Geschäftsleute sollen die US-Streitkräfte in Afghanistan betrogen haben. Sie dürfen deshalb in den USA keine Geschäfte mehr machen. Die Sanktionen könnten sich auf ihr Neubauprojekt in Frankfurt auswirken. Eine Staatsanwaltschaft prüft nun die Vorwürfe.

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US-Sanktionen gegen in Frankfurt tätigen Investor

Neues Wohnhaus mit Kita an der Berger Straße in Frankfurt, cremefarbene Fassade, Bauzaun davor
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Es hat länger gedauert, als sich viele im Frankfurter Stadtteil Bornheim gewünscht hatten. Aber nun steht der Neubaukomplex an der Berger Straße, Ecke Ringelstraße kurz vor der Fertigstellung. Mit 67 neuen Wohnungen, einem Supermarkt und einer Kita hat er alles, worauf die Stadt an der Stelle seit Jahren wartet.

Eigentlich müssten die Verantwortlichen also Grund zum Feiern haben. Doch bei der Eigentümerin des Gebäudes, der Ozean Horizont Projektentwicklungs GmbH, dominiert gerade ein anderes Thema.

Die Immobiliengesellschaft mit Sitz im baden-württembergischen Herrenberg gehört zur Firmengruppe von Haji Ajmal Rahmani. Er und sein Vater Mir Rahman Rahmani stammen aus Afghanistan und haben zyprische Pässe. Die US-Behörden haben die beiden Männer Ende 2023 auf eine Sanktionsliste gesetzt.

Laut US-Regierung Millionen veruntreut

Sie sollen "mithilfe eines komplexen Korruptionssystems über ihre afghanischen Firmen Millionen von Dollar veruntreut haben", schreibt das US-Finanzministerium in seiner Begründung. Das Geld habe aus Verträgen zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte gestammt, die von der US-Regierung finanziert worden seien.

Vater und Sohn Rahmani dürfen nun weder in den USA noch mit US-Firmen Geschäfte machen. Die beiden lassen sich presserechtlich von der Kölner Anwaltskanzlei Höcker vertreten. Die teilt auf Anfrage des hr mit, dass die beiden Mandanten alle in Zusammenhang mit der Sanktionierung erhobenen Vorwürfe entschieden zurückweisen.

In Baden-Württemberg liegt Projekt auf Eis

Welche Auswirkungen das auf die Projekte von Haji Ajmal Rahmani in Deutschland haben kann, lässt sich bei dem geplanten Viertel Quantum Gardens im baden-württembergischen Ehningen mit Büro- und Laborflächen sowie Wohnungen beobachten.

Kurz nach Bekanntwerden der Sanktionen hat die Gemeinde im Kreis Böblingen das Bebauungsplanverfahren für das neun Hektar große Gelände auf Eis gelegt. Die Partner des Projekts seien international vernetzt und würden Gefahr laufen, "im Falle einer Zusammenarbeit selbst sanktioniert zu werden", schreibt die Gemeinde auf hr-Anfrage.

Der SWR berichtet, auch IBM müsse womöglich aufgrund der Sanktionen gegen die Rahmanis handeln. Der US-amerikanische IT-Riese betreibt in Ehningen Deutschlands einzigen kommerziellen Quantencomputer. Nach Angaben des SWR hat die Ozean-Gruppe das frühere IBM-Areal gekauft.

Staatsanwaltschaft Stuttgart wird tätig

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft im Zusammenhang mit den Immobilieninvestitionen Korruptionsvorwürfe "gegen Unbekannt", wie sie dem hr am Mittwoch bestätigte. Dabei gehe es um eine mögliche Strafbarkeit nach deutschem Recht. Weitere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.

Nach hr-Informationen handelt es sich um den Anfangsverdacht der Geldwäsche. Nach Auskunft der Anwaltskanzlei von Vater und Sohn wussten beide bislang nichts von diesem Vorwurf. Sie seien bereit, bei der Prüfung konstruktiv mitzuwirken.

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Afghanische Flüchtlinge fordern Wohnungen für sich

Durch den hr-Bericht über das Immobilienprojekt der Rahmanis aufgeschreckt, meldete sich am Mittwoch das Afghan Refugees Movement (ARM) in Frankfurt. Die Bewegung vertritt nach eigenen Angaben die Interessen der afghanischen Diaspora. "Wir mussten mit Bestürzung feststellen, dass ehemalige afghanische Regierungsvertreter auch in Frankfurt ihr Unwesen treiben", schreibt das ARM auf seiner Facebook-Seite. Mir Rahman Rahmani habe sich "mit US-Dollars in die afghanische Politik eingekauft".
Das ARM schreibt weiter: "Leute wie sie sind der Grund, warum wir unsere Heimat verlassen mussten." Während sie selbst "es in Flüchtlingslagern aushalten müssen", verdienten die Rahmanis nun auch in Deutschland Geld. Das ARM fordert als Wiedergutmachung, dass in die Wohnungen von Rahmanis Immobiliengesellschaft in Frankfurt afghanische Geflüchtete einziehen dürfen.

