Nach seinem großen Gasgipfel sieht Hessens Regierungschef Boris Rhein nach eigenen Angaben klarer in der Energiekrise - und keinen Grund zur Panik. Die Opposition dagegen misst "viel heiße Luft, mit der man leider nicht heizen kann".

Videobeitrag

Video

Landesregierung lädt zu Gasgipfel

hs
Ende des Videobeitrags

Es waren drei Stunden des Austauschs, keine Stunden der Entscheidungen - auch wenn die Bezeichnung "Gasgipfel" andere Erwartungen geweckt haben mochte. Als Boris Rhein (CDU) am Ende ans Mikrofon trat, schickte er mit gewinnendem Lächeln und fester Stimme eine Botschaft der Beruhigung ins Land.

Nun sähen "alle gemeinsam wesentlich klarer, auf welche Herausforderungen sich das Land Hessen einstellen muss", hielt der Ministerpräsident fest und fügte hinzu: "Es gibt keinen Grund zur Panik." In der Wiesbadener Staatskanzlei hatte er sich am Mittwoch von 10 bis 13 Uhr mit Vertretern von Wirtschafts- und Sozialverbänden getroffen, von Gewerkschaften und Energieversorgern, von Verbraucherzentrale und Unternehmen wie Buderus Edelstahl oder Ferrero.

Gasspeicher auf 72 Prozent

Reicht das Gas, nachdem Russland die Lieferungen gedrosselt hat? Wo kann gespart werden? Wenn Gas rationiert werden muss: Welchen Unternehmen wird es zuerst abgedreht? Was gegen die sozialen Folgen der enorm steigenden Energiepreise tun? Um solche Fragen ging es hinter verschlossenen Türen.

Mit einem Zwischenstand untermauerte der vielleicht wichtigste Gipfelgast anschließend die von Rhein betonte Besonnenheit, jedenfalls ein wenig. Die deutschen Gasspeicher seien mittlerweile zu mehr als 72 Prozent gefüllt, teilte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, mit.

"Da sind wir auf einem guten Weg“, sagte Müller zu dem Ziel, die Speicher Anfang September zu 75 Prozent gefüllt zu haben. Angespannt ist die Lage aber nach Einschätzung der Bundesnetzagentur immer noch. Deshalb müsse noch mehr Gas gespart und gleichzeitig aus anderen Quellen besorgt werden. Und dann spielt immer noch eine wichtige Rolle, wie kalt der Winter wird.

Wie viel Hilfe wird noch kommen?

Falls Gas fehlt, entscheidet Müllers Behörde, wer noch versorgt wird - und wer nicht. Systemrelevante Einrichtungen wie Kliniken und private Haushalte träfe es als letzte.

Aber es geht nicht nur um Gasmengen. Die Verbraucherzentrale Hessen schlug gerade Alarm: Angesichts sich vervielfachender Gaspreise dürfte immer mehr Menschen das Geld für Energie ausgehen. Man wolle "niemanden in dieser Situation allein lassen", bekundete Regierungschef Rhein. "Alle höheren Kosten werden wir wohl nicht abdecken können", sagte Hessens Wirtschafts-Staatssekretär Philipp Nimmermann (Grüne).

Forderungen an den Bund

"Handlungsoptionen", die der Gipfel laut Rhein identifiziert hatte, mündeten in einige Forderungen an die von SPD, Grünen und FDP geführte Bundesregierung. Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen müssten entlastet, Industriebetriebe mit hohem Energiebedarf mehr unterstützt werden - und zwar möglichst, bevor am 1. Oktober mit der neuen staatlichen Umlage der Gaspreis noch weiter steigen dürfte.

Der Bund soll zudem ein Energiesparpakt mit Ländern und Kommunen organisieren. Hessen habe sein 15-Prozent-Sparpaket für die Landesverwaltung bereits vorgelegt. Konkreteres für das Bundesland soll laut Rhein aber sehr wohl folgen. So soll es am runden Tisch zwischen Regierung, Sozialverbänden und Gewerkschaften um Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger gehen.

Heiße Luft und Kaffeekränzchen

Trotz solcher Ankündigungen reagierte die Landtagsopposition auf den Gasgipfel mit zum Teil ätzender Kritik. Vom "sogenannten Gasgipfel" sprach Stephan Grüger, energiepolitischer Sprecher der SPD. Der Zeigefinger der Landesregierung weise wieder einmal nach Berlin, ohne dass Hessen selbst Konzepte biete - zum Beispiel zur Entlastung von Verbrauchern. Grügers Fazit: "Viel heiße Luft, mit der man aber leider nicht heizen kann."

Schonender fiel auch das Urteil der FDP nicht aus. Als "Kaffeekränzchen" disqualifizierte ihr energiepolitischer Sprecher Stefan Naas den Gipfel. Nicht einmal über mögliche Krisen-Szenarien und die jeweiligen Pläne dafür habe man etwas erfahren.

Linke sieht Verbraucher verhöhnt

Die Bildung eines "Krisenstabs Versorgungssicherheit" forderte Andreas Lichert, der energiepolitische Sprecher der AfD. Selbst wenn die Speicher gefüllt würden, werde es im Winter ohne russisches Gas nicht gehen. Alles andere seien "Durchhalteparolen, um Bürgern und Unternehmen Sand in die Augen zu streuen".

Von einer "Verhöhnung der Menschen" sprach Linken-Fraktionschefin Elisabeth Kula, weil Rhein der Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm Raum für die Forderung nach höheren Gaspreisen gegeben hatte, weil dies das zentrale Instrument sei, um mehr Spareffekte zu erzielen. Härten, die daraus entstehen, sollten nach Meinung Grimms allerdings "von vornherein abgefedert werden".

Die Linke bringt dagegen an, eine Familie könne "irgendwann nicht mehr weniger heizen". Nötig sei daher ein "robuster Schutzschirm" für Verbraucher. Mehrkosten müssten erstattet, die Gaspreise gedeckelt und Gas- und Stromsperren verboten werden.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen
Formular

hessenschau update - Der Newsletter für Hessen

Hier können Sie sich für das hessenschau update anmelden. Der Newsletter erscheint von Montag bis Freitag und hält Sie über alles Wichtige, was in Hessen passiert, auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbstellen. Hier erfahren Sie mehr.

* Pflichtfeld

Ende des Formulars