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Wie unbesetzte Stellwerke den Bahnverkehr ausbremsen

Ein Mann mit Bart und einer Mütze sitzt in einem grauen Shirt an einem Tisch vor einer Wand mit vielen blinkenden Lämpchen

Die Bahn fällt wegen eines unbesetzten Stellwerks aus. Den Satz kennen viele Hessinnen und Hessen aus Durchsagen am Bahnsteig. Aber warum fehlt in Stellwerken so oft Personal? Und warum sind sie so wichtig für den Bahnverkehr?

Eine graue Wand, daran verschiedene bunte Linien, blinkende Lämpchen und Knöpfe. So stellt man sich die Kommandozentrale in einem Raumschiff vor, es ist aber ein Stellwerk der Deutschen Bahn. Vor der Wand sitzt Andrea Comandatore.

Seinem Namen macht er alle Ehre – er ist im Stellwerk Frankfurt-Höchst Chef über Schienen und Weichen: "Man hat sehr viel Verantwortung. Es macht schon Spaß, wenn man weiß, dass man etwas kann, was andere nicht können."

Zugverkehrssteuerer – so nennt sich Andrea Comandatores Job im Stellwerk offiziell. Der 29-Jährige gibt den Zügen vor, wann sie auf welche Strecke oder in den Bahnhof dürfen. Immer wenn ein Zug in der Anfahrt ist, bimmelt oder piept es laut: "Das höre ich fast gar nicht mehr, das bin ich gewohnt". 

"Dann fahren keine Züge"

Ein Mann mit Halbglatze steht mit den Armen hinter dem Rücken vor einer Stellwand im Stellwerk

Wie wichtig ausgebildete Zugverkehrssteuerer sind, ist auch Andrea Comandatores Chef, Stellwerksleiter Severin Disput, bewusst: "Wenn wirklich keiner da ist, um das Stellwerk zu besetzen – dann fahren keine Züge."

Das ist in Hessen in letzter Zeit immer häufiger der Fall. So wie zum Beispiel zwischen Gießen und Limburg, wo die Lahntalbahn momentan ab 13 Uhr nicht mehr fährt, weil in den Stellwerken Personal fehlt. 

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Stellwerke in Hessen

In einem Stellwerk werden Steuerbefehle für Weichen, Signale und Bahnübergänge gegeben. Dort wird beispielsweise sichergestellt, dass ein Zug nur dann in einen Abschnitt oder einen Bahnhof einfahren kann, wenn sich dort kein anderes Fahrzeug befindet. In Hessen gibt es 442 Stellwerke.

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Unbekannter Job 

Fachkräftemangel herrscht also auch in den Stellwerken der Deutschen Bahn. Wie viele Zugverkehrsteuerinnen und -steuerer fehlen, sagt die Bahn nicht. Klar ist aber: Der demografische Wandel macht auch vor der Bahn nicht Halt, es gehen mehr Mitarbeitende in Rente, als aus der Ausbildung nachkommen. Der Schichtdienst schreckt ab, denn die meisten Stellwerke müssen rund um die Uhr besetzt sein.  

Und der Job sei unter potenziellen Auszubildenden zu unbekannt, sagt Severin Disput: "Jemand mit dem Berufsbild 'Eisenbahn' im Kopf denkt viel häufiger an Jobs wie Lokführer oder Zugbegleiter. Zugverkehrssteuerer haben die Wenigsten auf dem Schirm."

Jedes Stellwerk ein Unikat 

Ein grüner Güterzug rollt an einem grauen Gebäude vorbei

Der Fachkräftemangel ist eine Erklärung für Zugausfälle wegen unbesetzter Stellwerke. Dazu kommt die Tatsache, dass es auch bei kurzfristigen Ausfällen schwierig ist, Ersatzpersonal zu finden.  

Wenn zum Beispiel Andrea Comandatore krank ausfällt, kann meist nicht einfach ein Kollege oder eine Kollegin aus einem anderen Stellwerk übernehmen: "Jedes Stellwerk ist ein Unikat. Die technische Ausbildung allein reicht nicht, man muss sich in die örtlichen Besonderheiten einarbeiten. Das kann ein paar Wochen dauern", erklärt Disput. 

Die Personalpolitik der Deutschen Bahn 

Klaus Zecher vom Fahrgastverband ProBahn meint aber, dass es auch an der Personalpolitik der Deutschen Bahn liegt: "Der Personalmangel in den hessischen Stellwerken liegt daran, dass über Jahre zu wenig Zugverkehrssteuerer ausgebildet wurden."

Die Deutsche Bahn habe jahrelang die Anzahl der Auszubildenden reduziert, da sie auf weniger und zentrale Stellwerke setzen wollte. Als der Plan wieder verworfen wurde, fehlte der Nachwuchs.  

Die Deutsche Bahn sagt dazu in einem schriftlichen Statement: "Die Mehrzahl der Stellwerke ist in Hessen nach wie vor so besetzt, dass wir den Fahrgästen ein stabiles Angebot machen können. Allerdings machen sich auch bei der DB trotz erfolgreicher Personalgewinnung und Attraktivität als Arbeitgeberin die derzeitigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt bemerkbar." 

Ein Job mit Aussicht?

Umso wichtiger sind die rund 1.300 hessischen Zugverkehrssteuerinnen und Steuerer – wie Andrea Comandatore. Das weiß er auch selbst: "Wenn jemand im Einzelhandel mal ausfällt, ist das nicht so schlimm. Wenn im Stellwerk jemand ausfällt, sind direkt mehrere hundert Leute betroffen, weil die Züge ausfallen." 

Durch eine Fensterscheibe kann man Gleise sehen

Im Stellwerk Frankfurt-Höchst schaut der 29-Jährige aus dem Fenster und sieht den Zug vorbeifahren, dem er eben grünes Licht gegeben hat. Ein Job, bei dem man direkt das Ergebnis sieht, wenn alles nach Plan läuft. Aber eben auch ein Job, bei dem sehr viele Menschen merken, wenn Personal fehlt.

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