Kontakte zu Neonazis Neue AfD-Fraktion im Landtag will Abgeordneten nicht aufnehmen

Nach dem Erfolg bei der Hessen-Wahl reagiert die AfD auf Neonazi-Kontakte des künftigen Abgeordneten Sascha Herr. Sie will ihn nicht in die Fraktion im Landtag lassen. Vor fünf Jahren lief es schon einmal ähnlich.

Robert Lambrou und Alice Weidel von der AfD jubeln.
Ein Mandat wegen Neo-Nazi-Vorwürfen weniger als gedacht: AfD-Bundeschefin Weidel mit Landeschef Lambrou. Bild © picture-alliance/dpa
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Nach dem Wahljubel vom Sonntagabend ist die hessische AfD von der Realität schnell eingeholt worden: Einen ihrer 28 Politiker, die in den künftigen Landtag gewählt wurden, wird die Fraktion wegen Kontakten zu Neonazis vermutlich gar nicht aufnehmen.

Es handelt sich um Sascha Herr aus Schmitten (Hochtaunus), der auf Platz 27 der AfD-Landesliste stand. "Der derzeitige Fraktionsvorstand schließt seine Aufnahme in die neue Fraktion kategorisch aus", heißt es in einer Stellungnahme von AfD-Landes- und Fraktionschef Robert Lambrou vom Dienstag.

Damit reagierte die Partei auf Medienberichte: Auf Facebook veröffentlichte Fotos zeigen Herr in einer Kneipe gemeinsam mit einer Führungsfigur der vor drei Jahren verbotenen rechtsextremen Gruppe "Combat 18" aus Nordhessen. Die Frankfurter Rundschau hatte zuerst berichtet.

Ein Déjà-vu für Lambrou

"Combat 18" wurde in England gegründet. Der chiffrierte Name bedeutet so viel wie "Kampftruppe Adolf Hitler". Denn die Zahlen stehen für die Reihenfolge der Buchstaben A und H im Alphabet, der Initialen Hitlers.

Für die AfD wiederholt sich damit, was sich bereits 2019 bei ihrem ersten Einzug in den Landtag ereignete: Damals wurde die Abgeordnete Alexandra Walter erst gar nicht in die Fraktion aufgenommen. Sie soll auf Facebook einen Kriegsverbrecher der Waffen-SS verherrlicht haben. Sie bestreitet das.

Parteiausschluss beabsichtigt

"Die AfD Hessen nimmt den Vorgang sehr ernst", heißt es nun von Lambrou zu den aktuellen Vorwürfen. Herr sei seit Dienstag nicht mehr für die Wiesbadener AfD-Rathausfraktion tätig, deren Referent er zuvor war.

Der Landesvorstand habe am Montagabend zudem ein Parteiausschlussverfahren beschlossen. Der Vorstand lege Herr zudem den Verzicht auf das Landtagsmandat nahe. Im Falle Walters hatte der Landesvorstand das 2019 vergeblich getan. Walter gehört dem Landtag seit damals als fraktionslose Abgeordnete an.

Herr fiel schon vorher auf

Es ist die künftige Landtagsfraktion, die darüber entscheidet, ob sie Herr aufnimmt. Ihre Mitglieder treffen sich laut AfD kommende Woche zu einer vorbereitenden Klausurtagung. Dann soll besprochen werden, ob Herr in der Fraktion eine Zukunft hat. Wahrscheinlich ist das nach dem kategorischen Nein der jetzigen Fraktionsspitze nicht. Herr wird an der Klausurtagung selbst nicht teilnehmen. Der Fraktionsvorstand hat ihn ausgeladen.

Herr war schon zuvor mehrmals wegen Kontakten zur Neonazi-Szene aufgefallen. Vor zwei Jahren ging es um den Besuch eines Rechtsrock-Festivals in Thüringen. Herr habe sich seinerzeit aber "glaubhaft distanziert", heißt es nun von der AfD.

hessenschau.de hatte Lambrou als AfD Spitzenkandidat vor der Wahl im Interview gefragt, ob es ihm nicht Angst mache, wer als Hinterbänkler in einer laut Umfragen deutlich vergrößerten Landtagsfraktion dabei sein könne. Lambrou sagte: "Wir haben eine große Bandbreite, allerdings mit klaren Grenzen. Wer sich darüber hinwegsetzt, den werfen wir aus der Partei."

Reicht es noch für Untersuchungsausschüsse?

Die AfD war bei der Landtagswahl aufgrund kräftiger Zugewinne mit 18,4 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU geworden. Da die Union eine Koalition mit ihr kategorisch ausschließt, wird sie größte Oppositionspartei des Parlaments nach seiner Neukonstituierung im kommenden Januar sein.

Wegen ihrer Größe kann die AfD dann erstmals ohne Unterstützung anderer Fraktionen die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen erfolgreich per Minderheitsantrag beantragen. Angekündigt hat sie bereits die Einrichtung eines Corona-Ausschusses. Dazu braucht sie mindestens 20 Prozent der Stimmen im Parlament.

Ohne Herr reicht es dazu gerade noch so, abspringen dürfte sonst aber niemand mehr. In der laufenden Legislaturperiode sind nicht zuletzt wegen interner Streitigkeiten von ursprünglich 19 gewählten AfD-Politikern noch 14 übrig geblieben, die der Fraktion angehören. Allerdings ist es möglich, dass Herr auch als Fraktionsloser mit der AfD stimmt. So hatte es auch die vor fünf Jahren nicht aufgenommene Walter gehandhabt.

Die hessische AfD betont stets, sie sei bürgerlich-konservativ. Der Landesverfassungsschutz betrachtet sie aber als rechtsextremen Prüffall. Er hatte bereits angekündigt, die AfD nachrichtendienstlich zu überwachen. Dagegen wehrt sich die Partei derzeit gerichtlich, die Überwachung wurde deshalb gestoppt.

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Sendung: hr-iNFO, 10.10.2023, 17.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, Wolfgang Türk