Zum Auftakt der Saison suchen Gastronomen Servicekräfte.

Spätestens zu Ostern beginnt für Hessens Ausflugslokale die Außensaison. Viele Gastronomen suchen händeringend nach Personal. Besonders problematisch ist die Lage auf dem Land. Einige haben schon die Reißleine gezogen.

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Land-Gastronomie kämpft ums Überleben

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Wehmütig geht Andrea von Schumann-Ebert durch Schankraum und Küche ihres Gasthauses "Zum Söhrewald". Vierzig Jahre lang war die Dorfgaststätte in Söhrewald-Wattenbach (Kassel) ihr Lebensmittelpunkt. Doch nun ist Schluss. Seit dem 1. Januar ist der Gastro-Betrieb, den sie in dritter Generation führte, Geschichte. 

Gasthof lief eigentlich gut 

"Als ich die Gaststätte am 31. Dezember zugeschlossen habe, war mir schon sehr schwer ums Herz", erinnert sie sich. "Denn da ist auch ein Lebenswerk von mir zu Ende gegangen."

Corona, Energiekrise, Inflation - all das hat Andrea von Schumann-Ebert erfolgreich überstanden. Dank der Mithilfe ihrer 85-jährigen Mutter und des Neffen. Finanziell habe die Gaststätte bis zuletzt auf sicherem Fundament gestanden, sagt die 60-Jährige. "Der Laden hat nicht geschlossen, weil er nicht gelaufen ist. Der Laden hat geschlossen, weil wir kein passendes Personal gefunden haben."  

Verschärfte Lage auf dem Land 

Ob Koch, Küchenhelfer oder Servicekräfte - besonders in Orten wie Wattenbach, die weitab von Städten liegen, ist es für Gastronomen sehr schwierig geworden, Fachkräfte zu bekommen. Die Personalmisere trifft die ganze Gastro-Branche. Und das schon länger.

In der Pandemie lag die Gastronomie brach, viele Beschäftigte wanderten in andere Branchen ab – auch studentische Aushilfen. So jobbten vor der Pandemie 33 Prozent der Studierenden in der Gastronomie, 2020 waren es laut Hotel- und Gastronomieverband Dehoga Hessen nur noch 8 Prozent. 

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Rund 190.000 Beschäftigte in Hessen

Die Dehoga Hessen geht derzeit von etwa 190.000 Beschäftigten im Gastgewerbe aus. Dieses umfasst Hotelerie und Gastronomie. Vor Corona waren es noch mehr als 200.000.

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Früher sei Kellnern ein sehr beliebter Nebenjob gewesen, heute seien viele andere Jobs, zum Beispiel im Liefersektor attraktiver, erklärt Oliver Kasties, Hauptgeschäftsführer der Dehoga Hessen. "Jetzt ist es natürlich eine besondere Herausforderung, sich als möglichst attraktiver Arbeitgeber aufzustellen. Und da gilt es eben, sich beispielsweise im Internet gut zu präsentieren, aber auch einen guten Umgangston mit den Mitarbeitern zu pflegen."

Flexible Arbeitszeiten kommen gut an

Das sieht auch Andreas Jahn aus Poppenhausen in der Rhön so. Er kennt die Personalmisere. Jahn ist Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Fulda und betreibt unweit der Wasserkuppe seinen Landgasthof "Zum Stern". Zum Glück, sagt er, habe er mittlerweile einen Mitarbeiterstamm, mit dem er mittelfristig gut planen könne. Dafür ist er auf seine Beschäftigten mit besonderen Angeboten aktiv zugegangen. 

Jahn ist in einem Gastro-Betrieb aufgewachsen und engagiert sich dafür, wieder mehr junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Auch er sagt: "Die Branche muss verstehen, dass wir mehr auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen müssen." Vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben der Mitarbeitenden stand für den Landgastronomen dabei im Fokus.

Andreas Jahn und seine Frau

Andreas Jahn entschloss sich deshalb, seinen Betrieb gegen den Trend sieben Tage die Woche zu öffnen. So können seine Mitarbeiter ihre Arbeitswoche in Absprache flexibel und für sie attraktiver gestalten. Das ist gut angekommen. “Den größten Effekt hatte ich dadurch, dass unsere Mitarbeiter dann im Freundeskreis junge Menschen geworben haben. So konnten wir beispielsweise auch Auszubildende gewinnen für unser Haus."

Hemmschuh Bürokratie 

Der Personalmangel ist indes nicht das einzige Problem, das die Branche zu schultern hat. Und es scheint auch nicht das größte zu sein. Bei einer nichtrepräsentativen Mitglieder-Umfrage der Dehoga gaben die befragten hessischen Gastronomiebetriebe besonders die steigenden Energie- und Lebensmittelkosten als sehr belastend an.

Am meisten Sorgen macht der Branche aber die immer weiter zunehmende Bürokratie: "Wir haben ganz viele EU- und auch Bundesvorgaben. Etwa die Mehrweg-Angebotspflicht oder die Trinkwasserverordnung – und nicht zuletzt diverse Aufzeichnungsverpflichtungen, die die Gastronomen viel Zeit kosten", sagt Verbandssprecher Kasties.

Landgasthaus als sozialer Dorfmittelpunkt 

Ein Umstand, den auch Andreas Jahn kritisiert: "Ein Beispiel ist das Thema Kühlung. Ich muss laut Verordnung mehrmals täglich die Temperatur meiner Kühlschränke protokollieren. Das macht für mich keinen Sinn." Er habe ohnehin permanent einen Blick auf die Kühlung seiner Lebensmittel, so Jahn. "Das ist mein ureigenstes Interesse, weil mich verdorbene Ware viel Geld kosten würde."

Trotz allem sieht Andreas Jahn für sich und die Landgastronomie positiv in die Zukunft. "Wir sind ja nicht nur Anbieter von Speisen und Getränken, sondern auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt. Wir sind Orte, mit denen viele Familien ihr Leben verbringen, Taufen, Geburtstage oder Hochzeiten feiern." 

Die Stammgäste von Andrea von Schumann-Ebert in Söhrenwald müssen seit Neujahr nun ohne ihren Treffpunkt auskommen. Einige von ihnen können es immer noch nicht ganz glauben, dass der Gasthof "Zum Söhrewald" für immer geschlossen bleibt. "Als ich Silvester hier zum letzten Mal rausgegangen bin", erzählt etwa die Wattenbacherin Elisabeth Wegener, "habe ich erst mal hemmungslos geweint. Und das könnte ich heute immer noch."  

Lichtblick: Ausbildung in der Gastronomie wird wieder beliebter 

Doch es gibt auch Tendenzen, die Mut machen: Laut Bericht des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat die Ausbildung in der Gastronomie im Jahr 2023 Fahrt aufgenommen und einen Riesensprung im Ranking der beliebtesten Ausbildungsberufe gemacht. Die Zahl der Ausbildungsverträge hat sich fast verdoppelt. 

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