Frost und Pilzbefall Dramatische Ernteausfälle für südhessische Winzer

Pünktlich zur anstehenden Weinlese treten in den südhessischen Weinbergen die Folgen des Klimawandels deutlich zutage. Frost und Pilzbefall sorgen für massive Ernteausfälle, die Winzer hoffen auf schnelle Hilfe. Die soll kommen, aber die Zeit drängt.

Eine Riesling-Rebe, an der nur noch wenige verschrumpelte und verfaulte Trauben hängen.
Erfroren, aufgeplatzt und verfault: An den Riesling-Reben von Winzer Holger Schütz hängen in diesem Jahr so gut wie keine Trauben. Bild © Julian Moering/hr
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Immer wieder schüttelt Holger Schütz langsam den Kopf, während er durch einen seiner Weinberge bei Groß-Umstadt (Darmstadt-Dieburg) streift. "Hier sieht es einfach nur traurig aus", sagt der Bio-Winzer. Sein Gesichtsausdruck unterstreicht das Gesagte.

Tatsächlich geben die Riesling-Reben ein desaströses Bild ab. Viele Blätter sind braun, die wenigen Trauben, die an den Weinstöcken hängen, sind faul oder aufgeplatzt. Manche Reben sind komplett abgestorben. "In diesem Weinberg haben wir 100 Prozent Ertragsausfall", klagt Schütz.

Normalerweise würde hier jetzt die Weinlese starten, aber es ist schlicht nichts zu holen. Verantwortlich für das Wein-Desaster sind zwei Wetterereignisse: "Im Frühjahr hatten wir drei Tage lang extremen Frost. Im Sommer kamen dann Unmengen Regen dazu, die einen großen Pilzdruck erzeugt haben", erklärt der Winzer. "Die Trauben, die nach dem Frost übrig geblieben sind, sind fast alle krank."

Winzer Holger Schütz in seinem kranken Weinberg
Winzer Holger Schütz in seinem kranken Weinberg Bild © Julian Moering/hr

Bergstraße und Odenwald besonders betroffen

So wie Schütz geht es vielen Winzern im Odenwald oder an der Bergstraße. So hat auch Charlotte Freiberger vom Weingut Freiberger in Heppenheim (Bergstraße) mit den Folgen des extremen Wetters zu kämpfen. "Der viele Regen hat dazu geführt, dass sich die Trauben vollsaugen, aufplatzen und faulen", berichtet die ehemalige deutsche Weinprinzessin. Hinzu käme der Pilzbefall, etwa durch Falschen Mehltau.

Für die betroffenen Winzerinnen und Winzer hat das dramatische Folgen, vor allem finanziell. "Aus meinen 12 Hektar hole ich normalerweise 120 Tonnen Trauben raus. Dieses Jahr komme ich vielleicht auf 20 Tonnen", sagt Schütz. Das entspricht einem Ernteausfall von rund 85 Prozent.

Im Frühjahr - direkt nach dem Frost, aber noch vor dem Regen – hatte Schütz noch gehofft, zumindest die Hälfte der Ernte retten zu können. Es ist ganz anders gekommen. "Das kostet mich mindestens 100.000 Euro", sagt der Landwirt. Noch sei allerdings genug Wein aus den vergangenen Jahren in den Fässern, so dass die Kunden den Ausfall erst einmal nicht zu spüren bekämen.

Winzerin Freiberger kann noch nicht abschätzen, wie die Weinlese in diesem Jahr ausfallen wird: "Die Ertragsmenge wird in den Weinbergen sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wie krank die Reben sind." Das Familienunternehmen sei aber definitiv unter Druck.

Folgen des Klimawandels

Für Schütz ist klar: "Das sind die Folgen des Klimawandels, und wir spüren das an vorderster Front." Frost habe es auch früher schon gegeben, doch durch den Klimawandel trieben die Reben immer früher aus. Der Frost treffe sie deswegen in einer Phase, in der die Pflanzen schon voll im Saft stehen. Die Schäden seien deswegen größer. Auch der Regen falle lokal sehr unterschiedlich aus und sei kaum noch einzuplanen.

Im Weinbau-Dezernat in Eltville, das zum Regierungspräsidium Darmstadt gehört, ist das Problem bekannt. "In der Weinbauinsel an der Bergstraße und im Odenwald haben wir teilweise Ausfälle von bis zu 100 Prozent", sagt Dezernatsleiterin Veronica Ullrich.

Hessenweit ist die Lage deutlich besser

Allerdings sei die Situation in den hessischen Weingebieten in diesem Jahr sehr unterschiedlich. "Groß-Umstadt und die Bergstraße hat es sehr hart getroffen, auch Rüdesheim hatte Probleme mit Hagel", berichtet Ullrich. Hessenweit sehe die Lage aber deutlich besser aus: "Wir rechnen insgesamt mit einem Ernteausfall von drei bis fünf Prozent."

Dass es vor allem die südhessischen Gebiete getroffen hat, habe einerseits mit der Lage zu tun, weil etwa der Frost dort länger stehen bleibe. Andererseits sei es aber auch nur Zufall, dass die Wetterextreme genau dort aufgetreten sind, so Ullrich. "Wir arbeiten in der Natur und mit der Natur, die Folgen des Klimawandels können alle treffen."

Umso wichtiger sei es, dass sich Winzer-Betriebe mit den Herausforderungen auseinandersetzen und reagieren. Holger Schütz will in Zukunft etwa auf pilzresistentere Rebsorten setzen, wie etwa die noch einigermaßen bekannte Sorte Regent, aber auch Exoten wie Carladis Blanc oder Cabernet Cortis. Das Problem: "Der Weinmarkt ist sehr traditionell, die Leute kaufen lieber Sorten, die sie schon kennen", sagt Schütz.

Winzer hoffen auf schnelle Unterstützung

Neben der Eigeninitiative sei es deswegen wichtig, in Notzeiten finanzielle Unterstützung zu bekommen. "Im Moment bekommen wir leider gar nichts, das ist in fast allen anderen Bundesländern mit Weinbau anders", erzählt Schütz. Dort würden Landwirte und Winzer etwa bei Versicherungen gegen Frost oder Hagelschäden unterstützt, das heißt, sie müssen geringere Beiträge zahlen.

In Hessen gibt es so etwas noch nicht, was sich laut Koalitionsvertrag aber ändern soll. Die schwarz-rote Regierung plant demnach die Einführung einer sogenannten "Hessen-Police", die eben jene Unterstützung bringen soll. Wann es so weit sein wird, ist allerdings noch unklar. "Erste konzeptionelle Schritte sind eingeleitet", teilte das Landwirtschaftsministerium dem hr auf Anfrage mit. Das klingt nicht nach einer schnellen Lösung.

Parallel hat das Land auch ein Nothilfeprogramm für Wein- und Obstbaubetriebe aufgelegt. Aber auch hier wird es noch dauern, bis die Gelder fließen. Zumindest soll es in Kürze möglich sein, Anträge zu stellen, so das Ministerium.

Schütz und den anderen betroffenen Winzer-Betrieben aber läuft die Zeit davon. Der Winzer fürchtet: "Wenn so etwas in den nächsten Jahren noch einmal passiert, wird das für die Hälfte aller Betriebe hier in der Region das Ende sein."

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Quelle: hessenschau.de