Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, spricht auf dem Landesparteitag zu den Delegierten.

Für die Landtagswahl im Oktober hat die SPD Nancy Faeser mit großer Mehrheit zur Spitzenkandidatin gewählt. Die Bundesinnenministerin will in Hessen nach bald 25 Jahren CDU-Herrschaft eine "neue Ära sozialdemokratischer Reformpolitik" starten.

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SPD kürt Nancy Faeser zur Spitzenkandidatin

hs 17.06.2023
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In Umfragen liegt die hessische SPD derzeit noch deutlich hinter der führenden CDU zurück. Beim Parteitag am Samstag in Hanau hat sich die SPD-Landesvorsitzende und Bundesinnenministerin Nancy Faeser trotzdem zuversichtlich gezeigt, nach der Landtagswahl am 8. Oktober neue Ministerpräsidentin zu werden.

8.950 Tage werde die CDU am Wahltag schon an der Regierung sein. "Das ist ein Vierteljahrhundert, das reicht dann auch, oder?", sagte die 52-Jährige unter lautem Applaus der rund 330 Delegierten.

Nach ihrer Rede wurde Faeser erwartungsgemäß und mit großer Mehrheit auf Platz eins der SPD-Landesliste für die Hessen-Wahl gewählt. Sie erhielt 94,46 Prozent der Stimmen.

307: Ja, 13: Nein, 5 Enthaltungen

307 Delegierte stimmten mit Ja, 13 mit Nein. Fünf enthielten sich. Faesers Vorgänger Thorsten Schäfer-Gümbel war als Spitzenkandidat bei den drei zurückliegenden Landtagswahlen gescheitert.

Faeser zeigte sich gegenüber dem hr glücklich über das Ergebnis - gerade angesichts ihrer Aufgaben als Bundesinnenministerin. Denn die innerparteiliche Auseinandersetzung in der SPD um die Verschärfung der europäischen Asylpolitik und den von Faeser unterstützten Kurs der EU-Innenminister nahm auch in Hanau breiten Raum ein.

Proteste gegen Asyl-Kompromiss

Vor dem Congress Park, wo die SPD tagte, protestierten einige Demonstranten gegen die Pläne für eine weitreichende Reform und Verschärfung des europäischen Asylsystems. "Keine Haftlager an den Außengrenzen" und "Nancy Seehofer?" stand auf den Bannern.

Vor dem SPD-Parteitag in Hanau - Protest von Linken gegen die Asypolitik von Nancy Faeser

Faeser war maßgeblich an dem umstrittenen Kompromiss beteiligt, der illegale Migration schon an den EU-Außengrenzen stärker eindämmen soll. Die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti trat wegen der Regelung kurz vor dem Landesparteitag aus der SPD aus. Drei ehemalige Landtagsabgeordnete der SPD bezeichneten die Regelung als inhuman.

Eine Gruppe von SPD-Mitgliedern trägt blaue T-Shirts mit der Aufschrift "Not my Europe"

Auch auf dem Parteitag übte der linke Flügel Kritik. Einem Antrag des Landesvorstands, der die geplante Reform verteidigte, traten die Jusos mit einem eigenen entgegen. Man unterstütze Faesers Kandidatur. Aber hier handele es sich um einen "faulen Kompromiss". Mit der Schaffung von Lagern, in denen sogar Familien und Minderjährige festgehalten werden sollten, werde eine rote Linie überschritten.

"Nancy ist kein Seehofer"

Lob erhielt Faeser dagegen von Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). "Danke, Nancy, dafür", sagte der Kommunalpolitiker. Es sei eine europäische Lösung erreicht worden, die seit langem diskutiert worden sei.

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth verteidigte den Asyl-Kompromiss auf EU-Ebene. "Nancy ist kein Seehofer", sagte er zum Vergleich mit dem früheren Bundesinnenminister der CSU.

Die Bundesinnenministerin selbst war auf das Thema in ihrer Rede nicht eingegangen. In der Debatte über den Juso-Antrag verteidigte sie den Kompromiss, lobte die Kritiker aber für ihr Eintreten für die Menschenrechte.

