Liebig Centre Gießen Vereinte Nationen kooperieren erstmals mit deutscher Uni

Mit Feld-Simulationen wird in Gießen die künftige Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels erforscht. Nun kooperiert die Justus Liebig Universität dafür mit einer Organisation der Vereinten Nationen - als erste Hochschule in Deutschland.

Wiese mit rundem Apparataufbau mit verschiedenen Rohren
Feldversuche zur Klimafolgen-Forschung in Gießen. Bild © JLU / Katrina Friese

Eine neue internationale Forschungsplattform - und die Grundlage ist ein Acker in Mittelhessen. Mit Langzeit-Feldversuchen wird in Gießen bereits seit den 1990er Jahren die potenzielle Zukunft der Landwirtschaft erforscht.

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Aus großen pfeifenartigen Rohren wird hier Tag für Tag Grünland mit CO2 vollgepustet. Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität (JLU) testen damit, wie sich in Zeiten des Klimawandels erhöhte CO2-Konzentrationen auf das Pflanzenwachstum und das Ökosystem darum herum auswirken könnten. Experimentelle Pflanzenökologie nennt sich das.

Benannt nach Gießener Agrarchemiker Liebig

Diese Forschung bekommt nun einen internationalen Rahmen. Als erste Universität in Deutschland gründet die JLU ein gemeinsames Forschungszentrum mit den Vereinten Nationen (UN), genauer gesagt mit der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Eine entsprechende Vereinbarung von JLU und IAEO wurde am Freitag unterzeichnet.

Das neue Kooperationszentrum wurde nach dem Namensgeber der Gießener Universität benannt. Justus Liebig war im 19. Jahrhundert ein Vorreiter in der Entwicklung von Düngemitteln und agrarchemischen Verfahren zur Verbesserung von Ernteerträgen und zur Bekämpfung von Hunger.

Dass das neue Zentrum nun bei der UN-Organisation für Nukleare Technologien angedockt ist, liegt daran, dass die IAEO auch für Fragen der Ernährungssicherheit und Landwirtschaft in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist.

Plattform zur internationalen Vernetzung

Ein neues Gebäude wird für das Zentrum nicht gebaut. Das Liebig Centre soll eher eine virtuelle Plattform sein, die Forschende aus der ganzen Welt miteinander vernetzen und auch zur Ausbildung beitragen soll, wie Professor Christoph Müller erklärt. Er ist verantwortlich für die Forschung in Gießen.

Eine Zusammenarbeit mit der IAEO gebe es schon seit Jahren, so Müller. Diese werde nun institutionalisiert. "Wir erhoffen uns, dass wir durch diese Synergieeffekte unsere Wissenschaft noch weiter pushen können und auch die Sichtbarkeit dafür erhöhen", sagt er.

Mann auf Wiese mit rundem Apparataufbau mit verschiedenen Rohren.
Christoph Müller leitet das Institut für Experimentelle Pflanzenökologie in Gießen. Bild © JLU / Katrina Friese

Ziel ist laut Universität, die nachhaltige Landwirtschaft weltweit zu fördern, Erträge zu steigern und vor allem die nötigen Anpassungen an den Klimawandel in über 180 UN-Mitgliedsstaaten voranzubringen.

"Daten aus der Zukunft"

Die Anlage in Gießen ist einer der ältesten ihrer Art weltweit. Professor Müller erklärt: Man teste hier direkt im Feld, welchen Effekt erhöhte atmosphärische CO2-Konzentrationen auf die Dynamik von Ökosystemen haben.

Die Forschung simuliere dabei ein Szenario mit etwa 20 Prozent mehr CO2 in der Atmosphäre. Müller erklärt: Diesen Wert werde die Welt laut wissenschaftlichen Prognosen etwa im Jahr 2050 erreichen - auch dann, wenn man bis dahin CO2-Neutralität erreichen würde. "Wir sammeln damit quasi Daten aus der Zukunft", sagt Müller.

Mehr Wachstum - geringere Futterqualität

Man habe dadurch zum Beispiel feststellen können, dass Pflanzen zunächst mit stärkerem Wachstum auf die erhöhte Konzentration reagieren. Allerdings lasse ihre Qualität als Futtermittel nach. Auch im Boden veränderten sich Prozesse, sagt der Professor: "Dort werden vermehrt Mikroben aktiviert, die wiederum ihrerseits Treibhausgase abgeben. Und das heizt dann den Klimawandel noch zusätzlich an."

Müller betont: Die Forschung soll keine Schreckensszenarien malen, sondern vor allem nach Lösungsansätzen suchen. Deshalb sei auch das neue Zentrum so wichtig. Man wolle die Gießener Grundlagenforschung noch stärker als bisher auf die angewandte Wissenschaft weltweit herunterbrechen.

Mehr Geld für experimentelle Forschung?

"Wir wollen dadurch auch Know-how in Entwicklungsländer weitergeben", sagt Müller. Ein Fokus werde dabei voraussichtlich auf Afrika liegen, wo Lösungen besonders dringend gebraucht seien. "Wir fragen uns: Wie können wir das, was wir hier erforschen, etwa auf die Landwirtschaft in einem Land wie Burkina Faso anwenden?"

Experimentelle Feld-Forschung wie die in Gießen sei teuer, sagt Müller und räumt ein: Mehr Geld dafür gebe es durch die Gründung des Zentrums erst mal nicht. "Aber wir zeigen natürlich durch die Kooperation mit den Vereinten Nationen, dass wir hier in Gießen Spitzenforschung betreiben." Er erhoffe sich, dadurch auch Geldgeber besser erreichen zu können.

Sendung: hr4, die Hessenschau für Mittelhessen,

Quelle: hessenschau.de