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35 Jahre jüdisches Museum

Das wiedereröffnete Jüdische Museum in Frankfurt

Vor 35 Jahren eröffnete in Frankfurt das erste Jüdische Museum Deutschlands. Heute ist es ein Museum, das Vergangenheit und Gegenwart geschickt verknüpft und zeigt, wie Erinnerungskultur funktionieren kann.

Das Datum war bewusst gewählt: Am 9. November, dem 50. Jahrestag der Reichspogromnacht, eröffnete der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1988 das erste Jüdische Museum Deutschlands im ehemaligen Rothschild-Palais am Frankfurter Untermainkai.

Der Entschluss, ein Jüdisches Museum in Frankfurt zu gründen, war auch ein symbolischer Akt der Sühne. Frankfurt war seit dem Mittelalter eng mit der jüdischen Kultur verbunden. Schon 1922 hatte die Stadt eine Art Vorgänger-Museum: das Museum Jüdischer Altertümer der jüdischen Gemeinde. Es war eines der ersten in Europa und zeigte vor allem wertvolle Kultgegenstände.

Helmut Kohl bei der Eröffnung des Jüdischen Museums Frankfurt

Vorgänger-Museum von den Nazis zerstört

Die Sammlung wurde während der Novemberpogrome 1938 von Nationalsozialisten geplündert und zum Teil zerstört. Als in den 1980er Jahren das Museumsufer neu konzipiert wurde, beschlossen die Stadtverordneten, dass sich Frankfurt auch ein kommunales Jüdisches Museum leisten müsse. 

Zunächst ging es vor allem um das Erinnern an Verlorenes, denn 1988 lebten in ganz Deutschland nur noch etwa 30.000 Jüdinnen und Juden. "Die Perspektive auf deutsch-jüdische Kultur war im Wesentlichen die, dass es eine Kultur ist, die in dieser Form nicht mehr existiert", weiß die heutige Leiterin des Museums, Mirjam Wenzel.

"Moses", ein Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim, in der Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt.

Und so wurden Rituale erklärt, jüdische Künstlerinnen und Künstler präsentiert und die jüdische Geschichte von Frankfurt nachgezeichnet - zum Beispiel mit einer großen Ausstellung über die Geschichte der Familie Rothschild, zu deren Eröffnung sogar Rothschilds anreisten.

Empörung, wenn Juden Mitspracherecht einforderten

Diese Art des Erinnerns barg auch immer wieder Spannungen, erzählt Wenzel: Viele Menschen seien bereit gewesen, an die toten Juden zu erinnern, viele waren beschämt, über das was passiert war. Trotzdem waren sie mitunter empört, wenn noch lebende Juden Mitspracherecht einforderten oder einen Platz, um ihre Kultur ausleben zu können.

Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert: Die jüdischen Gemeinden in Deutschland sind rasant gewachsen - unter anderem, weil in den 1990er Jahren über 200.000 Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert sind. Dadurch ist eine plurale jüdische Kultur entstanden, sagt Wenzel.

Ausstellungsfokus im Wandel

Das Museum hat darauf reagiert: Neben dem historischen Rothschild-Palais steht nun ein moderner Lichtbau von Staab Architekten. Bau und Eröffnung gehörten zu den absoluten Highlights in der Geschichte des Museums, betont die Direktorin, auch weil das Gebäude vom Bund Deutscher Architekten ausgezeichnet wurde.   

Damit habe sich auch der Fokus des Jüdischen Museums gewandelt, sagt Wenzel: "Heute verstehen wir uns viel stärker als ein Zentrum für jüdische Kultur, eben in Geschichte und Gegenwart." Deshalb bietet das Museum neben Ausstellungen auch Schulprojekte, Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen zu Themen wie Diskriminierung, Diversität und Sensibilität an. 

Das lichtdurchflutete Atrium im Lichtbau des neuen Jüdischen Museums von Staab Architekten.

Getragen wird das Museum von der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen. Und längst ist es aus der Stadtkultur nicht mehr wegzudenken. Haus und Mitarbeitende würden unterstützt und wahrgenommen, sagt Wenzel, wofür das Team sehr dankbar sei: "Wir verstehen uns ja als ein Museum ohne Mauern."

Immer wieder auch unschöne Vorkommnisse

Doch gerade, weil das Haus mit Projekten bewusst auf die Frankfurter Stadtgesellschaft zugehe und sich im öffentlichen Raum präsentiere, gebe es immer wieder auch unschöne Vorkommnisse - zum Beispiel bei der Ausstellung "Jüdische Stars im deutschen Sport", als drei Skulpturen zerstört wurden.

Auch an Erinnerungsstätten wie der Großmarkthalle oder dem Börneplatz seien regelmäßig antisemitische Aufkleber und Wandschmierereien zu sehen, Steine würden auf das Museum Judengasse geworfen und Gedenkplaketten herausgerissen. Der Vandalismus habe zugenommen, genauso wie generell der Antisemitismus und die Relativierung der Geschichte in der Gesellschaft stärker geworden seien, berichtet Wenzel. 

Sicherheitsvorkehrungen nach Hamas-Angriff hochgefahren

Zugespitzt habe sich die Lage seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Die Sicherheitsvorkehrungen seien erheblich hochgefahren worden, die Stimmung unter den Mitarbeitern erdrückt bis erschüttert, erzählt Wenzel. Viele von ihnen hätten Freunde oder Familie in Israel.

Dem Terror wolle das Team bewusst "eine Sprachfähigkeit" entgegenhalten, etwa mit Veranstaltungen über die Auswirkungen des Massakers auf die jüdische Gegenwart, oder mit einer Sound-Installation, die die Namen der Geiseln und deren Alter anspricht. 

Neubau des Jüdischen Museums

 "Freude ist eine Gegenstrategie"

Und seinen Geburtstag feiern will das Museum trotzdem, und zwar mit einem offenen Haus bei freiem Eintritt, mit Veröffentlichungen, Reden, und mit Musik und Kuchen, verspricht Leiterin Miriam Wenzel.

Aus der jüdischen Geschichte könne man lernen, wie man Gewalt und Hass begegnen müsse: "Freude ist eine Gegenstrategie", betont sie. "Gemeinschaft ist eine Gegenstrategie. Und all das schreiben wir groß. Und deswegen laden wir alle ein, zu uns zu kommen."

Weitere Informationen

Die Feierlichkeiten

  • Das Museum feiert am Donnerstag, 16. November, von 10 bis 21 Uhr sein 35-jähriges Bestehen mit einem Tag der offenen Tür bei freiem Eintritt. Für die kostenlosen Führungen wird um Anmeldung unter besuch.jmf@stadt-frankfurt.de gebeten.
  • Ein Podiumsgespräch dreht sich am Donnerstag ab 19 Uhr um die Gründung des Museums und seine Vorgeschichte. Auf dem Podium sitzt unter anderem Rachel Heuberger, der Gemeinderatsvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und Witwe des ersten Museumschefs Georg Heuberger.
  • Am Mittwochabend beginnt um 19 Uhr ebenfalls im Museum am Bertha-Pappenheim-Platz ein Podiumsgespräch zu den "Auswirkungen des 7. Oktober auf die jüdische Gegenwart in Deutschland". Einlass ab 18 Uhr, es wird um eine vorherige Anmeldung gebeten unter theresa.gehring@freunde-jfm.de.
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