Faeser attackiert CDU

Als politischen Gegner nahm sich Faeser ausschließlich die hessische CDU vor. Die Union stellt seit 1999 ununterbrochen die Ministerpräsidenten, seit 2014 in einer Koalition mit den Grünen. Die Grünen, die mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ebenfalls Ambitionen auf die Regierungsführung angemeldet haben, erwähnte Faeser kein einziges Mal.

Den derzeitigen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) nannte Faeser ebenfalls nicht namentlich, bezeichnete ihn als "Grüß-August". Sie dagegen werde eine Regierungschefin sein, "die anpackt". Der Union warf sie "Arroganz der Macht", "Stillstand" und "Skandale" vor. Ein großer Skandal sei, dass die Partei in dieser Zeit "das Leben von so vielen Menschen in Hessen anstrengender, ärmer, schlechter gemacht hat".

Generalsekretär sieht Zweikampf bei Landtagswahl

"Lasst uns eine neue Ära sozialdemokratischer Reformpolitik beginnen, rief Faeser. Der neue Aufbruch, für den sie stehe, müsse alle Bereiche erfassen – von der Bildungs- über die Klima- bis zur Industriepolitik.

Ein ebenso wie das Wahlprogramm einstimmig angenommener Leitantrag des SPD-Landesvorstands macht den Kampf gegen den Mangel an Arbeits- und Fachkräften zum Thema. Der Wahlkampf soll laut Generalsekretär Christoph Degen vier Schwerpunkte haben: gerechte Arbeit, gute Bildung, gerechte Gesundheitsversorgung und bezahlbares Wohnen. Degen sprach in Hanau von einem Zweikampf mit der CDU um die Staatskanzlei. Ziel der SPD sei, stärkste Fraktion zu werden.

Faeser warf der CDU auch einen beschämenden Umgang mit dem rassistischen Anschlag von Hanau vor, dem 2020 neun Menschen mit Migrationshintergrund zum Opfer gefallen waren. Die Tat habe sie darin bestärkt, dass Sozialdemokraten "den erstarkenden Rechtsextremismus zu jeder Zeit mit allen Kräften bekämpfen müssen".

Klingbeil: Privileg, mit Faeser anzutreten

Vor Faeser hatte der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil der Spitzenkandidatin den Rücken gestärkt – auch gegen Kritik von CDU und Grünen, dass sie ungeachtet ihrer hessischen Ambitionen Ministerin in Berlin bleiben will. Es sei ein "Privileg", mit einer solchen Ministerin bei der Wahl in Hessen anzutreten, sagte er. Man könne eine gute Bundesinnenministerin sein und trotzdem das Herz für Hessen schlagen lassen.

Faeser ist seit Dezember 2021 Bundesinnenministerin in der Ampel-Regierung. Die 52-Jährige gehörte zuvor 16 Jahre lang dem Landtag an, zuletzt seit 2019 war sie SPD-Fraktionschefin und damit Oppositionsführerin.

Dämpfer nach Plaketten-Affäre

Auch bei der Abstimmung der Listenplätze hinter Faeser kam es zu keinen Überraschungen. Auf Platz zwei steht Landtagsfraktionschef Günter Rudolph. Der wegen einer Parkplaketten-Affäre geschwächte Vize-Fraktionschef Marius Weiß landete auf Platz 14.

Das dürfte immer noch klar für einen Platz im nächsten Landtag reichen, zurzeit hat die SPD dort 29 Mandate. Es ist aber auch ein Dämpfer: Vor fünf Jahren lag Weiß noch auf Platz 11.

Die Top-15

Die ersten 15 Plätze auf der SPD-Landesliste erhielten am Ende in dieser Reihenfolge: Nancy Faeser (Main-Taunus), Günter Rudolph (Schwalm-Eder), Heike Hofmann (Darmstadt-Dieburg), Turgut Yüksel (Frankfurt), Lisa Gnadl (Wetterau), Christoph Degen (Main-Kinzig), Daniela Sommer (Waldeck-Frankenberg), Tobias Eckert (Limburg-Weilburg), Elke Barth (Hochtaunus), Oliver Ulloth (Kassel-Land), Kerstin Geis (Groß-Gerau), Stephan Krüger (Lahn-Dill), Karina Fissmann (Werra-Meißner), Marius Weiß (Rheingau Taunus) sowie Nina Heidt-Sommer (Gießen).

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