig mit dem Fahrrad an – zuletzt mit einem auffallend grünen.

CDU-Kandidat Böhringer: Stadtteile stärken

Jens Böhringer

Ebenfalls radelnd ist häufig CDU-Kandidat Jens Böhringer unterwegs. Der mit 35 Jahren jüngste Kandidat ist begeisterter Hobbysportler, steht zum Beispiel in seiner Freizeit für den Sportverein Germania Steinheim auf dem Fußballplatz. Auch deshalb dürfte Böhringer im Stadtteil Steinheim bei der Wahl einen Heimvorteil haben.

Wie es ansonsten um seine Chancen steht, wisse er nicht so richtig: "Ein wirkliches Stimmungsbild habe ich nicht." Er sei zufrieden mit dem Wahlkampf – "trotzdem wäre es für mich sicher besser gewesen, wenn es persönliche Gespräche gegeben hätte." Dann hätte er seine Ziele und Inhalte besser vermitteln können, glaubt er. Die Wichtigkeit der Stadtteile zum Beispiel: "Die müssen wir mehr in den Fokus rücken", fordert er, "ein Hanauer Lebensgefühl schaffen, mit dem sich alle identifizieren und in dem sich alle wiederfinden."

Linken-Kandidat Dohn: Quote für öffentlichen Wohnungsbau

Jochen Dohn

Ganz oben auf der Agenda von Jochen Dohn, dem Kandidaten der Linken, steht ein Thema, das vielen Menschen in Hanau wichtig ist: Wohnen. Hanau liegt in direkter Nachbarschaft zu Offenbach und Frankfurt. Bezahlbarer Wohnraum wird deshalb auch hier immer knapper.

"Ich würde Verschiedenes in die Wege leiten, damit es bezahlbaren Wohnraum gibt", sagt Dohn, der im hessischen Landtag Mitarbeiter der Abgeordneten Sönmez und Schaus ist: eine 30-Prozent-Quote für öffentlich geförderten Wohnungsbau zum Beispiel. "Und die städtische Baugesellschaft müsste neue Sozialwohnungen bauen."

AfD-Kandidat Ehtemai: Hanau als Industrie- und Handelsstandort

Meysam Ehtemai

Weniger konkrete Ziele formuliert Meysam Ehtemai, Kandidat der AfD. "Die Vorteile Hanaus klug einzusetzen, wird meine zukünftige Politik sein", sagt der 40-Jährige. "Hanau war schon immer ein Industrie- und Handelsstandort und diente als Schmelztiegel für viele Menschen aus aller Welt."

Ehtemai ist in Hanau ein unbeschriebenes Blatt: Er lebt in Limburg, arbeitet als Referent im hessischen Landtag. Berührungspunkte mit Hanau hatte er nur bei Veranstaltungen seiner Partei. Die spielt in der Brüder-Grimm-Stadt politisch keine Rolle: Zur Kommunalwahl stellt sie hier erneut keine Liste.

Kandidat Zinserling: "Politik mal ganz anders"

Sven Zinserling

Politisch ebenfalls noch nicht in Erscheinung getreten ist Sven Zinserling, einer der beiden unabhängigen Kandidaten. Der 51-Jährige sieht aber gerade darin seine Chance: Der Schauspieler will "Politik mal ganz anders" machen, hatte deshalb lange Zeit kein konkretes Wahlprogramm, sondern habe sich vor allem über Facebook Anregungen der Menschen aus Hanau geholt. Er setze sich jetzt unter anderem für mehr Bürgerentscheide, Begegnungsstätten für ältere Menschen und kostenlosen Personennahverkehr ein, sagt er.

Kandidat Stehlik: Mit AfD verbunden

Dr. Gerhard Stehlik

Als zweiter parteiunabhängiger Kandidat bewirbt sich Gerhard Stehlik. Der Klimaskeptiker sieht es vor allem als Ziel, Oberbürgermeister Kaminsky aus dem Amt zu befördern. Denn lange Amtszeiten lehnt er ab. Stehlik ist mit 77 Jahren der älteste Kandidat auf der Liste – und steht noch auf einer anderen: Bei der Kreiswahl findet man seinen Namen auf der Liste der AfD für den Main-Kinzig-Kreistag. Somit stellt die AfD genau genommen zwei Sympathisanten bei der Oberbürgermeisterwahl.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 26.02.2021, 19.30 Uhr