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Als Partner der Truppen gegen die Taliban etabliert

Die Vorgänge, um die es geht, liegen einige Zeit zurück. Haji Ajmal Rahmani etablierte sich während des jahrzehntelangen Kriegs gegen die Taliban als Unternehmer. Er beschaffte und transportierte, was die westlichen Staaten für ihren Einsatz am Hindukusch brauchten. Nach Angaben des US-Finanzministeriums war das zum Beispiel Treibstoff für afghanische Sicherheitskräfte und die Nato-Truppen.

Nun berichtet die US-Behörde, dabei seien Ausschreibungen und Preise manipuliert und große Mengen Sprit abgezweigt worden. Auch von Schmiergeldzahlungen ist die Rede.

Vater und Sohn Rahmani weisen all das zurück. "Unsere Mandanten haben die Nato-Truppen von Anfang an unterstützt und sind daher bestürzt über die nun gegen sie erhobenen, aus der Luft gegriffenen Vorwürfe, gegen die sie bereits mit US-Anwälten vorgehen", teilt in ihrem Namen die Kanzlei Höcker auf hr-Anfrage mit.

Investor: "Aus der Luft gegriffene Vorwürfe"

Bei einem Gericht in Washington, D.C. ist gegen die Sanktionierung von Vater und Sohn Rahmani Klage eingereicht worden. Die Kanzlei Höcker betont, mit den Sanktionen sei kein strafrechtlicher Vorwurf verbunden. "Die gegen die Mandanten wegen aus der Luft gegriffener Vorwürfe verhängten US-Sanktionen finden in Deutschland keine Anwendung und haben daher auch keine Auswirkungen auf die dortigen Projekte", schreiben die Anwälte.

Neues Wohnhaus mit Kita an der Berger Straße in Frankfurt, cremefarbene Fassade, Bauzaun davor

Ganz so einfach ist es aber offenbar nicht. Denn es gibt eine Grauzone, in der sich das Projekt der Rahmanis in Frankfurt-Bornheim möglicherweise befindet. US-Sanktionen gelten zwar nicht automatisch in Deutschland. Aber deutsche Firmen, die mit von den USA sanktionierten Personen Geschäfte machen, laufen Gefahr, in den Vereinigten Staaten Probleme zu bekommen.

"Das mag nicht für einen kleinen Handwerker oder jemanden, der eine Wohnung kauft, gelten. Für größere Kanzleien, Vermögensverwalter oder Finanzberater ist es dramatisch", sagt Heribert Hirte vom Vorstand der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Deutschland. Solche großen Firmen seien vor Abschluss eines Geschäfts verpflichtet zu prüfen, ob ihre potenziellen Geschäftspartner in den USA sanktioniert werden. Lassen sie sich dennoch darauf ein, könnten sie selbst ins Visier der US-Behörden geraten.

Förderzusage für Wohnungen steht noch aus

Als Konsequenz könnte der Ausschluss vom Handel mit US-Banken oder in US-Dollars drohen, so Hirte. Oder Mitarbeiter könnten Probleme bei der Einreise in die USA bekommen.

Die Kanzlei Höcker betont, dass ihre Mandanten keine Risiken für ihre Geschäftspartner in Deutschland sähen. Sie hätten sich Transparenz auf ihre Fahnen geschrieben. Auf Nachfrage teilen die Anwälte mit: "Unsere Mandanten gehen mit der auch für sie misslichen Situation offen um und stehen allen Beteiligten für Rückfragen gerne zur Verfügung." So seien sie von sich aus an die Bauaufsicht der Stadt Frankfurt herangetreten, "um dort eventuell vorhandene Sorgen zu entkräften".

Auf ihrer Webseite warb die Ozean Horizont Projektentwicklung bis vor kurzem damit, dass 28 der 67 an der Berger Straße in Frankfurt gebauten Mieteinheiten Sozialwohnungen seien. Das für Wohnraumförderung zuständige Dezernat der Stadt bestätigt, dass auf dem Areal geförderte Wohnungen für bedürftige Menschen entstehen sollten. Jedoch: "Aufgrund offener verfahrenstechnischer Fragen wurde bisher durch das Land Hessen und die Stadt Frankfurt keine Förderung bewilligt", teilt Wohnungsbaudezernent Marcus Gwechenberger auf hr-Anfrage mit.

Investor plant weiteres Projekt in Frankfurt

Weil es sich um "ein noch laufendes Verfahren handelt", will der SPD-Politiker dazu keine näheren Angaben machen. Auf der Webseite von Ozean Horizont steht seit neuestem der Zusatz: "Der betreffende Antrag wird derzeit von Seiten der Stadt geprüft."

Das Gebäude mit Wohnungen und Kita in Bornheim soll übrigens nicht das einzige Projekt von Ozean Horizont in Frankfurt bleiben. Der Immobilieninvestor plant in einem Neubauviertel am Rebstock im Westen der Stadt ein 18-stöckiges Hochhaus mit Läden, Büros und Wohnungen.

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