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"Wir müssen das Gas ausströmen lassen"

Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei beraten sich außerhalb der Sperrzone. Im Hintergrund strömt weiter unablässig Propangas aus.

Ein Gasleck in einem Industriebetrieb legt fast den gesamten Hadamarer Ortsteil Niederzeuzheim lahm. Wie geht es den Betroffenen?

Es sind nur gut zwei Handvoll Menschen anwesend an diesem späten Dienstagvormittag in der Mehrzweckhalle in Hadamar-Oberzeuzheim (Limburg-Weilburg). Ein Junge kickt einen blauen Softball gegen die Wand, ein Grüppchen ist an einem Biertisch in ein Kartenspiel vertieft, vor der Halle macht sich eine Familie für einen Spaziergang fertig. Andere sind arbeiten, einige ältere Kinder in der Schule.

Einen Tag ist es her, dass rund 560 Bewohner des benachbarten Ortsteils Niederzeuzheim ihre Wohnungen und Häuser verlassen mussten. Im Tank eines chemischen Unternehmens war ein Gasleck aufgetreten.

Eine Sperrzone von zunächst 300 Metern wurde eingerichtet. 21 Menschen übernachteten letztendlich in der Halle, die meisten anderen Betroffenen kamen bei Freunden oder Verwandten unter. Nach der Explosion eines Hauses in der Nacht zu Dienstag wurde die Evakuierungszone ausgeweitet, 740 Menschen dürfen ihre Häuser in Niederzeuzheim vorerst nicht betreten.

Schülerin: Nacht war gut

Sie musste direkt nach der Schule hierherkommen, erzählt die 19-jährige Schülerin Sidra. Die Nacht sei okay gewesen, obwohl sie wegen der ungewohnten Umgebung alle zwei Stunden aufgewacht sei.

Mädchen mit schwarzen Haaren

Da ihre Eltern nichts hätten mitnehmen dürfen, sei ihre Mutter morgens gleich in die Stadt gefahren, um das Nötigste zu kaufen. Jetzt müsse die Familie abwarten, sagt sie schulterzuckend.

"Wir haben hier sehr motivierte Kollegen"

Von einer guten Nacht berichtet auch Sarah Tölg vom Malteser Hilfsdienst. Sie koordiniert die Betreuung in der Halle und ist seit dem Vortag dort im Einsatz. "Wir haben hier ja 13 Kleinkinder", berichtet sie, "aber das hat alles ganz gut funktioniert, es war recht ruhig." Auch sei die Halle rechtzeitig warm geworden, denn das dauere bei einem so großen Raum üblicherweise.

"Wir haben hier sehr motivierte Kollegen vom DRK", sagt sie und zeigt auf zwei Ehrenamtliche, die in der Küche werkeln. Nur eine Frau habe das Team in ein Hotel umquartieren müssen - sie habe vor 19 Tagen erst einen Kaiserschnitt gehabt.

Frau mit dunkelblonden Haaren in Einsatzkleidung

Der Rest der Menschen habe gut auf den Pritschen schlafen können, die in einer Ecke der Halle hinter Sichtschutzwänden stehen. "Und heute haben wir schon Fußball gespielt und ein Uno-Turnier organisiert", erzählt Tölg.

Sorge um Tiere in Sperrzone

Dass die Sperrzone am Dienstag auf 400 Meter ausgeweitet wurde und deswegen weitere Menschen auf bislang unabsehbare Zeit zum Übernachten kommen müssten, sieht Tölg gelassen. Eine große Sorge der Ausquartierten gelte aber den Haustieren, die in der Sperrzone zurückgelassen werden mussten.

Durch die Ausweitung der Sperrzone sind nun auch die Kühe eines Bauern- und die Pferde eines Reiterhofs betroffen. Auf einer Pressekonferenz am Vormittag hatte die Einsatzleitung noch keine konkreten Pläne für diese Tiere.

Rund zwei Kilometer Luftlinie entfernt haben Polizisten eine der Zufahrtstraßen nach Niederzeuzheim abgesperrt. Einer der Polizisten schlendert um die Warnbake herum. Er sieht kein großes Problem dabei, die Kühe und Pferde unterzubringen. "Wir haben hier große Weiden und am Rand der Schutzzone einen weiteren Reitstall", berichtet er und zeigt auf eine Reiterin, die auf einem Sandplatz ihre Runden dreht. "Da wird sich etwas finden."

Medikamente beim Bereitschaftsdienst

Derweil ist Anwohnerin Claudia vor der Absperrung aus ihrem Auto ausgestiegen. Ihren vollen Namen will sie nicht nennen. Ihr seien die Asthma-Medikamente ausgegangen, sagt sie dem Polizisten und fragt, was sie nun tun solle. Der Bereitschaftsdienst im benachbarten Dietkirchen sei informiert, hier bekomme sie unkompliziert ein Rezept und dann auch ihr Medikament, heißt es.

Ein Polizeiauto an einer Zufahrt zu Hadamar-Niederzeuzheim

Claudia hat die Nacht bei ihrem Freund verbracht, wie sie erzählt. Dort oder bei ihrer Familie könne sie auch die kommenden Nächte unterkommen, "Es weiß ja keiner, wie lange es noch dauert", sagt sie achselzuckend.

Anwohnerin: Haus hat vibriert

Niederzeuzheim selbst ist nur noch aus nördlicher Richtung zu erreichen. Nicht in der Sperrzone liegt der Imbiss Himmelreich, der an diesem Tag ein Treffpunkt vieler Anwohner ist und dessen Betreiberin Anne Himmelreich im Lauf des Tages Routine darin entwickelt, Interviews zu geben.

Sie sei um 0.15 Uhr wach geworden, weil das ganze Haus vibriert habe, erzählt sie: "Und das, obwohl unser Haus eigentlich sehr weit weg liegt von dem Haus, das in der Nacht zusammengebrochen ist." Ein Mann war entgegen der Anweisung der Polizei in sein Haus zurückgekehrt - dann gab es eine Verpuffung, und sein Haus stürzte ein.

Dorfbewohner hoffen auf Informationen

Sie habe geahnt, dass etwas passiert sei, erzählt sie, da Sirenen ertönt seien und sich Einsatzfahrzeuge gesammelt hätten. Sie habe sich unwohl gefühlt, das Haus aber nicht verlassen.

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Gasleck in Hadamar: Niederzeuzheim wird zur Sperrzone

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Die Nachricht über das eingestürzte Haus habe sie am Morgen erhalten. Die Stimmung schwanke zwischen Angst und Zuversicht, fasst sie die Gefühle vieler Anwohner zusammen. Das ganze Dorf hoffe auf neue Informationen.

Noch keine guten Nachrichten

Die kommen in der Tat am Dienstag, aber zunächst sind es keine guten. Auf zwei Pressekonferenzen informieren Einsatzkräfte und lokale Politiker über die aktuelle Situation. Demnach muss das hochentzündliche Flüssiggas zunächst vollständig aus dem mit 150 Tonnen Propangas gefüllten Tank ausströmen, ehe weitere Schritte eingeleitet werden können.

Die Ausweitung des Sicherheitsbereichs betrifft weitere rund 150 bis 200 Personen. In dem Gebiet befinden sich auch ein Kindergarten und eine Schule. Haustiere könnten in Absprache versorgt werden, heißt es.

Die Feuerwehr rechnet damit, dass das Ausströmen des Gases allein drei Tage dauern könnte - mindestens so lange können die Anwohner nicht in ihre Häuser zurück.

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