Noch ein Drama am Staatstheater Kassel?
Das Staatstheater in Kassel steht ohne Geschäftsführer da. Der Grund: Das Hessische Kunstministerium hat Dieter Ripberger freigestellt. Was ist da los?
Am Staatstheater in Kassel werden Tanz, Schauspiel und Oper aufgeführt - doch Dramen abseits der Bühne überschatten derzeit alles. Erst die Querelen rund um Intendant, Orchester und Generalmusikdirektor, jetzt der überraschende Rausschmiss von Geschäftsführer Dieter Ripberger.
Die Personalie trifft das Theater zu einer Unzeit: Ripberger wollte sich neben dem anstehenden Umzug in eine Interimsstätte vor allem um eine zukunftsfähige Strategie für das Theater kümmern. Wie es jetzt ohne ihn weitergeht, ist noch unklar. Wir haben die wichtigsten Fragen zu den aktuellen Geschehnissen zusammengefasst.
Was ist passiert?
Das Hessische Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur (HMWK) hat den Geschäftsführenden Direktor des Staatstheaters Kassel, Dieter Ripberger, nach eigener Aussage gegen seinen Willen freigestellt. Zuerst hatte nachtkritik.de, ein Online-Portal für Theaterberichterstattung, darüber berichtet.
Ripbergers Anwalt hatte das gegenüber dem hr bestätigt. Die Freistellung habe Ripberger am 11. September demnach "völlig unerwartet und aus heiterem Himmel" erhalten. In dem Schreiben des Anwalts heißt es, es gebe "keinerlei Begründung" für diesen Schritt.
Wer ist Dieter Ripberger?
Ripberger wurde noch unter Ministerin Angela Dorn (Grüne) zum Februar 2024 als Geschäftsführender Direktor des Staatstheaters Kassel berufen. Vorher war der 1987 geborene Theatermacher gemeinsam mit seinem Mann Co-Intendant und Geschäftsführer des Stadttheaters in Tübingen. Er galt als junger, dynamischer Kulturmanager, der sein Theater relevant halten wollte. Theater sollte seiner Auffassung nach ein offener Ort für Austausch und Diskurs sein, wie er in einem Podcast erklärte.
Was sagt das Ministerium?
Das Ministerium unter Timon Gremmels (SPD) teilte auf hr-Anfrage mit, man könne aufgrund des laufenden Verfahrens keine Auskunft zu den Gründen für die Freistellung geben. Bei der Personalie Ripberger handele es sich "um ein schwebendes Verfahren", da dieser am 13. September in einer Presseerklärung hatte mitteilen lassen, dass die "'Kündigung' rechtlich unwirksam" sei und er sich an das Arbeitsgericht wenden werde. Eine Anfrage ans Arbeitsgericht blieb bisher unbeantwortet.
Was sind die Reaktionen aus dem Theater?
Die Beschäftigten des Theaters hatten sich nach Bekanntwerden der Entscheidung zum Teil schockiert gezeigt und sich in einer offiziellen Presseerklärung hinter Ripberger gestellt. In einem gemeinsamen Brief hatten sie sich sogar an Gremmels gewandt.
Intendant Florian Lutz hatte eine mögliche Kündigung sogar in einem Statement auf der Webseite des Theaters als "eine sinnlose Beschädigung unserer Arbeit am Staatstheater Kassel" bezeichnet. Dieses ist mittlerweile dort nicht mehr abrufbar. Er habe Ripberger als "äußerst zugewandt, vetrauensvoll und kompetent" erlebt, so Lutz weiter. Zuletzt hatten sich Beschäftigte beim Theaterfest am 14. September offen hinter den geschäftsführenden Direktor gestellt.
In Statements der Beschäftigten, die dem hr vorliegen, heißt es, Ripberger habe "Kompetenz und Vertrauen" vermittelt. Dazu gibt es Kritik an der Entscheidung des HMWK - und an Minister Gremmels. Dieser habe mit der Aktion Unverständnis im Staatstheater ausgelöst und "unzählige Mitarbeiter der Hoffnung beraubt einen neuen Aufschwung zu erleben". Das Ministerium habe falsche Prioritäten gesetzt - oder wie es eine Mitarbeiterin zusammenfasst: die Entscheidung zeige "einmal mehr die Unfähigkeit des Ministeriums" und hinterlasse "einen bunt schillernden Scherbenhaufen".
Wie hat Timon Gremmels auf den offenen Brief reagiert?
Auf Anfrage des hr äußerte sich eine Ministeriums-Sprecherin zu den Vorwürfen. Gremmels habe unmittelbar und persönlich vor Ort im Theater erklärt, dass weder Einsparungen, noch Stellenstreichungen sowie die Schließung ganzer Sparten geplant seien, heißt es aus Wiesbaden.
Die Sprecherin hatte zudem versichert, ein Stopp des Interimsbaus auf einer Fläche der ehemaligen Jägerkaserne in der Kasseler Südstadt, stünde nicht zur Debatte. Das Land Hessen habe sich extrem für die Realisierung eingesetzt und werde dies auch weiterhin tun. Der derzeitige Bau in der Innenstadt wird ab 2025 saniert und steht für Theateraufführungen nicht zur Verfügung.
Wie geht es weiter?
Kunstminister Gremmels ist seit Mitte Januar im Amt. Ob der Rausschmiss Ripbergers einen politischen Hintergrund hat - immerhin war er kurz vor dem Rückzug von Angela Dorn (Grüne) ins Amt berufen worden, ob es Probleme mit dem Vertrag gab oder ein Fehlverhalten seitens Ripberger vorliegt, ist derzeit nicht bekannt.
Es ist übrigens nicht die erste Rangelei zwischen Minister und einem Landeskulturbetrieb. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit hatte Gremmels beim Staatstheater Wiesbaden durchgegriffen und die Zusammenarbeit mit Uwe Eric Laufenberg beendet. Dort hatte es interne Querelen gegeben. Von einem Streit in Kassel ist derzeit nichts bekannt. Dennoch wird die Personalie mutmaßlich in Kassel weiter für Gesprächsstoff sorgen und das HMKW beschäftigen.