Wahplakate von Hanno Benz und Michael Kolmer

Die Abteilung Attacke hat bei beiden OB-Kandidaten vor der Stichwahl weitestgehend geschlossen. Michael Kolmer und Hanno Benz setzen ihren sachlichen Wahlkampf fort, provoziert wird nur sanft.

Infostände auf dem Luisenplatz, Besuch auf dem Wochenmarkt, Kneipentour oder ein vermeintlich gemütlicher Innenstadtspaziergang: Die Darmstädter OB-Kandidaten Michael Kolmer (Grüne) und Hanno Benz (SPD) geben auf den letzten Metern noch einmal Vollgas im Wahlkampf, um für die anstehende Stichwahl am Sonntag (2. April) möglichst viele Menschen von sich zu überzeugen.

Wahlkampf ist hier aber vielleicht gar nicht der richtige Begriff, unterstellt die Verbindung aus Wählen und Kämpfen doch eher einen erbittert geführten Schlagabtausch auf dem Schlachtfeld der Demokratie. Es geht gesittet zu in Darmstadt. Beide Kandidaten konzentrieren sich vornehmlich auf gebetsmühlenartiges Wiederholen ihrer Positionen und Pläne, die Angriffe und Spitzen in Richtung des jeweiligen Kontrahent sind selten, fast schon zögerlich.

Ein unmoralisches Jobangebot

Am angriffslustigsten präsentiert sich noch Benz, der beim ersten Wahlgang am 19. März am zweitbesten abschnitt. Ohne müde zu werden, wirft er der grün geführten Koalition vor, durch "ideologisierte Politik" die Stadtgesellschaft zu spalten.

Wenig überraschend nimmt er dabei in erster Linie das von Kolmer geführte Mobilitätsdezernat ins Visier. Um die Verkehrswende zu schaffen, brauche es eine "ideologiefreie", pragmatische Herangehensweise und breite Akzeptanz in der Bevölkerung.

Benz kündigte jüngst an, im Falle eines Wahlsiegs die Karten im Magistrat neu mischen zu wollen - garniert mit einer für neutrale Beobachter fast schon amüsanten Spitze gegen seinen Stichwahl-Gegner. Sollte der SPD-Mann zum OB gewählt werden, will er Kolmer das Mobilitätsdezernat wegnehmen und ihn durch den derzeitigen Ordnungsdezernenten Paul Georg Wandrey (CDU) ersetzen.

Alles im Sinne der Deeskalation, wie Benz beteuert. Immerhin dürfe Kolmer unter OB Benz weiterhin Mitglied des Magistrats bleiben, dann aber als Klimaschutzdezernent. "Hier hat Stadtrat Kolmer große Aufgaben vor sich", sagte Benz - fast so, als wäre die Wahl bereits entschieden.

Vorwurf der Wichtigtuerei

Kolmer ließ das unmoralische Jobangebot nicht unkommentiert und warf Benz Wichtigtuerei und ein falsches Verständnis von Politik vor. Ein Magistrat sei ein "Kollegialorgan", sagte er dem hr. Nicht der Oberbürgermeister wähle die Stadträte, sondern die Stadtverordnetenversammlung.  Ein Oberbürgermeister sei zwar eine wichtige Person, im Magistrat aber Primus inter pares, der Erste unter Gleichen.

Wie der Magistrat unter einem möglichen OB Kolmer aussehen wird, lässt der Grünen-Kandidat offen. Wandrey wird sicher weiter an Bord sein, vielleicht aber auch Kerstin Lau von der Wählervereinigung Uffbasse, die nur knapp an der Stichwahl scheiterte. Sie signalisierte bereits Interesse an einem Magistratsposten.

Zumindest der Posten des Mobilitätsdezernenten wäre dann frei. "Das diskutiere ich beizeiten kollegial, um dann auch mit Stärke zu entscheiden", betonte Kolmer: "Aber nicht umgekehrt, wie es Herr Benz getan hat."

Altbekannte Narrative

Kleine Spitzen und Sticheleien, mehr ist nicht zu vernehmen aus den Abteilungen Attacke in der grünen und in der roten Ecke. Stattdessen bedienen sowohl Kolmer als auch Benz im Wahlkampf weiterhin ihre altbekannten Narrative. Benz will eine Wechselstimmung in der Stadt ausgemacht haben, das Ergebnis aus dem ersten Wahlgang untermauere diese These. Wer den Wechsel wolle, müsse ihn wählen. "Ich stehe für Wechsel", betont Benz beständig.

Der Sozialdemokrat spricht auch immer wieder von einer von grüner Politik herbeigeführten Spaltung der Stadtgesellschaft. Der amtierende Oberbürgermeister Jochen Partsch habe zusammen mit seinen Parteikollegen Politik für die eigene Klientel gemacht und besonders in der Verkehrspolitik für verhärtete Fronten gesorgt. "Ich mache eine Angebot für alle Bürger und Bürgerinnen", sagte Benz am Wahlabend und danach noch viele Male.

Mit der Kraft der Erfahrung

Kolmer hingegen setzt auf die Kraft der Erfahrung. "Um die Krisen der nächsten Jahre und Jahrzehnte, die wir teilweise noch gar nicht kennen, mit einer gewissen Ruhe bewältigen zu können, braucht es Erfahrung", so Kolmer. Diese Erfahrung bringe er definitiv mit, nicht zuletzt aus 23 Jahren Arbeit in der Stadtverwaltung.

Darmstadt dürfe nicht in den Stillstand zurückfallen, sagt Kolmer. In den SPD-regierten Jahrzehnten vor Partsch sei viel versäumt worden, wichtige Infrastrukturprojekte wie etwa die Sanierung der Schulen habe man liegen lassen.

"Wir mussten die Stadt erst wieder handlungsfähig machen. Das ist uns gelungen, und diesen Kurs wollen wir weiter fahren", sagt Kolmer. Ob ihn die Wählerinnen und Wähler allerdings auch ans Steuer lassen oder ob ein neuer Navigator doch den Kurs ändert, wird der Sonntag zeigen.

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