Saisonbilanz von Markus Krösche Zwischen Muhammad Ali und Mount Everest

Sportvorstand Markus Krösche erklärt am Montag das Festhalten an Trainer Dino Toppmöller und nimmt hingegen Führungsspieler wie Kevin Trapp deutlich in die Pflicht. Die Saison-Analyse fällt klar und nachvollziehbar aus - und doch fehlt ein wichtiger Punkt.

Markus Krösche gab sich gutgelaunt.
Markus Krösche gab sich gutgelaunt. Bild © Imago Images
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Punch. Das scheint das neue Lieblingswort von Markus Krösche zu sein, obwohl er es nach eigenen Angaben auch nicht so recht mag. Doch bei der Abschluss-Pressekonferenz der Saison am Montag wählte der Sportvorstand zum einen den Begriff, um die Mängel der Frankfurter im letzten Spielfelddrittel zu beschreiben ("Uns fehlte da zu oft der Punch!"). Zum anderen um die Schwierigkeit für Trainer Dino Toppmöller in dessen erster Saison im Amt bei der Eintracht darzustellen: "Es war für ihn auch das erste Jahr als Cheftrainer in einem Verein, wo den Punch nicht Regina Halmich, sondern eher Muhammad Ali setzt."

Umgehauen hat es Toppmöller nicht, die Eintracht geht auch in die kommende Spielzeit mit dem Trainer. "Wir sind zu 1.000 Prozent überzeugt, dass Dino der richtige ist", sagte dann auch Krösche und gab sich alle Mühe, das Gespräch mit dem Coach in der vergangenen Woche als normale Abschluss-Analyse zu apostrophieren. "Wir haben gesagt, dass wir uns mal zusammen setzen. Wir haben den Trainer nie in Frage gestellt, nie über eine Entlassung gesprochen." Wohl aber ist Krösche lange genug im Geschäft, sodass sein ausgebliebenes Bekenntnis zum Trainer nach dem letzten Saisonspiel gegen Leipzig nicht dem Zufall geschuldet war.

Krösche: Umgang mit Dino nicht fair

Denn die Mängelliste aus der abgelaufenen Saison sprach Krösche auch am Montag klar an: fehlende Zielstrebigkeit respektive "Punch", mangelnde Konstanz, zu wenig herausgespielte Torchancen, schlechte Standardsituationen, zu wenig Druck auf den Aufbau des Gegners. Ergo: "Die Rückrunde war nicht so, wie wir uns das vorgesellt haben." All dies liegt natürlich im Verantwortungsbereich des Trainers Toppmöller, dem Krösche allerdings auch gleich wieder eine Reihe von mildernden Umständen attestierte. "Es war nicht fair, dass er so schnell und harten Gegenwind bekommen hat."

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Markus Krösche sitzt bei der Pressekonferenz.
Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche Bild © hessenschau.de
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Schließlich musste der Coach eben nicht nur mit der Muhammad-Ali-Wucht des Klubs zurechtkommen, sondern auch mit etlichen Verletzungen auf Schlüsselpositionen, einem neuen Stil, dem Umbruch im Kader und dem späten Weggang von potenziellen Leistungsträgern. Auch hier wählte Krösche ein wohlüberlegtes Bild: "Die Saison war vergleichbar mit einer Expedition - und zwar nicht auf den Feldberg, sondern auf den Mount Everest." Allein: Die Verantwortlichen bei der Eintracht hatten selbst diesen Berg zu einem gewissen Teil aufgetürmt. Die Veränderung des Spielstils und Kaders waren schließlich keine über die Eintracht hereingebrochenen Naturereignisse, sondern vom Klub forciert - und eben weiter gewünscht.

Neuzugänge: Fokus aufs Zentrum

Wenn die Eintracht den nächsten Schritt gehen und die Top4 angreifen wolle, müsse sie mehr Spielkontrolle und mehr Lösungen mit dem Ball finden, sagte Krösche. "Das ist die schwerste Transformation, die es gibt." Immerhin soll der personelle Umbruch in diesem Sommer nicht mehr so krass ausfallen. Bei Neuzugängen hat die Eintracht einen "Fokus aufs Zentrum" (Nationalspieler Pascal Groß gilt als Wunschlösung), bei den Abgängen soll nur etwas passieren, "wenn der Preis stimmt". Erst am Montag wurden Meldungen publik, wonach Liverpool Interesse an Willian Pacho haben soll. "Wir müssen Transfererlöse erwirtschaften", gab Krösche unumwunden zu - ungeachtet der Millionen-Einnahmen der vergangenen Jahre.

