Rund 21.000 Betroffene Der Weg aus der Kinderarmut wird für Frankfurt kein leichter sein
Die Stadt Frankfurt lädt zur ersten Armutskonferenz. Besonderes Augenmerk legt das Sozialdezernat dabei auf Kinder und Jugendliche. Doch was tut es konkret gegen dieses Problem?
Der zehn Jahre alte Esey geht seit über einem Jahr regelmäßig in Frankfurt-Griesheim in die Arche, eine soziale Einrichtung für Kinder. Dort bekomme er nach der Schule zum Beispiel ein warmes Mittagessen und Hilfe bei den Hausaufgaben, erzählt er: "Es gibt sogar Ausflüge, und all das müssen wir nicht bezahlen." Sie seien bereits in Freizeitparks gewesen und hätten Laser Tag gespielt.
Auch saubere Kleidung habe er dort schon bekommen, berichtet Esey begeistert: "Ich finde das alles toll." Dass seine Familie überhaupt darauf angewiesen ist, darüber spricht er dann aber nicht. Er sagt nur, über Armut redeten er und seine Eltern höchstens mit den besten Freunden.
Viele arme Kinder schämen sich
"Armut ist für Kinder besonders schlimm, weil sie ihren gesamten Lebensweg negativ prägt", sagt Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl von den Grünen. Oft schämten sich die Kinder dafür und erfänden Ausreden, wenn sie aus finanziellen Gründen etwa an Klassenfahrten nicht teilnehmen könnten.
Nach Angaben des städtischen Sozialdezernats waren in Frankfurt im vorigen Jahr 21.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von Armut betroffen. Sie lebten in Familien, die Sozialleistungen beziehen. Das seien definitiv zu viele, kritisiert Voitl.
Und das ist offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Denn viele andere Kinder sind zumindest von Armut bedroht. Laut Definition gelten sie als armutsgefährdet, wenn ihre Eltern weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung verdienen. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren waren das voriges Jahr 1.708 Euro netto im Monat, bei einem Ehepaar mit Kind 2.365 Euro.
Armut ist nicht nur ein finanzielles Problem
Das Problem der Kinderarmut ballt sich laut Sozialdezernat in einigen Frankfurter Stadtteilen. Dazu zählen neben Griesheim Fechenheim, Zeilsheim und Sossenheim. Anhand verschiedener Daten hat die Behörde ermittelt, dass es dort zum Beispiel im städteweiten Vergleich weniger Spielplätze und Grünflächen gibt. In der Folge seien die Kinder dort Lärm und Hitze stärker ausgesetzt, berichtet Voitl. Überdurchschnittlich oft seien sie dazu übergewichtig.
Sozialdezernentin Voitl betont, Armut sei längst nicht nur ein finanzielles Problem. "Zu deren Bekämpfung wollen wir deshalb ganz neue Ideen entwickeln", sagt sie. Aber welche?
Vor einem Jahr rief die Sozialdezernentin dafür extra ein Bündnis ins Leben. Sie wolle dabei mit anderen Ämtern und Dezernaten zusammenarbeiten, betonte Voitl diese Woche noch einmal: "Wenn dann etwa das Grünflächenamt Flächen saniert, könnte es diese Gebiete mit hoher Kinder- und Jugendarmut priorisieren." Erste konkrete Maßnahmen will sie nächstes Jahr präsentieren.
Ein Hauptproblem bleibt die Wohnungsnot
So bleibt der Frankfurter Weg zur Bekämpfung von Kinderarmut bisher vage und unkonkret. Die von der Stadt organisierte erste Frankfurter Armutskonferenz an diesem Samstag soll weitere Impulse bringen. Dabei halten Forscher wie Christoph Butterwegge und Gerda Holz Vorträge. Zugleich soll die Konferenz der Öffentlichkeit offen stehen. Allerdings ist die Veranstaltung schon komplett ausgebucht.
Zuvor führte die University of Applied Sciences im Auftrag der Stadt zahlreiche Gespräche mit Familien mit niedrigem Einkommen. Dabei gehe es immer wieder um die schwierigen Wohnverhältnisse, berichtet Christian Kolbe, Professor für Armutsprävention: "Zum Beispiel konnten wir mit einer Alleinerziehenden sprechen, die mit ihren drei Kindern in einer Wohnung mit nur zwei Zimmern gelebt hat." Dort alle zum Lernen zu motivieren, sei für die Mutter eine echte Herausforderung.
Die Wohnungsnot berücksichtigt zwar auch Sozialdezerntin Voitl bei der Bekämpfung von Armut. Es würden dringend Sozialwohnungen gebraucht, aber davon gebe es schlicht zu wenige, sagt sie: "Und wir sind ja nicht das Stadtplanungsamt."
An der Stelle scheint das Bündnis zur Bekämpfung von Kinderarmut an seine Grenzen zu stoßen. Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Stadt in Frankfurt rund 28.000 Sozialwohnungen und eine lange Warteliste mit tausenden Interessierten.
Sozialdezernentin: "Die Mittel sind begrenzt"
Die Frankfurter Linken fordern darüber hinaus, den Frankfurt-Pass mehr Menschen zugänglich zu machen. Er erlaubt vergünstigte Teilhabe an öffentlichen Angeboten. Außerdem soll es ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder in Kindertagesstätten und Schulen geben.
Darüber denkt auch das Sozialdezernat nach. Zusagen will man nichts. Denn die eigenen Mittel seien begrenzt, sagt Voitl. Im Doppelhaushalt 2024/2025 der Stadt sind für die beiden Jahre jeweils rund 870 Millionen Euro an Ausgaben für Soziales vorgesehen.
Zurück in der Arche in Frankfurt-Griesheim, die es seit 2010 gibt. Das Problem der Kinderarmut in einer reichen Stadt wie Frankfurt habe es damals schon gegeben, seitdem habe sich wenig getan, sagt Leiter Daniel Schröder: "Die Politik ist einfach zu langsam, um zu helfen."