In Berlin sind sie Gegner, bei der Landtagswahl im Herbst auch: Das schwarz-grüne Bündnis in Hessen muss derzeit einiges aushalten. Jetzt liefert ein Auftritt von CDU-Parteichef Friedrich Merz in Wiesbaden neuen Zündstoff.

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Merz im O-Ton: Womit er Hessens Grüne in Rage bringt

CDU-Parteichef Friedrich Merz im Landtag
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Mit heftiger Kritik haben die hessischen Grünen am Mittwoch auf Äußerungen des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz vom Vortag in Wiesbaden reagiert. Landtagsfraktionschef Mathias Wagner sagte, er sei "schockiert über die Brutalität" mit der sich Merz von dem politischen Erbe von Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Ex-Ministerpräsident Volker Bouffier (beide CDU) verabschiede.

Mit seinen Äußerungen zur Ausrichtung der CDU hat Merz nach Meinung Wagners klar gemacht, dass die Union unter ihm "eher auf Spaltung als auf Zusammenhalt setzt". An die hessische CDU als Koalitionspartner richtete der Grünen-Politiker die indirekte Warnung: "Wir hoffen, dass das kein Vorbild für Hessen ist."

Angela Dorn, grüne Wissenschaftsministerin und Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl, legte nach: "Die Merzsche Oppositionskritik mit 90er-Jahre-Feeling bringt uns in Hessen bei den gegenwärtigen Herausforderungen keinen Schritt weiter."

Bisher gab es kaum offenen Streit

Hintergrund: In der Bundespolitik regieren die Grünen in der Ampel-Koalition mit SPD und FDP, die CDU ist in der Opposition. In Wiesbaden regieren CDU und Grüne gemeinsam, öffentlich ausgetragene Konflikte gab es so gut wie keine - man hielt sich auch bundespolitisch mit gegenseitiger Kritik zurück. Das macht die heftigen Reaktionen der Grünen gegen Merz so besonders.

Schwarz und Grün sind allerdings bei der Landtagswahl am 8. Oktober Gegner, wollen mit dem amtierenden Regierungschef Boris Rhein (CDU) und seinem Vize Tarek Al-Wazir (Grüne) jeweils den künftigen Ministerpräsidenten stellen.

Rhein wird hinsichtlich möglicher Bündnisse eine größere Nähe zur FDP als zu den Grünen nachgesagt. Und sein Vorgänger Bouffier hielt im Richtungsstreit in der Union den Kurs Merkels, obwohl der konservativere Merkel-Kritiker Merz in der Hessen-CDU stets viele Anhänger hatte.

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Gleich mehrfach gereizt

In dieser Lage hat Merz nach einem Treffen mit der CDU-Landtagsfraktion am Dienstag die Grünen gleich mehrfach gereizt. Sie, die hier seit 2014 mit der Union regieren, können gleich mehrere Belege für einen Kurswechsel der Bundes-CDU ausmachen, der das Bündnis in Hessen auch betrifft.

1. Lob der alten Hessen-CDU

Er habe immer große Bewunderung für die hessische Landespartei gehabt, sagte Merz in Wiesbaden und nannte sie als Vorbild für die Erneuerung der Bundespartei. Begründung: Sie sei stets "sehr geschlossen und sehr kampfstark" gewesen.

Als klangvolle Namen, die dafür stünden, fiel ihm allerdings nicht nur Bouffier ein, der die Koalition mit den Grünen einfädelte und pflegte. Sondern auch Ex-Parteichef Alfred Dregger und Ex-Regierungschef Roland Koch. Damals wurde die CDU wegen ihres konservativen Kurses von Gegnern gerne "Stahlhelmfraktion" genannt. Mit den Grünen verband die Union in der Zeit Kochs eine regelrechte politische Feindschaft.

2. Flüchtlingspolitik und Lob einer umstrittenen Aktion

Ihre Kampagnenfähigkeit machte Merz als wichtigen Grund dafür aus, dass die CDU seit 1999 Hessen regiert. Damals gewann die Union nach langem Umfragetief die Landtagswahl mit Hilfe einer umstrittenen Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Opposition, besonders heftig die Grünen, fand das populistisch. Es schüre Ausländerfeindlichkeit.

Merz sagte nun, die Aktion sei angesichts der zu hohen Zahl an Flüchtlingen aktuell. Sie stehe für das Erfolgsrezept, "sich in streitigen Themen klar und deutlich zu positionieren".

3. Aufforderung zur Zusammenarbeit mit der CSU

Merz rief die Hessen-CDU im anstehenden Landtagswahlkampf zur Zusammenarbeit mit der CSU und deren Ministerpräsident Markus Söder in Bayern auf.

4. Kampfansage an Grüne

Merz bekräftigte in Wiesbaden vor dem Hintergrund der Heizungsdebatte den neuen Kurs, dass die Union auf Bundesebene die Grünen wegen der Auswirkungen ihre Wirtschafts- und Klimapolitik "sehr viel stärker in den Blick zu nehmen".

Koalitionen mit den Grünen auf Länderebene seien kein Grund, solchen Streit "unter den Teppich zu kehren". Merz betonte allerdings, dabei gehe es nicht um landespolitische Themen. In der Koalition in Hessen stimme es atmosphärisch und es gebe auch viele politische Gemeinsamkeiten.

Politikstil und Heizungen

Die Unterscheidung zwischen Bundes- und Landespolitik besänftigte Grüne-Fraktionschef Wagner nicht. Er hatte zuvor wiederholt im Landtag appelliert, die Flüchtlingspolitik nicht zum Wahlkampfthema zu machen. "Der Politikstil von Söder und der CSU ist sicherlich nicht vorbildlich", sagte Wagner zudem.

In der aktuellen Debatte über die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen räumte der Grünen-Politiker ein, dass man über Art und Zeitrahmen der Umsetzung reden könne und müsse. Allerdings erwecke die Bundes-CDU den falschen Eindruck, "als könne man noch 20 bis 30 Jahre Heizungen einbauen, die nicht klimaneutral sind". Das sei irritierend.

Hoffnung trotz Gegenwind

Trotz des Gegenwinds im Bund, gesunkener Umfragewerte und Verluste bei der Wahl in Bremen halten die Grünen in Hessen am Ziel fest, mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir die CDU bei der Landtagswahl zu schlagen und den nächsten Regierungschef zu stellen.

Das Rennen sei noch völlig offen, sagte Wagner. "In fünf Monaten kann noch viel passieren." Beim jüngsten hr-hessentrend lag die Partei zehn Prozentpunkte hinter der CDU, aber vor der SPD.