Playmate und Rennfahrerin "Mir wurden immer wieder ungefragt Zimmerkarten zugesteckt"

Vanessa Neumann ist Rennfahrerin für das Frankfurter Team "Bremotion". Sie ist erst die zweite deutsche Frau überhaupt, die Nascar-Rennen fährt. Nebenbei zieht sie sich für den Playboy aus. Im Interview spricht sie über Sexismus, Adrenalin und Testosteron-Überschuss bei männlichen Kollegen.

Vanessa Neumann mit ihren in Valencia gewonnen Pokalen
Vanessa Neumann mit ihren in Valencia gewonnen Pokalen Bild © Sebastian Neumann

In den Sozialen Medien hat Vanessa Neumann hunderttausende Follower, auf der Rennstrecke ist die 35-Jährige noch weitestgehend unbekannt. Das könnte sich schnell ändern: Seit diesem Jahr ist Neumann, die zeitweise in Roßdorf (Darmstadt-Dieburg) lebt, Fahrerin für das Frankfurter Rennteam "Bremotion" in der Euro-Nascar-Serie. Mitte April trat "Happinessa", wie sich Neuman auf Instagram und Co. nennt, in Valencia mit ihrem Chevrolet Camaro bei ihren ersten beiden Nascar-Rennen an - und schrieb damit ein bisschen Renngeschichte.

Sie ist nach Ellen Lohr erst die zweite deutsche Fahrerin, die jemals an einem Nascar-Rennen teilgenommen hat - und ganz nebenbei auch das erste Playboy-Playmate weltweit, das es hinter das Steuer eines solchen Autos geschafft hat. Mit hessenschau.de spricht die Quereinsteigerin über ihren Weg in den Motorsport, ihre Erfahrungen mit Sexismus und toxischer Männlichkeit sowie die Faszination der Nascar-Serie.

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Das Gespräch führte Julian Moering.

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hessenschau.de: Mit der Teilnahme an den beiden Rennen in Valencia haben Sie ein bisschen Renngeschichte geschrieben. Sie sind erst die zweite deutsche Frau, die jemals ein Nascar-Rennen gefahren ist und die einzige im aktuellen Feld. Macht Sie das stolz?

Vanessa Neumann: Ja, da bin ich schon ein bisschen stolz. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Frau so etwas schafft.

hessenschau.de: Nehmen Sie uns doch einmal mit auf die Strecke. Wie hat es sich angefühlt?

Neumann: Es war unglaublich aufregend, ich hatte aber auch großen Respekt. Ich dachte nur: Oh Gott, ich will einfach nur überleben. Als ich dann am Start das Gas durchgedrückt habe, war das ein unfassbarer Adrenalinschub. Und abgesehen von zwei Drehern hat es auch sehr gut geklappt. Ich bin die schnellste Runde unter den Frauen gefahren und habe in der Frauen-Wertung den zweiten Platz geholt.

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hessenschau.de: Als einzige deutsche Nascar-Fahrerin schlüpfen Sie auch in eine Vorbildrolle für andere Frauen und Mädchen. Ist Ihnen das bewusst?

Neumann: Ja, und diese Rolle fülle ich gerne aus. Der Motorsport ist ein krass männerdominierter Sport, wir Frauen sind dort extrem unterrepräsentiert. Ich hoffe, dass ich durch meine Erfolge Frauen motivieren kann, es auch zu versuchen. Habt Mut und setzt euch durch!

hessenschau.de: Sie haben es geschafft und sich durchgesetzt. Sie sitzen jetzt in einem Nascar-Cockpit. Das war als Frau sicher nicht einfach. Wie haben Sie die Zeit im Motorsport erlebt?

Neumann: Das war tatsächlich nicht leicht. Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen: Da sitzen 100 Männer in einem Hasenkäfig und plötzlich kommt da eine Frau rein. Da ist die Aufregung groß im Käfig.

