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Rundgang durch Schauspiel und Oper Frankfurt: Es hakt überall

Oper Frankfurt von außen, davor fährt eine Straßenbahn

Dass die maroden Städtischen Bühnen ersetzt werden müssen, darin sind sich die meisten Frankfurter Stadtpolitiker einig. Für den Ort des Neubaus gibt es endlich einen Favoriten. Dennoch zieht sich die Entscheidung hin - dabei wird das Vorhaben mit jeder Verzögerung nur noch teurer.

Hessens größte Stadt steht vor einer großen Entscheidung: Die Theater-Doppelanlage soll neu gebaut werden. Nach der Empfehlung einer Expertenkommission hat Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) bei der Frage nach dem Standort einen Favoriten. In der sogenannten Spiegel-Variante würden sich die Oper Frankfurt und das Schauspiel am Willy-Brandt-Platz gegenüber stehen.

Darüber müssten die Stadtverordneten schnell entscheiden, findet Hartwig - am besten noch vor der Sommerpause.

Dass es ein Neubau werden soll, legten die Stadtverordneten im Frankfurter Römer schon 2020 fest. In einem damaligen Bericht der Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen war von Kosten in Höhe von 800 bis 900 Millionen Euro die Rede. Ein Schock!

Und wohl ein Grund dafür, dass sich die Stadtpolitiker schwer tun mit der Entscheidung. Dem Bericht der Expertenkommission von diesem Frühjahr zufolge ist sogar mit Kosten von mindestens 1,26 Milliarden Euro zu rechnen.

Technischer Direktor schlägt Alarm

Andererseits: Oper und Schauspiel Frankfurt pfeifen aus dem letzten Loch. Das stellt der Technische Direktor der Städtischen Bühnen, Olaf Winter, jeden Tag aufs Neue fest. Winter gewährt dem hr einen Blick hinter die Kulissen und zeigt, wo es hakt.

Er steht in einem kleinen, fensterlosen Raum. Keine Tageslicht, dafür hängt die Decke so tief, dass Winter locker seine Handfläche dagegen drücken kann. Hier üben Schlagzeuger. Alle Proberäume für die Musiker im Keller der Oper seien so winzig, zum Teil nur vier Quadratmeter groß, sagt er: "Das hat mit Arbeitsschutz nichts mehr zu tun." Das würde man heute nicht mehr so bauen.

Technischer Direktor der Städtischen Bühnen Frankfurt, Olaf Winter, im Probenraum für Schlagzeuger

Beruhigt weiterarbeiten könne man in der in die Jahre gekommenen Theater-Doppelanlage nicht, befindet der Technische Direktor. "Die Lage ist prekär", sagt Olaf Winter.

Sorge vor Betriebsausfällen

Die Frage ist also: Wie lange will Frankfurt noch warten, um einen Neubau auf den Weg zu bringen? Kulturdezernentin Hartwig findet: gar nicht mehr. Die Stadt habe lange genug über die Bühnen diskutiert. Angesichts des desolaten Zustands der Bühnen sei eine zügige Entscheidung unumgänglich, sagt sie: "Betriebsausfälle werden täglich wahrscheinlicher. Jede weitere Verzögerung erhöht das Risiko, und die Kosten steigen stetig noch weiter." 

Im Keller der Theater-Doppelanlage gibt es einen Raum, der von den Mitarbeitenden liebevoll "James-Bond-Raum" genannt wird. Dort treffen die Hochspannungsleitungen aus dem städtischen Stromnetz ein, wie Olaf Winter erläutert. Gleich daneben steht die Schaltanlage für die Notbeleuchtung. "Das würde heute so nie mehr zugelassen", sagt Winter: "Aber das fällt unter Bestandsschutz."

Die Gebäudetechnik und die Lüftungsanlagen der Frankfurter Bühnen seien so alt, dass es längst schon keine Ersatzteile mehr dafür gebe. "Es kann jeden Tag so weit sein, dass etwas ausfällt, das wir nicht ersetzen können", warnt Winter. Die Folge wären Spielausfälle.

Ersatzteile vom Flughafen

Um sich im Notfall aushelfen zu können, haben Winter und seine Kollegen sich schon vor Jahren einen zusammengewürfelten Fundus an Ersatzteilen vom Frankfurter Flughafen gesichert. "Dort gibt es ähnliche Technik aus einer ähnlichen Zeit", berichtet er. Dass man damit ein ausgefallenes Teil ersetzen könne, sei natürlich nicht gesichert. "Es ist reines Flickwerk", seufzt Winter, ein Spiel auf Zeit. 

Technischer Direktor der Städtischen Bühnen Frankfurt, Olaf Winter, im Keller der Oper

Seit gut 15 Jahren debattieren Stadtverordnete und Experten in Frankfurt bereits über die Zukunft von Oper und Schauspiel. Es gibt viele Gutachten, doch keines brachte bisher eine günstigere Lösung als die vorherigen. Nach Aussage der Kulturdezernentin sind die Bühnen "das am besten untersuchte Gebäude der Stadt".

Hartwig drängt auf eine Entscheidung - und wirbt für die Spiegel-Variante: "Das hätte den Vorteil, dass wir ganz auf städtischem Grund und Boden bauen können und nicht abhängig sind von externen Projekten." Das spreche zum Beispiel gegen die Lösung der "Kultur-Meile" mit einer neuen Oper im Banken-Viertel: auf einem privaten Grundstück, wo man erst einen Hochhausbau abwarten müsse.

Investition von deutlich mehr als einer Milliarde

Wer vom Keller noch ein Stockwerk tiefer, zur Lüftungsanlage in den Katakomben der Theater-Doppelanlage geht, erkennt, warum eine Sanierung ebenso teuer würde wie ein Neubau und daher wenig Sinn ergibt. Unzählige Lüftungsschächte laufen hier entlang. Nach der aktuellen Gesetzeslage müssten die Rohre bis zu dreimal so dick sein, erläutert Winter: "Dafür würde der Platz gar nicht ausreichen. Wenn man hier etwas erneuert, ist wirklich nur abreißen und neu bauen sinnvoll."

Doch ob sich die Stadtverordneten in der angespannten Finanzlage dazu durchringen, ein Großprojekt von weit über einer Milliarde Euro zu beschließen, ist nicht selbstverständlich. Doch günstiger dürfte es nicht werden, im Gegenteil: Die Stabsstelle Zukunft Städtische Bühnen rechnet wegen der aktuellen Marktsituation und den Preissteigerungen mit einer weiteren jährlichen Kostensteigerung im mindestens achtstelligen Bereich.

Neuer Oberbürgermeister will raschen Beschluss

Die Stadtregierung ist sich einig darin, dass Frankfurt eigene Bühnen wie Oper und Schauspiel braucht. "Das sind Leuchttürme für unsere Stadt", sagt Kulturdezernentin Hartwig.

Wie sie spricht sich auch der neue Oberbürgermeister, Mike Josef (SPD), für eine schnelle Entscheidung aus. Ende dieser Woche tritt er sein Amt an. Auf einer Podiumsdiskussion sagte er im April: "Es wäre gut, wenn wir die Standort-Entscheidung in den nächsten Monaten treffen."

Hartwig hat dem Magistrat bereits den Bericht für eine Entscheidungsfindung vorgelegt. Erst wenn klar ist, wo die Bühnen gebaut werden, kann der internationale Architektenwettbewerb ausgelobt werden. Und dann dürfte es bis weit ins nächste Jahrzehnt dauern, bis beide Häuser fertig sind. Ob Oper und Schauspiel bis dahin durchhalten, ist fraglich. Die Zeit drängt.

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