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OK Kid veröffentlichen neue Version von "Gute Menschen"

Die Band OK Kid

Mit "Gute Menschen" hat sich die Gießener Band OK Kid 2015 erstmals gegen rechte Kräfte positioniert. Jetzt hat sie den Song noch einmal neu aufgenommen. Im Interview erklärt Sänger Jonas Schubert, warum es ein Update gebraucht hat.

"Ich seh' nur gute Menschen, die nichts Böses wollen, nein, die nur an unsere Zukunft denken", heißt es im Song "Gute Menschen" der Gießener Band OK Kid. Moritz Rech, Raffael Kühle und Jonas Schubert haben darin 2015 auf ironische Art und Weise das Erstarken rechter Kräfte beschrieben.

Rund neun Jahre später hat die Band ihren wohl bekanntesten Song neu aufgenommen und um neue Textzeilen und eine aktuelle Sicht auf die politische Lage ergänzt. Warum es wichtig ist, dass die Musikbranche sich positioniert, erklärt Sänger Jonas Schubert im Interview.

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hessenschau.de: Was war damals der Auslöser, "Gute Menschen" zu schreiben?

Jonas Schubert: Geschrieben haben wir ihn im Sommer 2015. Es war nicht so, dass wir uns gesagt haben: Wir müssen jetzt mal einen politischen Song schreiben. Er ist einfach organisch entstanden.

Es gab diesen Beat und irgendwie ist mir die Idee gekommen. Wir haben davor gar nicht gewusst, dass wir das können: einen politischen Song schreiben. Das war das erste Mal, dass wir uns überhaupt geäußert haben.

Aber letztendlich ist es die logische Konsequenz. Wir können immer nur dann einen Song schreiben, wenn etwas brennt und wir uns sehr oft über Themen austauschen. In dieser Zeit haben wir innerhalb der Band sehr viel über den aufkommenden Rechtsruck geredet, wegen Pegida ein bisschen besorgt nach Dresden und Leipzig geschaut. Da hat man gemerkt, dass der Wind anders wird. 

hessenschau.de: Wie kam das bei den Fans an, dass ihr als Band euch auf einmal politisch positioniert?

Schubert: Wir haben ihn damals mit Musikvideo auf Facebook gepostet und er hat eingeschlagen wie kein anderer Song vorher. Das Video wurde direkt tausendmal geteilt. Damals haben wir uns darüber gefreut, weil es das erste Mal war, dass es nach unserem ersten Album einen kleinen Hype um uns gab.

Ich fand es gut, dass uns die Leute noch mal anders wahrgenommen haben. Damals hatte meines Wissens auch noch keine andere Band den neuen Rechtsdruck, der eher aus der Mitte der Gesellschaft gekommen ist, behandelt. Deswegen war das für uns komplettes Neuland und spannend.

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"Endlich wieder da wo es beginnt"

Das Jubiläumsalbum erscheint am 16. Februar. Auf der gleichnamigen Tour kommt OK Kid auch in die hessische Heimat: Am 11. April treten die Gießener in der Batschkapp in Frankfurt auf. Am 31. Mai und 1. Juni findet in Gießen außerdem wieder das von der Band ins Leben gerufene Festival "Stadt ohne Meer" statt, unter anderem mit Schmyt, Domiziana und Edwin Rosen.

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hessenschau.de: Gab es gar keinen Gegenwind?

Schubert: Doch. Wir waren schnell desillusioniert, weil wir damals wirklich dachten, mit dem Song die Leute entlarven zu können.

Aber es ist immer so: Man postet etwas, die eigenen Fans reagieren darauf, finden es super. Dann wird es ruhig, das Video landet in irgendwelchen Gruppen und es entsteht ein Shitstorm. Das ist völlig normal, glaube ich, aber damals waren wir es noch nicht gewöhnt.

Das hatten wir jetzt wieder bei dem neuen Video, in dem wir die neue Strophe am Rande der Demo gegen den Rechtsruck in Gießen singen. Wir mussten die Kommentare deaktivieren. Das ist fast wie eine Troll-Armee, die geschickt wird.

hessenschau.de: Jetzt habt ihr den Song noch einmal neu aufgenommen, mit neuer Strophe und neuem Refrain. Wieso? Eigentlich ist der Song doch gut gealtert.

Schubert: Unser neues Album ist ein Jubiläumsalbum, eine Melange aus neuen und alten Sachen. Wir haben alte Songs neu arrangiert oder als Remix aufgenommen. Ich fand es cool, bei "Gute Menschen" eine Antwort aus heutiger Sicht zu schreiben.

Leider ist der Song nicht gealtert. Ich wünschte mir, dass wir diese Themen nicht mehr hätten. Trotzdem ist es ein sehr spannendes Stück Zeitgeschichte für uns als Band.

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2020 wurde "Gute Menschen" schon einmal aktualisiert

Die Zeile, in der der damalige bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit der Aussage zitiert wurde, Roberto Blanco sei "ein wunderbarer N-Wort", wurde geändert. Es fühle sich falsch an, das N-Wort zu singen und damit von Rassismus Betroffene zu verletzen, erklärte die Band damals. Der Song wurde in einer neuen Version auf Spotify veröffentlicht, das Original-Video auf Youtube wurde mit einer Triggerwarnung versehen.