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Frankfurter Rennteam "Bremotion"

Das Frankfurter Rennteam "Bremotion" wurde 2014 vom Weiterstädter Patrick Brenndörfer gegründet. Zunächst war das Team in verschiedenen Rennserien aktiv, wie etwa der ADAC GT4 Germany oder der DTM Trophy. Seit 2023 setzt Bremotion auf Nascar. Neben Vanessa Neumann starten in der laufenden Saison drei weitere Fahrer für das Team. Als Ziel hat Teamchef Brenndörfer Podiumsplätze ausgegeben. "Wir wollen auch Siege einfahren", sagt er.

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hessenschau.de: Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Neumann: Gerade in meinen Anfängen noch vor Corona war es ziemlich heftig. Es gab viele sexistische Sprüche.

hessenschau.de: Auch Übergriffe?

Neumann: Das nicht. Aber man spürt die Blicke. Es gab zudem jede Menge unmissverständliche Anfragen, mir wurden auch immer wieder ungefragt Zimmerkarten zugesteckt. Ich bin aber nie darauf eingegangen.   

hessenschau.de: Wie sind Sie damit umgegangen?

Neumann: Ich habe mir über die Jahre ein dickes Fell zugelegt. Aussagen und Blicke prallen mittlerweile an mir ab. Dass ich jetzt ein eigenes Cockpit habe, verschafft mir eine gewisse Anerkennung und gibt mir Selbstbewusstsein.

hessenschau.de: Hat Ihnen denn Ihr Geschlecht und ihr Aussehen auf der anderen Seite nicht auch viele Türen geöffnet?

Neumann: Das mag sein. Dass ich eine Frau bin und mich für auch noch für den Playboy ausgezogen habe, ist sicher mit ein Grund dafür, dass ich in diesem Cockpit sitze. An der Strecke bin ich der Blickfang und bekomme viel Aufmerksamkeit. Aber hinter den offenen Türen war es nicht immer schön.

hessenschau.de: Inwiefern?

Neumann: Als Frau wirst du erst einmal nicht ernst genommen, viele Männer betrachten dich mehr als Objekt denn als Person. Rennfahrer, Firmen oder potenzielle Sponsoren gehen ganz selbstverständlich davon aus, sie könnten mehr von dir bekommen. Eine Frau mit gutem Aussehen hat bestimmt gewisse Vorteile, aber sie wird auch deutlich weniger ernst genommen. In meinem jetzigen Team fühle ich mich aber pudelwohl, es ist wie eine kleine Familie.

hessenschau.de: Wieso sind Sie dem Rennsport nach solchen Erfahrungen treu geblieben?

Neumann: Weil es meine Leidenschaft ist und ich schon immer meinen Weg gegangen bin. Das lasse ich mir nicht nehmen. Ich komme aus einem Dorf mit 600 Einwohnern und bin jetzt Rennfahrerin und Playmate. Ich habe Dinge ausprobiert, ohne mich ständig zu fragen, was passieren kann oder was andere denken.

hessenschau.de: Können Sie jungen Mädchen überhaupt noch raten, es selbst zu versuchen?

Neumann: Ja, denn wenn wir es nicht versuchen, erreichen wir auch nicht unsere Ziele. Ich hoffe, dass ich da ein bisschen Vorbild sein kann. Aber Frauen haben es ja nicht nur im Motorsport schwer, das gilt für fast alle Bereiche. Im Motorsport ist es aber schon extrem. Ich würde mir wünschen, dass die Männer ihren Testosteronspiegel hin und wieder mal ein bisschen senken. Aber das erlebe ich leider nicht so.

hessenschau.de: Sie sind aktuell Playmate des Monats Mai im Playboy und sind auch auf dem Erotik-Netzwerk Onlyfans vertreten. Wie fallen denn die Reaktionen darauf aus?

Neumann: Die meisten Reaktionen sind sehr positiv, aber ich bekomme auch Hass ab. Vor allem Frauen können nicht verstehen, was ich mache. Das finde ich sehr schade, denn ich bin sehr stolz auf mich, auf mein Leben und auch auf meinen Körper. Ich mache das, worauf ich Lust habe, ohne, dass mir da jemand reinredet. Ich gehe gerne in allen Lebensbereichen ans Limit.  

hessenschau.de: Wie sind Sie eigentlich zum Motorsport gekommen?

