Oberkörper eines Mannes, der am Tisch sitzt. Im Hintergrund unscharf ein Büro mit Computern.

Das Land werde von Schwarz-Grün unter Wert regiert, findet FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas - dabei müsse man es nur machen wie ehedem Friedrich der Große. Im Interview äußert sich Naas zu seinen Aussichten auf eine Regierungsbeteiligung und den Vorzügen der Ampel.

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"hr-Wählbar" mit Stefan Naas

hs 19.09.2023
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Wenige Wochen vor der Hessen-Wahl am 8. Oktober muss Stefan Naas zusehen, dass die hessische FDP es wieder in den Landtag schafft - hr-Umfragen sahen sie zuletzt bei 5 Prozent, also genau auf der Schwelle. Dazu kommt, dass der frühere Bürgermeister von Steinbach (Hochtaunus) als Spitzenkandidat seiner Partei den meisten Menschen im Land noch immer unbekannt ist.

Im Interview mit hessenschau.de erzählt er, womit ihn Ministerpräsident Boris Rhein von seinem Wunschkoalitionspartner CDU zuletzt enttäuscht hat und was er besser machen würde als Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), den er im Amt beerben möchte.

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hessenschau.de: Herr Naas, Sie haben gesagt, dass Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner als Bundesfinanzminister bei der Inflationsbekämpfung "einen sehr, sehr guten Job" macht. Doch in Deutschland ist die Inflationsrate deutlich höher als in einigen Nachbarländern. Arbeitet Herr Lindner also wirklich so gut?

Stefan Naas: Ich finde schon, die Inflation baut sich aber über lange Zeit auf. Und es dauert, sie wieder abzubauen. Umso schwieriger ist es, wenn der Staat nicht Maß hält. Daher ist es gut, dass Christian Lindner die Schuldenbremse verteidigt.

hessenschau.de: Aber warum stehen so viele Länder in Europa besser da?

Naas: Die Wirtschaft in Deutschland schwächelt. Wir müssen schauen, dass wir die Erwerbsgrundlage verbessern und mehr investieren. Ein Staat kann immer sehr schnell das Geld ausgeben, das sehen Sie in der Diskussion um das Kindergeld und die Kindergrundsicherung.

hessenschau.de: Sie bemängeln, dass es der Wirtschaft in Hessen schlecht geht. Angesichts von Corona-Krise und Ukraine-Krieg könnte man doch auch sagen, dass sie eigentlich ganz gut dasteht.

Naas: Hessen ist traditionell ein wohlhabendes Land. Und trotzdem darf man fragen, warum in den vergangenen neun Jahren unter Schwarz-Grün das Wirtschaftswachstum siebenmal im Bundesvergleich unterdurchschnittlich war. Hessen fällt zurück, und das ist kein gutes Zeichen.

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„Wir müssen unsere Erwerbsgrundlage verbessern und mehr investieren.“
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hessenschau.de: Sie würden gern Wirtschaftsminister werden. Wie würden Sie der Wirtschaft ganz konkret helfen?

Naas: Der hessische Wirtschaftsminister hat zwei, drei Instrumente, der Wirtschaft zu helfen. Dazu zählt für mich gute Infrastruktur, also Straßenbau, Schienenausbau, Autobahnausbau. Das wird torpediert durch diese Landesregierung. Bei den Grünen ist es erst mal nicht verwunderlich. Aber dass die CDU das mit sich machen lässt, ist ein Skandal. Dann brauchen wir eine gute digitale Ausstattung - ohne Funklöcher. Außerdem wollen wir den hessischen Mittelstand und das Handwerk stärken.

hessenschau.de: Ob Sie Minister werden, steht in den Sternen. Glaubt man den Umfragen, steht die FDP bei 5 Prozent und muss überhaupt um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen.

