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Hessen will Asylverfahren von Menschen aus sicheren Herkunftsländern beschleunigen

Formular auf Asylantrag in Deutschland (imago images/U. J. Alexander)

Asylverfahren dauern oft Jahre - und in Hessen besonders lang. Damit es jetzt schneller geht, soll sich das Verwaltungsgericht Gießen schon bald um alle Verfahren von Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern kümmern.

Maximal ein halbes Jahr sollen Asylverfahren noch dauern, bis eine gerichtliche Entscheidung in erster Instanz getroffen ist. Jedenfalls wenn die Betroffenen aus als sicher eingestuften Herkunftsländern kommen. So haben es Bund und Länder vor Kurzem bei ihrem Gipfel beschlossen. Doch noch dauert es gerade in Hessen meist viel länger.

Das soll sich jetzt ändern, damit Menschen ohne Bleibeperspektive früher als bisher das Land verlassen müssen. Das Verwaltungsgericht in Gießen soll sich auf die Bearbeitung aller neuen Fälle dieser Art für das ganze Bundesland konzentrieren. Das empfiehlt eine von Justizminister Roman Poseck (CDU) geleitete Arbeitsgruppe von Verwaltungsrichtern und -richterinnen, wie der Minister am Donnerstag mitteilte.

Noch bearbeiten alle Verwaltungsgerichte Hessens solche Fälle. "Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Maßnahmen eine deutliche Beschleunigung bewirken werden", sagte Poseck. Das Gießener Verwaltungsgericht soll für die Aufgabe mehr Personal erhalten. Es habe sich in Asylsachen bislang als sehr leistungsfähig erwiesen.

Weniger als fünf Prozent anerkannt

Nach den Empfehlungen der Arbeitsgruppe sollten in Gießen auch solche Verfahren gebündelt werden, die Staaten mit einem geringen Fallaufkommen betreffen. So könnten laut Poseck aufwendige Einarbeitungen in länderspezifische Besonderheiten an anderen Gerichtsstandorten vermieden werden.

Er wolle die Ergebnisse der Arbeitsgruppe nun in die politischen Beratungen in Hessen einbringen, kündigte der Minister an. "Aus meiner Sicht sollten wir die Umsetzung zügig betreiben“, sagte er.

Betroffen sind Asylanträge aus Staaten, die so eingeschätzt werden, dass dort generell keine staatliche Verfolgung droht und der Staat Menschen vor anderweitiger Verfolgung schützen kann Es gilt dann die sogenannte Regelvermutung, dass keine Gefahr für die Antragsteller im Falle einer Abschiebung vorliegt.

Die Quote der anerkannten Asylanträge liegt in diesen Fällen jeweils bei unter fünf Prozent. Auf der Liste der sicheren Herkunftsländer stehen derzeit neben allen EU-Staaten, die afrikanischen Länder Ghana und Senegal sowie die Westbalkan-Staaten Bosnien und Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo und Montenegro.

Streit um die Liste der "sicheren Länder"

Gerade bei diesen Verfahren sollte es laut Poseck schnell gehen, "da die Erfolgsaussichten des Asylantrags ungünstig, die Rückführungsperspektiven dagegen günstig sind". Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will Georgien und Moldau noch auf die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" dazu nehmen. Einem entsprechenden Gesetz stimmte der Bundestag am Donnerstag zu, nun muss es noch durch den Bundesrat.

Die Union und auch Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein fordern, auch Marokko, Tunesien, Algerien und Indien hinzuzunehmen.

Ziel ist es, die Zahl der Asylbewerber und die Dauer des Aufenthalts derjenigen zu verringern, die keine Bleibeperspektive haben. Diese Politik wird von Kritikern wie Pro Asyl scharf angegriffen - nicht zuletzt, weil die für sicher erklärten Staaten für Betroffene zum Teil sehr viel gefährlicher seien als behauptet.

Der Anteil der Menschen aus diesen Staaten ist vergleichsweise gering. Hauptherkunftsländer der Schutzsuchenden in Hessen sind 2023 wie schon im Vorjahr Afghanistan, Türkei und Syrien. Die derzeit mit Abstand größte Gruppe der Flüchtlinge - Menschen aus der Ukranie - genießt temporären Schutzstatus, braucht kein Visum und muss auch keinen Asylantrag stellen.

Nur Brandenburg braucht länger

Der Bund-Länder-Beschluss sieht bei den verkürzten Verfahren mit Menschen aus als sicher eingestuften Herkunftsländern eine maximale Dauer von insgesamt sechs Monaten vor: drei Monate bis zur Entscheidung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), drei weitere für das häufig folgende Gerichtsverfahren bis zum Beschluss in erster Instanz. Für die viel höhere Zahl aller anderen Anträge gilt eine gewünschte Bearbeitungsfrist von insgesamt einem Jahr.

Ende des ersten Halbjahres 2023 hatten die fünf Verwaltungsgerichte in Hessen laut einer bundesweiten Erhebung des Deutschen Richterbundes die Verfahren im Schnitt erst nach gut 30 Monaten beendet. Länger dauerte es lediglich in Brandenburg.

Gerichte schon schneller

Allerdings stellte der Richterbund auch fest, dass die Verfahren im Bundesschnitt und auch in Hessen kürzer werden. Das betonte auch Justizminister Poseck. Die Laufzeiten seien bei den meisten hessischen Verwaltungsgerichten schon heute rückläufig.

Die Statistik trügt demzufolge noch, weil zuletzt besonders viele alte Fälle aus den Jahren um 2015 abgearbeitet wurden, als die Asylbewerbezahlen höher waren. So dauerten nach Posecks Angaben die Asylverfahren in Hessen im ersten Quartal des laufenden Jahres im Schnitt 31 Monate. Im dritten Quartal seien es 26 Monate gewesen.

Mehr Proberichter im Einsatz

Dirk Schönstädt, Präsident des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, teilte Posecks Einschätzung in der gemeinsamen Mitteilung vom Donnerstag. Die Verwaltungsgerichte könnten nun alte Verfahren auf allen Rechtsgebieten abbauen und gleichzeitig Asylverfahren abschließen.

Neben der personellen Verstärkung des Verwaltungsgerichts Gießen wird das laut Schönstädt auch dadurch möglich, dass Proberichter in Asylverfahren flexibler eingesetzt werden dürfen. Auch die Fortbildung sei intensiviert worden. Er sprach von einem Maßnahmenbündel, "das die Verwaltungsgerichte bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, wirksam unterstützt".

Rheinland-Pfalz nur Teil-Vorbild

Mit der Entscheidung steht auch fest: Den Weg des Nachbarbundeslandes Rheinland-Pfalz geht Hessen nicht ganz mit. Dort kümmert sich ein einziges Verwaltungsgericht, das in Trier, mit knapp 30 Richtern um alle Asylverfahren - nicht nur um die für Menschen aus sicheren Herkunftsländern.

Das hat zu den bundesweit mit Abstand schnellsten Asylverfahren geführt. Sie dauern in Trier derzeit im Schnitt keine vier Monate.

Schon nach dem Bund-Länder-Gipfel hatte Poseck gegenüber dem hr signalisiert, dass eine solche völlige Zentralisierung seiner Meinung nach für Hessen nicht gut umzusetzen ist. Ein Hauptargument: Das Land sei mit Rheinland-Pfalz schon von der Größe her nicht vergleichbar. Die geografische Entfernung zum Gericht dürfe für die Verfahrensbeteiligten nicht unzumutbar weit sein.

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