Neumann: Ich bin Quereinsteigerin. Ich hatte einen ganz normalen Job im öffentlichen Dienst und bin dann etwa vor acht Jahren über meine Aktivitäten in Social Media zum Rennsport gekommen. Erst als Influencerin an verschiedenen Rennstrecken, dann habe ich meine ersten Runden gedreht und wurde entdeckt.

hessenschau.de: Was fasziniert Sie so an diesem Sport?

Neumann: Ich liebe Adrenalin, ich liebe den Speed und den Nervenkitzel. Wenn ich im Auto bin, dann bin da nur ich. Natürlich fahre ich in Rennen gegen andere, aber eigentlich ist der Rennsport eine Challenge gegen mich selbst. Ich will jede Runde besser werden.

hessenschau.de: Nascar ist in Deutschland noch sehr unbekannt. Was ist das genau?

Neumann: Nascar kommt ursprünglich aus Amerika, dort ist die Rennserie sogar größer als die Formel 1. In den USA wird hauptsächlich auf Oval-Strecken gefahren, hier in Europa sind wir dagegen zum Großteil auf klassischen Rennstrecken unterwegs.

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Was ist Nascar?

Nascar ist ein US-amerikanischer Motorsportverband, der sogenannte Stockcar-Rennen veranstaltet. "Stockcar" heißt ins Deutsche übersetzt "Serienfahrzeug". Ursprünglich durften in den Nascar-Serien nur modifizierte Großserienfahrzeuge eingesetzt werden. Mittlerweile kommen stärker modifizierte Rennwagen zum Einsatz, die Serienfahrzeugen stark ähneln. Die Technik ist bei allen Wagen gleich: Sie werden von einem 5,7 Liter großen V8-Motor angetrieben, die sonstige technische Ausstattung spiegelt in etwa den Stand der frühen 70er-Jahre in den USA wider. In den USA wird auf Oval-Strecken gefahren. Vanessa Neumann startet in der internationalen Nascar Euro Series, dort finden die Rennen meist auf klassischen Rennstrecken statt.

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hessenschau.de: Und was macht Nascar aus im Vergleich zu anderen Rennserien?

Neumann: Nascar ist noch Rennsport in seiner ursprünglichen Form. Die Autos sind laut, wir haben keine elektrischen Fahrhilfen, kein ABS. Geschaltet wird noch mit einem Schaltknauf. Da die Autos sehr einfach gehalten sind, kommt es vor allem auf das fahrerische Können an. Das gefällt mir gut. Auch das Drumherum ist viel lockerer als etwa bei der Formel 1 oder der DTM. Bei uns braucht man kein teures VIP-Ticket, sondern du kommst ganz easy an uns Fahrer ran, die Autos sind wirklich zum Anfassen.

hessenschau.de: Gibt es denn auch eine Gelegenheit für deutsche Rennfans, Sie einmal in Aktion zu erleben?

Neumann: Am 20. und 21. September haben wir unser Heimspiel in Oschersleben, da gibt's sicher auch Gelegenheiten für persönliche Begegnungen. Von Frankfurt aus ist auch Venray in den Niederlanden nur etwas mehr als drei Autostunden entfernt. Da fahren wir schon am 28. und 29. Juni. Das ist auch der einzige echte Ovalkurs in dieser Saison.

hessenschau.de: Aktuell fahren nur drei Frauen in der europäischen Nascar-Serie, sie treten also hauptsächlich gegen Männer an. Macht es das schwieriger für Sie?

Neumann: Wir Frauen haben schon einen kleinen Nachteil. Da es wie gesagt keine elektronischen Hilfen gibt, ist es körperlich sehr anstrengend, ein Nascar-Auto zu fahren. Schon alleine das Schalten braucht sehr viel Kraft. Da haben wir Frauen es natürlich schwerer. Deshalb gibt es für uns dann auch eine extra Wertung.

hessenschau.de: Was sind Ihre Ziele für diese Saison?

Neumann: Es ist meine erste Saison im Nascar-Auto, da will ich einfach so gut fahren wie möglich. Ein Top-Ten-Platz wäre ein Traum, und ich will die beste Frau im Feld sein. Abseits der Strecke hoffe ich aber auf einen Titel: Ich möchte Playmate des Jahres werden. Das wäre eine große Sache.

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de