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Künftige IG-Metall-Chefin will in Firmen gegen AfD-Zuspruch kämpfen

Christiane Benner

Sie ist für eine Frauenquote und kämpft gegen den Aufstieg der AfD: Christiane Benner will beim Gewerkschaftstag in Frankfurt die erste IG-Metall-Chefin werden. Ein Porträt.

Christiane Benner ist schon oft vorangegangen. Als erste Frau will sich die 55-Jährige am kommenden Montag in Frankfurt zur Chefin der IG Metall wählen lassen - Deutschlands größte, mächtigste und männlichste Gewerkschaft, fest verankert in der Automobilindustrie und mit einem Frauenanteil von rund 20 Prozent.

Jahrzehntelang wurde die Organisation geführt von machtbewussten Männern wie Franz Steinkühler, Berthold Huber oder zuletzt Jörg Hofmann, der mit 67 Jahren nicht erneut antritt. Nun also Christiane Benner, bereits seit acht Jahren Hofmanns Stellvertreterin.

Jugendvertreterin eines Metallbetriebs in Bensheim

Seit ihrem Gewerkschaftseintritt im Jahr 1988 hat die einstige Jugendvertreterin eines Metallbetriebs in Bensheim (Bergstraße) die IG Metall aus vielen Perspektiven kennengelernt - und dabei eine bemerkenswerte Vorliebe für schwierige und zukunftsträchtige Themen entwickelt.

Nach einem von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierten Soziologie-Studium sowie Stationen in Frankfurt und Hannover wurde sie 2008 Bereichsleiterin beim Vorstand, zuständig unter anderem für IT-Kräfte und "Zielgruppenarbeit".

Informationstechnologie als "Treiber"

Diese Gruppen waren unter anderem Frauen, Angestellte, Studenten und Ingenieure und damit recht weit entfernt von der prägenden Gruppe der klassischen Facharbeiter. Benner hat bereits scheinselbstständige Click-Worker organisiert sowie über Kreislaufwirtschaft und künstliche Intelligenz nachgedacht, als das für andere noch weit entfernte Zukunftsmusik war.

Sie sagt über sich selbst: "Ich habe die Informationstechnologie immer als Treiber begriffen. Wenn ich verstehe, was bei IBM oder SAP geschieht, dann weiß ich, was in den anderen Betrieben drei oder vier Jahre später passiert."

2011 in Vorstand berufen

Aus der nach eigener Einschätzung "leicht nerdigen" Frau für komplexe Zukunftsfragen wurde recht schnell eine Frau mit Zukunft, die 2011 in den Vorstand berufen wurde und 2015 zur Zweiten Vorsitzenden avancierte.

Auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt tritt die verheiratete Benner als Teil, aber auch als eindeutige Anführerin eines fünf-köpfigen Kandidaten-Teams für den Vorstand an. Gegenkandidaten sind nicht in Sicht.

Standfest und durchsetzungsfähig

Den bevorstehenden Wahlerfolg hat die Sozialdemokratin auch der eigenen Standfestigkeit zu verdanken, als sie sich im vergangenen Jahr nicht an die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wegloben ließ und lieber der IG-BCE-Funktionärin Yasmin Fahimi den Vortritt ließ.

Danach scheiterte noch der Versuch baden-württembergischer Seilschaften, in einer neuartigen Doppelspitze neben ihr den Stuttgarter Bezirkschef Roman Zitzelsberger als Co-Vorsitzenden zu installieren.

Benner war Schulsprecherin

Sie sei in ihrem Leben immer bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, sagt die groß gewachsene und sportliche Ex-Handballerin, die bevorzugt am Main joggt. "Ich war auch Schulsprecherin, das hat meine Mutter damals gar nicht so recht mitbekommen."

Der angestrebte Posten an der Gewerkschaftsspitze bedeutet nach den Usancen der IG Metall demnächst auch den Wechsel in den Aufsichtsrat von VW, dem sich die designierte Chefin nicht verschließen wird. "Es gibt eine Erwartungshaltung und es gibt eine Tradition. Und der werde ich selbstverständlich entsprechen."

In der starken Auto-Fraktion ihres Hauses sieht sich die langjährige BMW- und Continental-Aufseherin bestens vernetzt. Die IG Metall sei aber weit vielfältiger, macht Tarife für Kfz-Mechatroniker ebenso wie für die Textil- und Holzwirtschaft und hat mit dem Maschinenbau und der Metallverarbeitung weitere Schlüsselindustrien in ihrem Organisationsbereich.

"Kurze Vollzeit" von 32 Stunden gegen Fachkräftemangel

Benner ist eine entschiedene Verfechterin der Frauenquote und will in der Arbeitswelt die strukturellen Nachteile abbauen, die dazu führen, dass Frauen nach der Babypause nicht mehr auf den Karrierezug gelassen werden. Eine "kurze Vollzeit" von 32 Stunden für Männer und Frauen gleichermaßen scheint ihr ein richtiges Mittel gegen den Fachkräftemangel zu sein.

Diese Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung, die auf eine Vier-Tage-Woche hinauslaufen könnte, will sie aber zunächst auf die Stahlindustrie beschränkt sehen, die vor einem ökologischen Umbau steht.

IG Metall soll in sozialen Medien präsenter sein

Manchmal rutscht der Soziologin noch ein Anglizismus wie "empowern" (befähigen) durch, doch grundsätzlich ist Benner um klare Ansprache nicht verlegen. "Ich muss die Dinge einfach so erklären, dass das ein ganz normaler Mensch auf dem Hallenboden versteht - und kein überkandideltes Zeug."

Ihre Organisation mit gut 2,1 Millionen Mitgliedern will sie künftig deutlich sichtbarer machen, in herkömmlichen wie in den sozialen Medien viel präsenter sein. Ihre Vorgänger bevorzugten eher das politische Hinterzimmer statt das grelle Licht der Talkshows, doch Benner sagt: "Ich scheue überhaupt nicht das Licht der Öffentlichkeit."

Kampf gegen AfD angekündigt

Benner will einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf den Kampf gegen die AfD legen. "Gerade wir als Gewerkschaft haben enorme Möglichkeiten, gegen den weiteren Aufstieg der AfD zu wirken", sagte sie der Augsburger Allgemeinen (Montag). "Wir können den Rechten den Boden entziehen, wenn wir in den Betrieben mithilfe von Gewerkschaften und Betriebsräten Menschen Sicherheit vermitteln, etwa indem sie weiterqualifiziert werden und bei all den Veränderungen eine gute Perspektive für sich sehen."

Sie erklärte weiter: "Wir können Menschen, auch wenn sie nach rechts abgedriftet sind, zurückgewinnen. Denn unsere Betriebe sind wichtige und funktionierende Orte der Demokratie. Immer vorausgesetzt, es gibt ein faires Miteinander von Arbeitgebern und Beschäftigten durch Betriebsräte. Denn Sicherheit ist das beste Mittel gegen Rechts."