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hessenschau.de: Ihr habt den Song mal als Weckruf an euch selbst bezeichnet. Im neuen Text heißt es sinngemäß, dass man Angst hat, irgendwann so zu werden wie die, die man verachtet. Seht ihr diese Gefahr?

Schubert: Ja, weil sich die Themen verändern. Der Alltag wird anders, wir sind alle älter geworden, Eltern geworden. Man ist nicht mehr im Jugendzentrum unterwegs und plant die nächste Demo, auch wenn ich das gerne tun würde. Aber man kommt schnell in eine gewisse Ohnmacht, weil uns so viele Krisen wie noch nie belastet haben in der letzten Zeit.

Man ist so müde geworden und irgendwann muss man die eigene mentale Gesundheit schützen. Irgendwann ist der Ausgleich wichtig, auch mal einen Wein trinken und gute Laune haben ist ja auch wichtig. Aber ich dachte: Warum geht denn keiner auf die Straße?

Ich möchte nicht jemand sein, der ignorant wegguckt und satt und altersmilde wird. Man darf nicht altersmilde werden, man muss für die wichtigen Dinge auch noch mit 90 Jahren auf die Straße gehen. 

hessenschau.de: Seit drei Wochen demonstrieren deutschlandweit tausende Menschen gegen den Rechtsruck. Der neue Text klingt, als wäre er in diesem Kontext geschrieben worden.

Schubert: Die neue Strophe habe ich im November aufgenommen, als niemand auf den Straßen war. Sie war ein Weckruf in einer Phase, in der nichts passiert ist, in der die AfD in den Umfragen bei mehr als 20 Prozent lag und die Mehrheit der Deutschen sich konsequentere Abschiebungen gewünscht hat. Das fand ich ziemlich erschreckend.

hessenschau.de: Sind die aktuellen Demos für Demokratie für euch ein Zeichen dafür, dass jetzt etwas passiert?

Schubert: Vor 14 Tagen habe ich noch bezweifelt, dass die Demonstrationen wirklich etwas ändern und ich war hin- und hergerissen, ob es der AfD und den Rechten nicht sogar wieder in die Karten spielt, weil sie Gegenbewegungen schon oft für sich nutzen konnten. Aber ich dachte: Wenigstens gehen wir auf die Straße, um nicht alleine mit dem Gefühl zu sein, dass man diese Entwicklung nicht akzeptieren möchte.

Ich hätte nicht gedacht, dass es wirklich zu sinkender Zustimmung für die AfD in den Umfragen führen würde. Ich weiß nicht, ob das wirklich auf die Demos zurückzuführen ist oder ob die neue Partei von Sahra Wagenknecht Wählerstimmen der AfD abzieht.

Trotzdem fühlt es sich gerade zum ersten Mal seit langer Zeit so an, dass sich ein bisschen etwas bewegt und ein paar mehr Menschen, die vorher geschwiegen haben, jetzt sagen: Es ist fünf vor zwölf und wir müssen alle gemeinsam für die Demokratie einstehen. Für die Demokratie zu kämpfen, ist für mich gerade die Antriebskraft hinter jeder Äußerung, die ich politisch tätige. 

hessenschau.de: Ihr wart als Band auch bei der Demo in Gießen mit mehr als 13.000 Menschen. Wie habt ihr da die Stimmung erlebt? 

Schubert: Super friedlich und das ist das Schöne. Da war die Polizei, da war die Antifa, da waren "Omas gegen rechts" - Menschen, die im Alltag völlig unterschiedlich verortet sind. Das Wichtigste ist dieser kleinste gemeinsame Nenner, nämlich Demokratie, und jeder, der dafür ist, soll auf die Straße gehen.

Ich finde es auch völlig okay, wenn jetzt Leute aus einem anderen politischen Spektrum neben mir laufen. Vielleicht möchte ich sie in Grund und Boden diskutieren, weil sie für mich politisch falsch liegen. Sie sind aber trotzdem auf den Grundsäulen der Demokratie legitimiert.

Das ist das Gute daran: dass man auch selbst einsieht, dass man andere Meinungen akzeptieren muss. Wir sind alle für Demokratie und das zeigen wir. Für das Ziel lohnt es sich, zu kooperieren und Mehrheiten zu schließen. 

hessenschau.de: In den USA wird gerade darüber diskutiert, ob Popstar Taylor Swift den Wahlkampf mitentscheiden kann. Hier hat sich kürzlich die politisch bisher eher zurückhaltende Helene Fischer deutlich gegen Rechtsextremismus geäußert. Können Musiker wirklich derart Einfluss nehmen?

Schubert: Helene Fischer ist für mich ähnlich wie ein Fußballstadion: Sie ist ein Querschnitt durch die Bevölkerung und bringt alle zusammen. Bestimmt hört ein Prozentsatz der AfD-Wähler Helene. Dass sie sich positioniert, ist mutig, das finde ich gut. Vielleicht liegt es auch an ihr, dass die AfD in den Umfragen ein paar Prozentpunkte verloren hat.

Man sieht jetzt ganz viele Posts von Artists oder Acts, die für mich vorher eher unpolitisch waren. Ich finde das gerade für die junge Generation wichtig, um zu zeigen, dass es wirklich, wirklich ernst ist. 

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