In diesem Punkt wurde ihm häufig vorgeworfen, zu sehr auf junge Talente mit Marktwert-Steigerungspotenzial zu setzen, sprich: Die Eintracht zu einem Durchlauferhitzer verkommen zu lassen. Schon in den vergangenen Monaten hatte Krösche diesen Vorwurf energisch zurückgewiesen. "Wir haben nicht nur 18-Jährige geholt, wir setzen auf Qualität", sagte er am Montag mit Verweis auf Ellyes Skhiri, Mario Götze, Omar Marmoush oder Robin Koch.

Kritik an Trapp und Skhiri

Bei zweien der etablierten Akteure schlug der Vorstand aber bemerkenswert deutliche Töne an: "Ich erwarte schon, dass sie durch Leistung führen und dass sie sich steigern", erklärte Krösche im Hinblick auf Skhiri und Torwart Kevin Trapp. "Sie haben Luft nach oben." Zuletzt hatte ein Bild-Bericht nahegelegt, dass der Keeper nicht mehr unumstritten sei. Krösches Worte über den Europapokal-Helden von 2022 und sein Lob für den zweiten Mann Kaua Santos ließen in diesem Zusammenhang aufhorchen. Zu einem möglichen Konkurrenzkampf um die Nummer eins wollte er sich nicht konkret einlassen.

Relativ klar äußerte sich der Funktionär zu angedachten Leihgeschäften: Die Youngster Simon Simoni, Elias Baum und Nacho Ferri sollen bei anderen Klubs Spielpraxis sammeln. Gleiches gelte für Paxten Aaronson. Bei den zuletzt verliehenen Jessic Ngankam und Faride Alidou deutete Krösche eine "Veränderung" an. Die Jungspunde in den eigenen Reihen, der U21, bekommen nun einen Erfahrenen dazu: Makoto Hasebe wird Co-Trainer der Nachwuchsmannschaft in der Regionalliga.

Wie will die Eintracht wieder anzünden?

Das war es auch schon an Personalien - zumindest für diesen Tag. Der Sommer dürfte lange genug werden, das Transferfenster sei noch gar nicht geöffnet. Statt Neuigkeiten war dem 43-Jährigen eher an der Vermittlung des Eindrucks gelegen: Wir stehen zum Trainer und wir wissen, was zu tun ist! Krösche gab sich selbstkritisch und gutgelaunt, nahm sich selbst auf die Schippe, als er von "Entwicklung und Prozessen" sprach: "Ihr mögt es nicht, aber ihr werdet es weiter von mir hören."

Das klang alles nachvollziehbar, allerdings fehlte so ein bisschen der Punkt, den Vorstandssprecher Axel Hellmann jüngst nach dem Augsburg-Spiel in den Katakomben angemahnt hatte: Die Eintracht muss die Fans wieder anzünden. Mit teilweise lethargischen Auftritten hatte sie sich aus ihrem Wohnzimmer, den Pokal-Wettbewerben, verabschiedet. Neben all den spielerischen Mängeln in der abgelaufenen Saison war vor allem jener an Emotionen auf dem Rasen der schwerwiegendste. Wenn die Eintracht nicht schnell in den von Krösche vor Monaten ausgerufenen Heavy-Metal-Modus findet, könnte der Ton ungemütlich werden.

Europapokal als Beschwichtigung

Auch am Montag hatte Krösche grundsätzlich Recht mit den Verweisen auf die vielen Europapokal-Teilnahmen der vergangenen Jahre und dem Satz "Wir müssen wissen, woher wir kommen". Allerdings ist es nicht lange her, dass ein anderer Traditionsverein genau diese Verweise und Beschwichtigungen ausufernd genutzt und dabei an Biss und Punkten eingebüßt hatte: nämlich Borussia Mönchengladbach.

Quelle: hessenschau.de/ Ron Ulrich