Junger Mann mit Rennrad vor einem großen, fensterlosen Gebäude.

Jeden Tag teilen wir am Rechner oder am Smartphone Unmengen von Daten. Mit dem Hochladen in die Cloud verschwinden sie scheinbar im Nirgendwo. Doch ein junger Künstler zeigt: An manchen Stellen in Frankfurt wird das Internet greifbar - und damit auch angreifbar.

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"Fake Views" im Frankfurter Kunstverein

Ein Mensch liegt mit ausgestreckten Beinen unter einem Computer-Monitor und schaut nach oben
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Wir telefonieren, wir schreiben Nachrichten per Mail oder verschicken Bilder und Videos über die Sozialen Medien. In Sekunden kommen sie beim Gegenüber an, unabhängig davon, wo er sich auf der Welt befindet. Doch wie diese Inhalte von einem Ende zum anderen gelangen, sehen wir im Alltag nicht.

Eigentlich habe es mit dem Aufkommen des Internets die Hoffnung gegeben, mehr zu sehen und zu verstehen, sagt der Frankfurter Künstler Ben Ackermann. "Aber jetzt stellt sich heraus, es wird alles immer intransparenter. Wir geben Teile unseres gesellschaftlichen Miteinanders in Rechenzentren weg und wissen gar nicht, was damit passiert."

Künstler und Hacker

Ackermann arbeitet in seinem Kunststudium an der Städelschule vorwiegend mit Fotografie, Video und digitalen Medien. Er ist aber auch Programmierer, war als Jugendlicher für zwei Jahre im Frankfurter Team vom Chaos Computer Club. Der 29-Jährige will unsere Daten sichtbar machen, zeigen, wo sie entlanglaufen und transferiert werden.

Im Rahmen der Ausstellung "Fake Views" im Frankfurter Kunstverein hat er deshalb eine zweistündige Fahrradtour konzipiert. Auf 13 Kilometern wird in die Frankfurter Datenwelt geradelt.

Weitere Informationen

Radwanderung "Digitale Infrastruktur" am Sonntag, 23. Juli

Für die Tour sind noch einige Plätze frei. Eine Anmeldung per Email an post@fkv.de ist notwendig. Start ist um 17 Uhr am Kunstverein.
Ein eigenes Fahrrad ist notwendig, unsere Reporterin empfiehlt für die Fahrt durchs Industriegebiet einen Fahrradhelm.

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Dabei liegen die ersten "Verstecke" direkt auf dem Weg: Kilometerlange Rohre mit datenbeladenem Kupferdraht und Glasfasern winden sich unterirdisch durch die Stadt. "Die sehen ein bisschen aus wie die Abflussrohre, die man zu Hause hat", veranschaulicht Ackermann. Mit nur 20 Zentimetern Durchmesser seien sie vergleichsweise dünn.

Frankfurt war Pionier beim Kabelnetz

Ein Mann zeigt hockernd auf eine im Boden eingelassene Betonplatte

In Frankfurt habe es schon früh ein gut ausgebautes Kabelnetz gegeben. Die Stadt habe Leerrohr-Kapazitäten an Unternehmen vermietet und ihnen auch erlaubt, eigene Rohre unter den Straßen zu verlegen, erzählt Ben Ackermann. Später haben man dadurch die Internetleitungen einfach zu den Leitungen legen können, ohne dazu Straßen aufreißen zu müssen.

Wo genau die Rohre liegen, könne man an den Schachtdeckeln auf dem Bürgersteig oder der Straße erkennen. Sie sind aus Zement in metallischem Rahmen und fallen im Alltag kaum auf.

Rechenzentren - fast unsichtbar im Stadtbild

Die riesigen Datenmengen, die hier durchfließen, werden weitergeleitet an sogenannte Rechenzentren. Mehrere dieser Zentren werden auf dem Ausflug abgeklappert. Auf Google Maps sind sie übrigens nicht alle einfach zu finden.

