Die Berufsschüler Bennet und Marco - beide 20 Jahre alt - Bennet mit schwarzer Brille, Marco mit Bart, beide lächelnd, mit Umrandung - im Hintergrund ein Raum der Berufsschule

Mehr als jeder vierte Auszubildende bricht seine Ausbildung ab. Im Handwerk ist die Zahl der Abbrüche besonders hoch. Einer der Gründe ist die schlechte Ausbildungsqualität. Es fehlt an gut qualifizierten Lehrern und technischer Ausstattung. Besuch in einer Berufsschule in Kassel.

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Ausstattung, Qualität der Lehre - die Baustellen an Berufsschulen

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An Schultagen fährt Azubi Bennet Ratschke mit dem Auto 45 Minuten zur Berufsschule in Kassel. Mit den Öffentlichen wäre er über eine Stunde unterwegs. "Es wäre besser, wenn die Schule hier im Umkreis wäre und ich einen kürzeren Fahrtweg hätte. Aber die drei Jahre, die die Ausbildung geht, muss ich da halt durch", erzählt er. Ratschke ist im dritten Lehrjahr zum Anlagenmechaniker an der Oskar-von-Miller-Berufsschule in Kassel.

Den weiten Anfahrtsweg kann der 20-Jährige verkraften, aber was ihn und seinen Mitschüler Marco Gawlita wirklich stört, sind die Bedingungen in der Schule - im Besonderen die oft schlechte fachliche Qualität mancher Lehrerinnen und Lehrer.

Portrait eines jungen Mannes, der in einem Werkraum steht und in die Kamera lächelt.

"Die haben das halt nur studiert und nicht wirklich eine Ahnung davon, um was es hier geht, sprich um das Lernfeld. Das ist sehr schade", beklagt Gawlita. Und Bennet Ratschke ergänzt: "Wenn du die Lehrer was fragst, kommt die Antwort: 'Kannst du ja ins Buch gucken oder google doch mal nach im Handy.'"

Azubis bemängeln die fachliche Qualität

Diese Wahrnehmung bestätigen auch die Zahlen des Ausbildungsreports des Deutschen Gewerkschaftsbundes von 2023. Nur etwas mehr als die Hälfte der Auszubildenden (53,7 Prozent) findet, dass die fachliche Qualität des Berufsschulunterrichts "sehr gut" oder "gut" ist.

Das ist "ein historischer Tiefstwert in der Geschichte des Ausbildungsreports", sagt DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker über die Statistik, die seit 2006 erhoben wird.

"Ohne das starke Engagement der Berufsschullehrer und -lehrerinnen würde es hier noch schlechter aussehen", meint er.  

Personalmangel verhindert Lehrer-Fortbildung

Einer dieser engagierten Lehrer ist Daniel Wieditz, der seit 2015 an der Otto-von-Miller-Schule lehrt. Er hat selbst lange als Meister in Anlagentechnik Gasthermen oder Kaminöfen eingebaut und ist als Quereinsteiger mit Staatsexamen an die Schule gekommen. Er bestätigt, was seine Schüler sagen: "Wir brauchen noch mehr fachpraktische Leute, die wirklich wissen, von was sie reden und was sie tun."

Portrait eines Mannes, der in einem Werkraum steht und spricht.

Wieditz brennt für seinen Job und er würde sich auch sehr gerne weiterbilden, denn gerade bei den Klimaberufen sei die technologische Entwicklung rasant: "Man muss sich ständig neu informieren, ständig fortbilden, Messen besuchen und immer wieder Kooperationen knüpfen zu Herstellern. Und es braucht einfach auch Lehrkräfte und Bildungsträger, die bereit sind, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen."

Aber ihm und anderen Lehrern fehle die Zeit für Fortbildungen. Wegen Personalmangels könne der Ausfall während seiner Abwesenheit an der Schule nicht kompensiert werden.

Der neue Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) will dieses Problem angehen: "Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung hat für uns eine ganz große Bedeutung. Und gerade an beruflichen Schulen ist das ein großes Thema mit den Fachlehrern." Fächer mit besonderen Herausforderungen gebe es "bei den Metallern und bei der Elektrotechnik".  

Technische Ausstattung oft schlecht

Für das Lehrpersonal und deren fachliche Qualität ist das Bildungsministerium zuständig, für die Ausstattung und die Gebäude der 104 Berufsschulen in Hessen wiederum die Städte und Kreise. Genau hier hapert es aber bei der Umsetzung: Die technische Ausstattung ist oft ein weiteres Problem an den Berufsschulen.

Laut Ausbildungsreport des DGB bewerten 39 Prozent der Schülerinnen und Schüler die digitale Ausstattung der Berufsschulen mit ausreichend und knapp 18 Prozent empfinden sie als mangelhaft.

Die Oskar-von-Miller-Schule ist allerdings recht gut ausgestattet. Aber nur, weil die Industrie unterstütze, indem sie der Schule Gasthermen, Wärmepumpen oder Entsalzungsanlagen zur Verfügung stelle. "Aus dem Schulbudget allein könnte das nicht bezahlt werden", sagt der Schulleiter der Oskar-von-Miller-Schule, Günter Schwarz.

Teure Geräte - kein Support

Doch digitale Geräte alleine, lösten das Problem nur zum Teil. Die Stadt Kassel als Schulträger habe keine Zeit für technischen Support, so Schulleiter Schwarz. Die Folge: Die teure Technik liegt im Schrank und die Azubis greifen auf ihre eigenen Geräte zurück.

Portrait eines jungen Mannes, der in einem Werkraum steht und in die Kamera lächelt.

Azubi Bennet Ratschke wünscht sich deshalb, dass sich etwas verändert. "So wie es ist, kann es nicht bleiben." Man brauche auch ein bisschen Ansporn, eine Ausbildung im Handwerk zu machen.

Für die Abbruchquote von 29 Prozent in der dualen Berufsausbildung in Hessen gibt es verschiedene Gründe. Die Ausstattung der Schulen und die fachliche Qualität des Unterrichts gehören dazu, ebenso wie mangelnde Berufsorientierung und Ausbildungsqualität, aber auch Ausbildungswechsel spielen eine Rolle.

Bildungsminister will duale Ausbildung stärken

Minister Schwarz betont, er wolle die duale Ausbildung in allen hessischen Regionen stärken, trotz rückläufiger Schülerzahlen. Dazu gehöre auch, alle 104 Berufsschulen in Hessen zu erhalten. Hessen sei das einzige Bundesland, das im Berufsschulwesen so kleine Klassen vorhalte.

"Wir haben die Klassenteiler bereits im Jahr 2021 von 15 gesenkt, im ersten Ausbildungsjahr auf zwölf, im zweiten auf neun, im dritten auf acht und im vierten auf fünf Schüler." Um das in der Schule umsetzen zu können, wurden 100 zusätzliche Stellen für Lehrkräfte geschaffen.

Technologische Entwicklung überholt Lehrplan

Um Schüler wie Bennet Ratschke und Marco Gawlita bestmöglich auszubilden, müssten Schulen aber auch auf dem neuesten Stand sein, betonen Lehrer und Experten. Gerade im Bereich der Klimaberufe sei die technologische Entwicklung rasant und die Schulen müssten hier mithalten.

"Wollen wir die Fachkräfte von morgen gewinnen, müssen wir sie bereits heute zeitgemäß und mit modernsten Lernmethoden ausbilden - sonst wird das nichts mit dem Wandel unserer Arbeitswelt", sagt auch DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker.

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