Naas: Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir sind hier im Stammland des Liberalismus. 1948 wurde die FDP in Heppenheim gegründet. Wir haben eine sehr gute kommunale Struktur, sind stark verwurzelt in den Städten und Gemeinden.

hessenschau.de: Umso erstaunlicher, dass Sie dann derart kämpfen müssen.

Naas: Das stimmt natürlich. Die Ampel streitet viel, das gibt nicht immer Rückenwind. Aber ich finde, sie kommt voran. Hessen dümpelt vor sich hin und wird nur verwaltet. Ich würde mich immer für Hämmern, Klopfen und Fortschritt entscheiden statt für Ruhe, Verwalten und Stillstand.

hessenschau.de: Sie selbst sind kaum bekannt in der Bevölkerung. Drei Viertel der Befragten im hr-Hessentrend fiel zu Ihnen nichts ein. Ihr Wahlkampf-Ziel war ja auch, unter anderem mit Ihren flashigen Plakaten, sich bekannter zu machen. Damit sind Sie gescheitert, oder?

Naas: Das finde ich nicht. Das sind gute Zahlen. Ich sitze erst seit fünf Jahren im Landtag. Da darf man den Wirkungskreis nicht überschätzen. Manche Mitbewerber waren mehrfach Minister und sind schon sehr lange im Parlament.

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Spitzenkandidaten im Interview

hessenschau.de spricht vor der Landtagswahl in Hessen mit den Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der sechs im Landtag vertretenen Parteien:

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hessenschau.de: Nicht einmal der Wahlprogramm-Chatbot der FDP Hessen kennt Sie. Auf die Frage "Kann Stefan Naas Wirtschaftsminister?" antwortet die KI, sie habe keine Informationen über Ihre Qualifikation.

Naas: Ach, das zeigt mir nur, dass Künstliche Intelligenz noch nicht alles kann. Aber wir sind die einzige Partei, die so etwas einsetzt - auch auf die Gefahr hin, dass noch Lücken der KI zutage treten.

hessenschau.de: Herr Lindner sagte 2017, es sei besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren. Würde ein Austritt aus der Ampel in Berlin die FDP - auch in Hessen - nicht stärken?

Naas: Nein, wir haben eine staatspolitische Verantwortung, diese Koalition weiterzuführen - so, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Alle drängenden Fragen sind aus meiner Sicht in der Ampel lösbar.

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„Wenn die Grünen weltfremd agieren, muss die Partei der Vernunft Kontra geben.“
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hessenschau.de: In Umfragen kommt die Ampel derzeit auf 38 Prozent, würde abgewählt werden. Viele Bürger finden also, dass sie schlecht regiert werden.

Naas: Da gibt es immer mal Stimmungsschwankungen. Der Wert ist natürlich nicht positiv. Insofern wünsche ich mir mehr Konsens. Aber wenn die Grünen besonders weltfremd agieren, gibt es eben von der Partei der Vernunft auch mal Kontra. Ich glaube aber auch, dass Regieren in einer anderen Koalition nicht einfacher wäre, weil die Zeiten auch nicht einfach sind.

hessenschau.de: Haben Sie in Hessen überhaupt eine Machtoption? Ministerpräsident Rhein von der CDU sagte, eine Stimme für die FDP sei eine Stimme für die Ampel, und vor der warnt er jeden Tag.

Naas: Ich würde Herrn Rhein auch sagen: Jede Stimme für die CDU kann eine für Schwarz-Grün sein. Und ich würde ihn auch fragen, wann er sich mal festlegt auf eine bürgerliche Partei als möglichen Koalitionspartner. Aber bei seiner Aussage hätte ich mir natürlich schon mehr …

hessenschau.de: Commitment? Liebe?