Auch im Alltag nimmt man sie kaum wahr, obwohl sie oft mitten in der Stadt stehen. Das "Datentransferlager" der Deutschen Telekom an der Stiftstraße etwa versteckt sich hinter Baustellen-Trennwänden aus Holz.

Großes Gebäude mit uneinheitlicher Fassade, davor ein Bauzaun

"Ein Haus mit wenig Fenstern, das ist schon mal verdächtig", erklärt Ben Ackermann. Manchmal werde deshalb versucht, die Gebäude mit nutzlosen Fenstern auf einer Seite zumindest etwas zu tarnen, meint der Technikexperte. Aber hier gebe es noch mehr Merkmale: "Die Aufbauten mit spitzen Nadeln, das sind Blitzableiter."

Gesichert wie ein Gefängnis

Etwa fünf Kilometer weiter im Frankfurter Osten steht ein weiteres Rechenzentrum im Fechenheimer Industriegebiet. Dort werden Daten zwischen den Netzen von Unternehmen weltweit ausgetauscht, erklärt Ben Ackermann. Es ist ein riesiges Areal mit mehreren Gebäuden, umzäunt von meterhohen Metallstangen und Stacheldraht - wie ein Gefängnis. Sicherheitsleute und Kameras bewachen es.

Obwohl es im Industriegebiet verborgen ist, kann man es von der Hanauer Landstraße aus auf dem Fahrrad erkennen. "Man sieht in der Regel verdächtig große Schornsteine", klärt Ben Ackermann auf. Die seien für die Notstrom-Aggregate. "Mit ihren großen Tanks gewährleisten sie über einen längeren Zeitraum, dass bei einem Stromausfall die Technik trotzdem weiterläuft.“

Funkverbindungen: Schneller, aber anfälliger

Das Rechenzentrum der Deutschen Börse steht zwischen beschaulichen Einfamilienhäusern, Industrie und vielen anderen Rechenzentren im Stadtteil Riederwald. Auf dem Bürogebäude nebenan sind von außen gut sichtbar zahlreiche Richtfunkantennen befestigt, die aussehen wie Satellitenschüsseln.

"Wenn ich Daten von A nach B übertragen will, dann kann ich das mit einem Kabel machen. Ich kann es aber auch mit einer Funkverbindung machen. Das hat den Vorteil, dass es tendenziell schneller ist", führt Ackermann aus.

Bürogebäude mit Satellitenschüsseln auf dem Dach

Damit gebe es einen direkten "Daten-Weg" an die Finanzmärkte in London und Zürich, mit nahezu Lichtgeschwindigkeit. 13 solcher Empfangsmasten stünden zwischen London und Frankfurt, erklärt Ackermann, teils auf hohen Wohnhäusern gebaut und kaum von üblichen Satellitenschüsseln zu unterscheiden. Aber der Funkweg sei anfälliger für Wettereinflüsse und könne nicht so viele Daten übertragen.

Frankfurt spielt eine zentrale Rolle

Frankfurt ist einer der größten Internetknotenpunkte der Welt, hier stehen besonders viele Rechenzentren. "Es gibt überall solche Vermittlungsstellen. Aber in dieser Größe und mit den Auslandsleitungen hat Frankfurt schon immer eine zentrale Rolle gespielt", weiß Ben Ackermann.

"Es sind Zentren der Macht", sagt er. "Daten sind für unsere Zukunft relevant. Mit dieser Tour will ich das Verständnis dafür schaffen und die Infrastruktur, in der Daten verarbeitet werden, greifbar machen."

Weitere Informationen

"Fake Views" im Frankfurter Kunstverein

Die Amerikaner Eva und Franco Mattes gelten als Pioniere der Netzkunst. Sie beschäftigen sich seit den 1990er-Jahren mit den Phänomenen, die durch das Internet entstanden sind und setzen sich mit den sozialen und politischen Auswirkungen der Netzkultur auseinander. "Fake Views" setzt sich mit manipulierten Nachrichten und gekauften Klicks auseinander.

Die Schau ist vom 14. Juli bis 10. September im Frankfurter Kunstverein zu sehen.

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