Rassismus, Diskriminierung und Beleidigung Frankfurter Stadtverordnete erhebt schwere Vorwürfe gegen Grüne
Sie wollte mit den Grünen in Frankfurt für mehr Gerechtigkeit kämpfen. Doch nun wirft die Stadtverordnete Mirrianne Mahn ausgerechnet ihrer eigenen Partei Rassismus und Diskriminierung vor.
Es war 2021, als Mirrianne Mahn unerwartet bundesweit bekannt wurde: Während der damalige Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann seine Laudatio zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche hielt, stand die Stadtverordnete der Grünen plötzlich neben ihm am Rednerpult und unterbrach ihn. Mahn empörte sich über die Präsenz rechter Verlage auf der Buchmesse, die dafür sorgten, dass sich schwarze Autorinnen dort unsicher fühlten.
Nicht zuletzt seit dieser Protestaktion ist Mahn bekannt dafür, gegen Diskriminierung, Rassismus und für den Feminismus zu streiten. Dass sie bislang bei den Grünen politisch aktiv war, klingt logisch.
Doch nun erhebt Mahn schwere Vorwürfe gegen ihre Partei: Sie sei jahrelang immer wieder beleidigt, diskriminiert und rassistisch behandelt worden. Am Dienstagabend kündigte sie an, die Grünen zu verlassen und zum April in die Fraktion ÖkoLinX-ELF einzutreten.
Externen Inhalt von X anzeigen?
An dieser Stelle befindet sich ein von unserer Redaktion empfohlener Inhalt von X. Beim Laden des Inhalts werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen. Nähere Informationen erhalten Sie in unseren Datenschutzbestimmungen
Enttäuscht von "undemokratischem Verhalten"
Mahn trat 2020 den Grünen bei: Nach dem Anschlag von Hanau habe sie sich im Frankfurter Stadtparlament "gegen Racial Profiling und rassistische Narrative" einsetzen wollen, erklärte sie.
Doch bei den Grünen sei sie schnell auf große Widerstände gestoßen. "Störungen sind nicht gewollt - oder Menschen, die nicht strikt nach Partei-Sprech sprechen", sagte sie dem hr am Mittwoch. Mahn beklagt, weite Teile der Partei hätten sie immer wieder in ihrem Engagement behindert, weil sie sich nicht an Hinterzimmerabsprachen oder ungeschriebene Regeln gehalten habe. Sie spricht von "undemokratischem Verhalten".
Zur Krankmeldung gezwungen
Als ein Beispiel führt Mahn ihren Antrag zur Ächtung des rassistischen N-Wortes an. In der Koalition sei die FDP gegen diesen Antrag gewesen. Als die Abstimmung darüber in der Plenarsitzung anstand, habe die Grünen-Fraktion entschieden, den Antrag zurückzustellen - um den Koalitionsfrieden zu wahren.
Da Mahn gegen ihre eigene Fraktion abstimmen wollte, habe die Fraktionsführung sie gegen ihren Willen für die Sitzung krankgemeldet. "Ich wurde daran gehindert, mein Mandat auszuüben, weil ich nicht so abstimmen wollte, wie die Mehrheit es wollte", so Mahn.
Konflikt mit konservativem Parteiflügel
Für weitere Spannung sorgte der Vorfall bei der Friedenspreis-Verleihung in der Paulskirche 2021. Mit ihrer Protestaktion während der Rede Peter Feldmanns habe sie den konservativen Flügel der Grünen "endgültig gegen mich aufgebracht", sagte Mahn. Einzelne Fraktionsmitglieder hätten sich sogar öffentlich von ihr distanziert.
Von Europa-Kandidatur abgehalten
Mahn wirft den Grünen zudem vor, 2023 systematisch ihre geplante Kandidatur für die Europawahl sabotiert zu haben. Ihrer Aussage nach forderte Bundes-Parteichef Omid Nouripour, der selbst aus Frankfurt kommt, man müsse Mahn als Kandidatin "verhindern".
Am Tag der Aufstellung der Europa-Liste sei sie von Parteimitgliedern "beleidigt und angegriffen" worden. Als Mahn auf dem Weg zur Bühne war, um ihre Rede zu halten, habe eine Frankfurter Parteikollegin sie geschubst, angeschrien und ihr einen Teil ihres Manuskripts weggerissen. Außerdem hätten Parteimitglieder Delegierte bis auf die Toilette verfolgt, um sie davon abzuhalten, für Mahn zu stimmen. Am Ende wurde sie nicht für die Wahl aufgestellt.
Grüne fordern Amtsverzicht
Die Partei zeigt sich auf Anfrage irritiert, aber nicht überrascht über Mahns Abgang. "Wir bedauern, dass sie aus Fraktion und Partei ausgeschieden ist - es war für mich absehbar", sagte Burkhard Schwetje, Kreisvorstandssprecher der Frankfurter Grünen.
Man erwarte, dass Mahn auch ihr Mandat als Stadtverordnete abgibt, weil sie über die Liste der Grünen gewählt wurde. "Das wäre politisch korrekt", so Schwetje. Mahn lehnt das ab: "Man wählt bei der Kommunalwahl einzelne Personen. Solange mir kein Grund genannt wird - außer politische Korrektheit -, sehe ich keinen Anlass, mein Mandat abzugeben."
Vorwürfe zurückgewiesen
"Wir sind irritiert über die schweren Vorwürfe", sagte Vorstandssprecher Schwetje, ohne konkreter darauf einzugehen. "Es wäre besser gewesen, man hätte miteinander gesprochen statt übereinander." Die Grünen-Fraktion im Römer äußert sich ähnlich knapp: "Die persönlichen Vorwürfe, die Mirrianne Mahn erhebt, weisen wir in dieser Form zurück."
Dem entgegnete Mahn im hr-Gespräch: "Ich gehe davon aus, dass nicht auf konkrete Vorwürfe eingegangen wurde, weil sie alle so stimmen."
"Nie mein Ziel, mich an Macht zu klammern"
Große Freude herrscht bei der Fraktion ÖkoLinX-ELF, der sich Mahn nun anschließen will. "Wir stehen in wesentlichen Fragen auf der gleichen Seite: gegen alle Formen des Rassismus und des Antisemitismus, für Ökologie, Feminismus und Basisdemokratie", erklärte die Fraktionsvorsitzende Jutta Ditfurth am Dienstag.
Mahn ist davon überzeugt, auch bei der Kleinpartei politischen Einfluss nehmen zu können. "Es war nie mein Ziel, mich an Macht zu klammern", sagte sie dem hr. Ihrer künftigen Ex-Partei empfiehlt sie: "Ich glaube, dass es den Grünen guttun würde, sich mehr den Inhalten und weniger der Macht zuzuwenden."