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Fahrlehrermangel bleibt ein Problem in Hessen

Ein Fahrschüler sitzt mit seinem Fahrlehrer im Auto, die beiden unterhalten sich.

An vielen Orten in Hessen fehlen Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer. Weil die Ausbildung hohe Hürden hat, werben einige Fahrschulen mit besonderen Extras um den Nachwuchs.

Ingo Kirsch tut in seiner Fahrschule in Frankfurt regelmäßig etwas, das ihn als Unternehmer besonders schmerzt: "Wir müssen Fahrschüler wegschicken, die wir eigentlich bedienen könnten, wenn wir genug Personal hätten." Kirsch fehlen Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer. 16 davon arbeiten an drei Standorten in der Stadt für ihn. Doch es sollten eigentlich noch mehr sein. "Wir hätten noch Kapazität für mindestens vier Fahrlehrer mehr", sagt der Fahrschul-Chef.

Ähnlich geht es Steffen Baumgart, Inhaber einer Fahrschule in Büdingen (Wetterau). Vier seiner acht Fahrlehrer wären eigentlich schon in Rente, helfen aber noch aus. Als er zuletzt neues Personal suchte, musste Baumgart alle Register ziehen: "Natürlich habe ich mehr Urlaubstage geboten, die Fahrzeugbenutzung ab dem ersten Tag, ein Bonussystem bei bestandenen Prüfungen". Aber: "Das hat nicht gut funktioniert", klagt er. Fast alle Fahrlehrerinnen und -lehrer seien beschäftigt und so gut bezahlt, dass sie nicht wechseln wollten.

"Goldene Zeiten" für Fahrlehrer

"Wer sich jetzt für den Beruf Fahrlehrer entscheidet, für den sind goldene Zeiten angebrochen", findet auch Ingo Kirsch. Zum verhandelbaren Grundgehalt, das zuletzt in Hessen laut Bundesagentur für Arbeit bei einem mittleren Monatseinkommen von 3.200 Euro lag, kämen zahlreiche individuelle Extras. Bei Kirsch bekommt jeder Fahrlehrer sein eigenes Fahrschulauto - auch zur privaten Nutzung. "Wo sonst bekommen Sie direkt einen Firmenwagen, wenn Sie mit der Ausbildung fertig sind?"

Außerdem zahlt Kirschs Fahrschule rund 1.000 Euro als Prämie an diejenigen, die Nachwuchs für die Fahrlehrer-Ausbildung anwerben. "Wenn der die Prüfung schafft und dann eine bestimmte Zeit für uns gearbeitet hat, zahlen wir demjenigen, der das vermittelt hat, eine Prämie - als Dankeschön." So habe man schon den einen oder anderen neuen Fahrlehrer gewonnen, sagt Kirsch. "Aber es ist immer noch viel zu wenig."

Höhere Hürden als in anderen Berufen

Das Problem: Die Ausbildung zur Fahrlehrerin oder zum Fahrlehrer hat deutlich höhere Hürden als andere Berufe. Das Mindestalter liegt bei 21 Jahren, und anstatt eine bezahlte Ausbildung im Betrieb zu machen, lernen die Nachwuchskräfte an einer kostenpflichtigen Privatschule acht Monate lang den Beruf. Die Gebühren dafür liegen bei rund 15.000 Euro.

"Das ist einfach für junge Leute nicht bezahlbar", findet Ingo Kirsch. Manchmal zahle das Jobcenter einen Zuschuss zu den Kursgebühren. "In der Regel ist das aber nicht der Fall".

Nur Realschulabschluss reicht nicht

Ein weiteres Problem: Angehende Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer können ihre Ausbildung nicht mit einem Realschulabschluss beginnen. Sie brauchen entweder eine bereits abgeschlossene erste Berufsausbildung oder das Abitur. "Das ist völlig absurd", ärgert sich Ingo Kirsch. "Für was braucht man eine abgeschlossene Berufsausbildung, wenn man letztlich in einem ganz anderen Beruf arbeitet?"

