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Parteitag: Hessens SPD trifft sich in Hanau

Nancy Faeser

Am Samstag schickt die Hessen-SPD offiziell Nancy Faeser ins Rennen um die Staatskanzlei. Doch was als strahlender Auftakt des Landtagswahlkampfs geplant war, wird getrübt durch interne Kritik an der Bundesinnenministerin.

Elf Meter breit, vier Meter hoch: So groß ist die Rückwand der Parteitagsbühne zum Wahlkampfstartschuss der hessischen SPD, eine größere Kulisse hat die Partei nach eigenen Angaben nie gebaut. Die Scheinwerfer im Hanauer Congresspark sollen Nancy Faeser, die designierte Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 8. Oktober, in ein weiches Licht tauchen. Doch womöglich leuchten sie auch umso greller die Baustellen der Partei aus. Und das sind nicht wenige.

Als am vorigen Montag Generalsekretär Christoph Degen erste Wahlplakate (Slogan: "Die besten Kräfte für Hessen") präsentierte, platzte die Meldung einer fast vergessenen Genossin in die Pressekonferenz: Andrea Ypsilanti, Beinahe-Ministerpräsidentin und linkes Gewissen der SPD, verlässt die Partei im Groll über Faesers umstrittenen Asyl-Deal auf EU-Ebene. 

 

 "Nicht dein Ernst", so hatte Ypsilanti einen Tweet der Bundesinnenministerin kommentiert, die die zuvor ausgehandelten Aufnahmezentren an der EU-Außengrenze als "historischen Erfolg" und "solidarische Migrationspolitik" gefeiert hatte.

In Erklärungsnot

Die SPD-Spitzenkandidatin von 2008 bringt die Spitzenkandidatin von 2023 in Erklärungsnot, ausgerechnet in der Woche des Listenparteitags, der Faeser auch offiziell zur Herausforderin des Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) küren wird. So mancher eher linksstehende Genosse wird wohl hinterfragen, wie sozialdemokratisch die Juristin Faeser tickt. Denn manche Hoffnungen nach dem Abgang des Asyl-Hardliners Horst Seehofer (CSU) hat die Bundesinnenministerin enttäuscht.

Generalsekretär Degen versuchte noch, Ypsilantis Austritt als "eine Entfremdung über Jahre" zu erklären. Die Ausgetretene trat schriftlich nach: "Mir fehlt die Hoffnung, dass die SPD ihren Auftrag erfüllen will." Gemeint ist eine Politik, die alle Menschen gleich behandelt.

Kritik an Asyl-Kompromiss

Vor dem Landesparteitag hat Faeser nicht alle Zweifel am Asyl-Kompromiss ausräumen können. Am Montag versuchte sie in einer Videoschalte mit den Jusos auch dem hessischen Parteinachwuchs zu erklären, warum künftig wohl auch manche Familien mit Kindern auf ihre Verfahren in Lagern an der EU-Außengrenze warten müssen.

Das Treffen dürfte Faesers Kritikern einigen Wind aus den Segeln genommen haben. Ein Sturm der Entrüstung wird wohl nicht über die Parteitagsbühne fegen. Teilnehmer der Schalte mit den Jusos berichten von einer respektvollen Atmosphäre mit ausreichend Zeit, Kritik einzubringen.

Dennoch seien einige Fragen offen geblieben, die nun auf dem Parteitag zur Sprache kommen dürften. Nicht wenige Jusos nehmen Faesers Zustimmung zur Verschärfung der Asyl-Regeln der EU übel.

Wirbel um Weiß

Die Juso-Landeschefin Sophie Frühwald sieht das konstruktiver. Sie setze auf "kritische Solidarität", sagt sie. Das heißt wohl: Kein Blatt vor den Mund nehmen, aber dem Spitzenpersonal nicht schaden. Das kann sich die SPD auch nicht leisten, will sie nach bald 24 Jahren wieder einer Landesregierung angehören. "Wir setzen alle Segel auf Sieg", beteuert Frühwald.

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Asyl-Debatte bei den Grünen

Auf dem Länderrat der Grünen am Samstag in Bad Vilbel (Wetterau) wird es wohl nicht nur Wahlkampf-Rückenwind für den hessischen Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir durch die bundespolitische Parteiprominenz geben. Manche erwarten hitzige Debatten um die Migrationspolitik. Insbesondere die Grüne Jugend möchte den von der Ampel-Koalition befürworteten Asyl-Deal der EU nicht mittragen. Den Grünen stehen vor einer Zerreißprobe in der Flüchtlingsfrage

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Während Faeser nicht müde wird, die Asyl-Regelungen zu erklären, wird sie still, wenn es um ihren Parteifreund Marius Weiß geht. Er steht wegen der sogenannten Parkplaketten-Affäre ungewollt im Rampenlicht.  

 

Weiß gehört dem mächtigen SPD-Bezirk Hessen-Süd an, und der hat seine Entschuldigung für das rechtswidrige Kopieren eines Zufahrtsscheins für die Landtagstiefgarage für seine dort tätige Ehefrau angenommen. Der Bezirksvorsitzende Kaweh Mansoori schreibt, es gehe darum, "den Grad einer einmaligen Verfehlung ins Verhältnis zum Gesamtwerk einer Person zu setzen".

Rückendeckung und Dämpfer

Weiß kann daher beim anstehenden Parteitag trotz der Affäre auf einem aussichtsreichen Listenplatz landen, der seinen Wiedereinzug in den Landtag als sicher erscheinen lässt. Es werde eine Kandidatur auf Platz 14, hieß es am Freitagabend.

Das wäre als Folge der Affäre aber auch ein Dämpfer für den ehrgeizigen Weiß. Denn auf Platz 11 stand er bei der Wahl 2018.

Kampfkandidatur soll vermieden werden

Zunächst schien diesmal für den Landtagsabgeordneten trotz Parkplaketten-Affäre mit Rückendeckung des Bezirks Hessen-Süd sogar Platz 8 möglich. Das hatten CDU und Grüne kritisch kommentiert, auch in der SPD hätte damit mancher Bauchschmerzen gehabt.

Denn Weiß' Fehler ist das eine. Sein Umgang damit etwas anderes. Zu lange habe er mit einer Entschuldigung gewartet, finden manche. Die Enttäuschung, auch menschlich, ist groß.

Ob sich gegen Weiß auf dem Parteitag noch ein Gegenkandidat stellt, wird sich zeigen. Gegen einen angeschlagenen Landtagsabgeordneten zu kandidieren, ist vermintes Gebiet. Von parteiinternen Warnungen an potenzielle Gegenkandidaten ist gar die Rede. Solche Manöver vergesse man in der SPD nicht, heißt es.

Es soll aber unter den rund 350 Delegierten des Hanauer Listenparteitags durchaus Genossen geben, die überlegen, am Samstag aus der Deckung zu kommen. So sei die Solidarität mit der eigenen Partei größer als mit einem Abgeordneten, der die Glaubwürdigkeit der SPD beschädigt habe.

Die Spitzenkandidatin Nancy Faeser wird sich am Samstag Worte zurechtlegen müssen, warum sie guten Gewissens mit Marius Weiß auf einer Wahlliste stehen kann. Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Die Bühnencrew beim Parteitag muss die Scheinwerfer auf Faeser wohl etwas aufdrehen, damit Weiß einen nicht allzu großen Schatten auf sie wirft. 

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