Ein Gedenkstein mit der Aufschrift "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für WERTE eintreten" liegt vor der Walter-Lübcke-Schule.

Der Landtag hat seine Untersuchung zum Mord am CDU-Politiker Lübcke abgeschlossen. Nach wochenlangem Streit verlief die Debatte betont moderat. Zu einem Schulterschluss bei den Bewertungen reichte es aber nicht.

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Landtag debattiert die Ergebnisse des Lübcke-Ausschusses

hs 19.07.2023
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Vier Jahre nach der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke hat der Landtag am Mittwoch in Wiesbaden den Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses debattiert. Dass es zu keinem gemeinsamen Bericht kam, führte zu gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Regierungslager und Opposition.

Entgegen dem zum Teil heftigen Streit der vergangenen Wochen verlief die Auseinandersetzung diesmal im Ton auffallend moderat. Der Appell der Grünen-Abgeordneten Eva Goldbach, alle Demokraten sollten doch noch ein "Signal der Einigkeit" setzen, hatte aber keine Aussicht auf Erfolg.

Den Bericht hat die schwarz-grüne Koalition nach drei Jahren Arbeit des Ausschusses mit ihrer Mehrheit durchgesetzt. Das Papier räumt Fehler der Sicherheitsbehörden ein, vor allem im Umgang des Verfassungsschutzes mit dem später verurteilten rechtsextremen Mörder Stephan Ernst.

Vier verschiedene Bewertungen

Der Bericht lässt die Frage offen, ob der Mord bei besserer Arbeit von Verfassungsschutz und Polizei zu verhindern gewesen wäre. Dafür fehle es an Fakten, außerdem sei eine Antwort auf die Frage nicht Aufgabe des Ausschusses gewesen.

In der Debatte zeigten sich trotz vieler Gemeinsamkeiten in der Analyse und bei Verbesserungsvorschlägen Unterschiede: in der Gewichtung der festgestellten Mängel ebenso wie bei der Frage, ob Lübcke noch leben könnte, wenn es diese Mängel nicht gegeben hätte. SPD und FDP haben gemeinsam ein eigenes Fazit vorgelegt. Ein solches Sondervotum gibt es jeweils auch von Linkspartei und AfD.

CDU sieht keine strukturellen Mängel

"So kommen wir zu dem Schluss: Die grausame Tat, die uns alle in Mark und Bein erschüttert hat, war durch die Sicherheitsbehörden nicht zu verhindern", sagte Holger Bellino, Obmann der CDU im Ausschuss.

Es habe "einzelne Versäumnisse" gegeben, aber keine strukturellen Mängel. Vielmehr habe sich gezeigt, dass die seit 1999 für das Innenressort verantwortliche CDU "massive Verbesserung" bei der Ausstattung der Behörden erreicht habe. SPD und FDP hätten trotz großer Übereinstimmungen bei den Handlungsempfehlungen keinen Austausch über den Abschlussbericht gewollt.

Grüne sehen Fehler und Verbesserungen

Die Grünen-Abgeordnete Goldbach zitierte dagegen aus dem Bericht, dass die Frage nach einer möglichen Verhinderung der Tat "faktenbasiert" nicht zu beantworten sei. Sie betonte, dass es ein Fehler des Verfassungsschutzes gewesen sei, den späteren Mörder trotz dessen schwerer Vorstrafen nicht mehr zu beobachten und seine Akte für den Gebrauch zu löschen: "Die Gefährlichkeit von Stephan Ernst steht rückblickend außer Frage."

Laut Goldbach müssten zukünftig Verfassungsschutz und Polizei den Informationsaustausch ausbauen und scheinbar unauffällige Rechtsextremisten intensiver beobachten. Personell sei der Verfassungsschutz schon besser aufgestellt, weitere Verbesserungen seien geplant.

Der CDU-Politiker Lübcke war 2019 von dem Rechtsextremisten Stephan Ernst erschossen worden. 2020 wurde der Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, der die Rolle der Sicherheitsbehörden in dem Mordfall aufarbeiten sollte. Der verurteilte Mörder Ernst war als Rechtsextremist aktenkundig, aber zum Tatzeitpunkt nicht mehr unter besonderer Beobachtung des Verfassungsschutzes gewesen.

SPD-Berichterstatter: "Ich war so naiv"

SPD-Fraktionschef Günter Rudolph kritisierte, dass Schwarz-Grün die politisch Verantwortlichen für zu Tage getretene Fehler nicht benenne. Die Verantwortung trügen die früheren CDU-Innenminister: Ex-Ministerpräsident Volker Bouffier, der amtierende Regierungschef Boris Rhein und der aktuelle Minister Peter Beuth.

Dass CDU und Grüne seit Monaten "insgeheim" einen eigenen Bericht vorbereitet hätten, warf ihnen der SPD-Abgeordnete Gerald Kummer vor. "Ich war so naiv, zu glauben, dass es eine Zusammenarbeit geben sollte." Hintergrund: Mit Kummer sollte erstmals ein Oppositionspolitiker für den Ausschuss einen Entwurf für den Abschlussbericht vorlegen. Die Koalition kritisierte den Entwurf aber als ungenügend und kam mit einer eigenen Version.

Es habe bei den Behörden keinen einzelnen Schuldigen und keinen bösen Willen gegeben, sondern eine Addition von "vielen kleinen Nachlässigkeiten und Unaufmerksamkeiten", lautete Kummers inhaltliches Fazit.

Ein Bericht fürs Ministerium?

Der FDP-Abgeordnete Matthias Büger warf der schwarz-grünen Koalition vor, ihr sei es um einen "Bericht im Sinne des Innenministeriums" gegangen. Eine Beweiskette dafür, dass der Mord zu verhindern gewesen wäre, gebe es zwar nicht. Aber strukturelle Mängel beim Verfassungsschutz hätten die Tat erleichtert.

Für diese Missstände gebe es eine politische Verantwortung. Es ist daher laut Büger bedauerlich, dass die im betreffenden Zeitraum zuständigen Innenminister "nicht die Kraft gefunden haben, sich öffentlich zu entschuldigen".

Linke: Mord war zu verhindern

Dass der Mord zu verhindern gewesen wäre - darauf legte sich einzig die Linksfraktion eindeutig fest. Nach Darstellung ihres Ausschuss-Obmanns Torsten Felstehausen hat die Politik in Hessen einen Rechtstrend in der Gesellschaft nicht wahrgenommen.

Bewegungen wie die nordhessische KAGIDA oder die AfD seien als bürgerlich verharmlost worden. "Der Inlandsgeheimdienst hat im Kampf gegen Rechts einmal mehr versagt", fügte Felstehausen hinzu. Die Behörde sei nicht zu reformieren und müsse aufgelöst werden.

AfD warnt vor Linksextremismus

Im Lübcke-Ausschuss hat sich nach Meinung des AfD-Obmanns Klaus Herrmann "parteipolitisches Kalkül und eine Diskreditierung der AfD" gezeigt. Auf eine konstruktive Mitarbeit seiner Fraktion hätten die anderen keinen Wert gelegt.

Auch Hermann machte zwar Schwachstellen bei den Sicherheitsbehörden aus. Er und die AfD kommen aber zum Schluss, dass der Mord an Lübcke trotzdem "sehr wahrscheinlich" nicht zu verhindern war.

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