Auch Bernd Brenner hält das für ungerecht. Er ist Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fahrlehrerausbildungsstätten - also der Schulen, die angehende Fahrlehrerinnen und -lehrer ausbilden. "Da draußen gibt es ein Potential an Menschen, die für diesen Beruf geeignet sind", erklärt Brenner. "Trotzdem scheitert es, weil sie irgendwann ihre Berufsausbildung abgebrochen haben oder nach dem Realschulabschluss direkt ins Berufsleben eingestiegen sind, weil sie Geld gebraucht haben."

Brenner plädiert dafür, Quereinsteiger auch über einen Eignungstest in den Beruf hineinzulassen. "Für mich ist so ein Test aussagekräftiger als ein Schulzeugnis, weil er zeigt: Hat der Bewerber die Skills, die ich brauche?"

Durchschnittsalter fast 53 Jahre

Der Nachwuchsmangel in den Fahrschulen lässt sich leicht durch Statistiken belegen. 2020 lag das Durchschnittsalter der hessischen Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer bei 52,7 Jahren. Fast die Hälfte von ihnen war älter als 56 Jahre.

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Fahrlehrerverband sieht positiven Trend

Der Fahrlehrerverband Hessen kennt das Problem, beobachtet allerdings auch einen positiven Trend: "Seit 2019 nimmt die Zahl der Fahrlehrer in Hessen jedes Jahr zu", berichtet der Verbandsvorsitzende Frank Dreier. Vorher habe es jahrelang einen Rückgang gegeben.

Für den Anstieg mitverantwortlich sieht Dreier die Reform des Fahrlehrergesetzes im Jahr 2018. Damals habe man versucht, die Hürden für den Berufseinstieg etwas abzubauen: "Früher musste man als Voraussetzung auch die Führerscheinklassen A und C haben", erklärt Dreier - also für Motorrad und Lkw. "Das ist jetzt weggefallen".

Geringer Frauenanteil

Die Gesetzesreform habe auch dazu beigetragen, den Frauenanteil etwas zu erhöhen - auch wenn er 2020 immer noch nur 12,4 Prozent betrug, erklärt Verbandschef Dreier. "Wir wünschen uns alle viel mehr Frauen vorne rechts in den Fahrschulautos." Gezielte Werbeaktionen, um mehr Frauen für den Beruf zu gewinnen, hält Dreier aber nicht für sinnvoll. "Allgemein muss das Bild sein, dass der Fahrlehrerberuf sehr attraktiv ist - für Mann und Frau."

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Fahrschulinhaber Steffen Baumgart findet, dank der Gesetzesreform habe sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt etwas entspannt. Er ist allerdings dagegen, den Berufseinstieg noch stärker zu vereinfachen: "Die Hürden sind schon auf einem Minimum angekommen. Etwas Niveau sollte ja noch bleiben."

Reife und Erfahrung nötig

Das vergleichsweise hohe Einstiegsalter von 21 Jahren für den Beruf hält auch Verbandschef Dreier für notwendig. Schließlich seien Fahrlehrerinnen und -lehrer dafür verantwortlich, jungen Menschen Verkehrssicherheit beizubringen. "Dafür braucht es eine gewisse Erfahrung als Autofahrer, aber auch eine gewisse Reife", so Dreier. "Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass man schon als 16-Jähriger in die Ausbildung einsteigt."

Trotz aller Hürden findet der Verbandschef seinen Beruf besonders attraktiv: "Wir haben eine freie Zeiteinteilung statt eines festen Arbeitszeitkorsetts". Außerdem sei die Arbeit mit jungen Menschen sehr dankbar, betont Dreier. "Es ist schön, wenn Fahrschüler den Führerschein bestehen: Dann haben wir gemeinsam etwas Positives erreicht."