Naas: … Freundlichkeit gewünscht, zumal die CDU ja dauernd inhaltliche Positionen von uns abschreibt. Denken Sie nur an die Kompensation der Grunderwerbsteuer beim Kauf der ersten Immobilie oder an den Wolf, die Planungsbeschleunigung, den kostenfreien Meisterbrief - und natürlich die Laserfusion.

hessenschau.de: Kommen wir noch mal auf ein paar Ihrer Wahlkampfthemen zu sprechen: Sie wollen mehr Lehrerstellen sowie Grund- und Berufsschullehrer besser bezahlen. Wie wollen Sie das finanzieren?

Naas: Friedrich der Große sagte im 18. Jahrhundert: Baut gute Straßen und investiert in die Schulen! Das ist bis heute so. Unter Schwarz-Grün entstanden in den elf Ministerien 945 zusätzliche Ministerialstellen - ein Zuwachs von 40 Prozent. Die kosten viel Geld. Das wäre besser angelegt in neue Lehrerstellen.

hessenschau.de: Stichwort Verkehrswende: Sie haben sich zwar zum Anti-Al-Wazir ausgerufen, aber der Verkehrsminister hat doch bei Schienenprojekten rund um Frankfurt vieles in die Bauphase gebracht, was seine FDP-Vorgänger Posch und Rentsch liegen gelassen hatten.

Naas: In neun Jahren hat Herr Al-Wazir keine fünf Kilometer an zusätzlichen Schienen vorzuweisen …

hessenschau.de: … Sie wissen ja, wie lange die Planungen dauern. Für die Nordmainische S-Bahn oder die Regionaltangente West sind sie nach Jahrzehnten abgeschlossen, und es wird endlich gebaut.

Naas: Aber es ist im Vergleich zu dem, was wir brauchen, ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir Freie Demokraten fordern eine landeseigene Schieneninfrastruktur-Gesellschaft, um wichtige Projekte schneller voranzutreiben. Dasselbe gilt für den Bau von Radschnellwegen: Dafür muss das Land zuständig sein.

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„Die CDU schreibt andauernd inhaltliche Positionen von uns ab.“
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hessenschau.de: Obwohl die FDP viele Vorschläge für den Ausbau des ÖPNV macht, scheint Ihnen dennoch nichts so wichtig wie neue Straßen und die Freiheit, mit dem Auto in jede Innenstadt fahren zu können.

Naas: Wir verstehen uns als Mobilitätspartei. Andere wollen das Auto verdrängen, wir nicht. Die Mehrheit der Bevölkerung ist pro Auto, das ist Demokratie. Es soll sogar Leute geben, die durch den ganzen Taunus mit dem Motorrad fahren, nur um auf dem Fuchstanz ein Stück Kuchen zu essen. Soll so etwas verboten werden? Das gehört doch zum Lebensgefühl mancher Menschen!

hessenschau.de: Klingt nach dem Lebensgefühl der 1960er Jahre. Wir haben 2023.

Naas: Aber es sitzen doch auch moderne Menschen auf den Motorrädern.

hessenschau.de: Aber was ist mit dem Klimaschutz? Hat Ihr Parteifreund Konstantin Kuhle Recht, wenn er sagt: "Klimaschutz ist mittlerweile ein Hassthema"?

Naas: Viele Menschen sagen zu Recht: Wer uns über Verbote den Wohlstand nehmen will, wer die Deindustrialisierung ohne Rücksicht auf Verluste vorantreiben will, der legt die Axt an meinen persönlichen Wohlstand, und das möchte ich nicht. Das kann ich gut nachvollziehen. Der Klimaschutz muss mit den Menschen gemeinsam umgesetzt werden.

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Zur Person

Stefan Naas (49) ist seit 2022 Spitzenkandidat der FDP Hessen für die anstehende Landtagswahl. Seit 2019 ist er Mitglied des hessischen Landtags. Zuvor war er neun Jahre lang Bürgermeister der Stadt Steinbach (Hochtaunus). Naas studierte in Frankfurt Rechtswissenschaften. 

Sie wollen mehr über den Spitzenkandidaten erfahren? Hier geht es zu Naas' Profil im hr-Kandidatencheck.

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